Künstler und Winzer in MayschoßRainer Hess baut Elternhaus zum Atelier um

Stabile Rückenlehne: Der Künstler und Winzer Rainer Hess sitzt vor der 350 Millionen Jahren alten Wand aus Devonschiefer.
Copyright: Wirth Lizenz
Mayschoß – Eine Hauswand, die 350 Millionen Jahre alt ist, dürfte es nicht so oft geben. Die glatte Rückwand im Atelier von Rainer Hess in Mayschoß besteht aus einer einzigen Felswand aus Devonschiefer und durchzieht drei Stockwerke in seinem aus einer alten Scheune umgebauten Atelier. Das Elternhaus des 1960 geborenen Künstlers, ein altes Winzerhaus, steht gleich daneben und tatsächlich arbeitet Rainer Hess bis heute im Nebenerwerb als Winzer in den Weinbergen seiner Eltern und Vorfahren. Fast täglich ist er am Mönchsberg zu finden, wo in den steilen Lagen noch viel Handarbeit nötig ist.
Doch ohne Kunst kann er auch nicht leben. Seit 1986 lässt er den Weinbau zur Kunst mutieren, und so ging er 2004 zur Land-Art über: „Der Fluss des schönen Rebensaftes wird sich im Herbst im Laub der rotblättrigen Rebsorte „Da Capo“ als rote Ahrschleife durch das grün-gelbe Weinbett (Riesling) ziehen.“ Sein Traum war es, den roten Fluss mit Weinstöcken in blutrotem Laub über seinen Weinberg hinaus die ganze Ahr entlang laufen zu lassen. Doch das ist nicht so einfach.
An der Ahr ist man für die Land Art nicht so aufgeschlossen wie am Mittelrhein (Weltkulturerbe), wo der Künstler Victor Sanovec aufgelassene Weinberge einst in lavendelblaue, ginstergelbe und bergtulpenrote Flächen verwandelte und damit den Rheintourismus belebt hat.
Rainer Hess experimentiert auch mit dem Wein selbst. In furiosen Schüttungen wirft er die Rebenglut unmittelbar auf die Leinwand, seien es Rotwein, Traubensaft oder Maische. „Bei mir wird die Leinwand sehr viel gedreht und gewendet, damit es fließt und läuft“, erklärt der Künstler. Sein Fest des Dionysos wird dabei zugleich zu einem Informel à la Jackson Pollock, doch ganz so unkontrolliert und zufallsabhängig geht es dabei nicht zu. Fein abgestimmt sind die ins Rot, Rosé, Braun oder Violett spielenden Farben. Die Brauntöne, so erklärt er, stammten von „firnen“ (überalterten) Weinen. Dass sich diese Farben im Laufe der Zeit auf Papier und Leinwand verändern, ist typisch für Naturfarben. Wie in manchen experimentellen Bildern von Sigmar Polke wird auch bei Hess das Prozessuale durch solche Umwandlungsprozesse betont. Unvergleichliche Strukturen bilden sich in den Reaktionen von Wein in Verbindung mit Acryllack. Manche Schicht wird in seinen Schichtenbildern bewusst wieder hervorgeholt unter Acryllacken und Schelllack.
Seine Monotypien druckt er, indem er echte Weintrauben in eine selbstgemachte Presse spannt und dann darüber gehend sein Körpergewicht für den Druck einsetzt. Wo er mit ganzer Kraft auftritt, erscheint der Abdruck realistisch konturierter Beeren, doch zu den Rändern hin löst sich die Klarheit auf.
Beeindruckt war der Künstler von K.O. Götz, dem ganz in der Nähe agierenden Meister des deutschen Informel, dem er zeitweilig assistierte. Zur Zeit zerschneidet Rainer Hess alte Arbeiten und rahmt die kleinen Miniaturen in alten Diarahmen. So entstehen viele Hunderte von Minibildern. Reihen liebt der Künstler sehr, der auch ein begeisterter Sammler ist. Er hat, wie er sagt, die größte Sammlung von den blaugrauen Mariensteinen, die er aus der Ahr geholt hat, die vor seinem Fenster vorbeifließt. Diese Mariensteine finden sich in den Schlacken aus dem alten Erzabbau (Ahrhütte), die früher in die Ahr gekippt wurden. In Reihen und Serien entwirft er auch Weinetikette für die besonderen Weine der Winzergenossenschaft Mayschoß. Der Weinkünstler Rainer Hess war schon zweimal in Seoul eingeladen, ebenso in Ungarn und vor einem Jahr bei Caesar in Bonn.
53508 Mayschoß, Ahr-Rotweinstraße 9. Atelierbesuche nach Absprache unter der Nummer 0178 85 31245