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LiebesschlösserWer den Schlüssel hat, hat die Macht

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Auf mehreren Brücken in Bonn wie hier vor dem Poppelsdorfer Schloss sind sogenannte „Liebesschlösser“ anzutreffen.

Bonn – Jeder hat sie schon mal gesehen. Nicht nur auf der Bonner Kennedybrücke hängen etliche von ihnen. Manche klein und selbst bemalt, andere riesig und mittlerweile rostig. Doch sie alle stehen für das gleiche: Die Liebe zwischen zwei Menschen. Es ist mittlerweile zur Tradition vieler Paare geworden, ein Vorhängeschloss an Brücken anzubringen und den Schlüssel anschließend in den Rhein zu werfen.

Dr. Dagmar Hänel, Leiterin des LVR-Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte in Bonn, hat das Phänomen der Liebesschlösser näher untersucht. Die Volkskundlerin und Kulturanthropologin interessieren solche Symbole. Ein Ritual wie dieses sage viel über „unsere Gesellschaft, über Normen, Werte und Befindlichkeiten“ aus, findet Hänel. Nicht nur als Liebesbeweis hängen die Schlösser dort, sondern auch als Zeichen des Heimatbezuges, glaubt Hänel. Eine Verbindung, die niemand im Stande ist zu lösen oder zumindest nicht so leicht zu lösen.

Dass das Phänomen erst im späten 20. Jahrhundert auftaucht, führt die Regionalhistorikern auf die verlängerte Phase der Jugend zurück. Der Übergang zwischen Kindheit und Erwachsensein sei wesentlich länger als früher. Indem vornehmlich junge Menschen Orte, Objekte und Handlungen „zeichenhaft aufladen“ erhalten sie einen besonderen Status. Auch kein Zufall sei es, dass das Symbol für die Liebe (wie in Köln auf der Hohenzollernbrücke) an einem mobilen Ort angebracht werde. „Hier geht es um das Prinzip des Mobilen, hier treffen Ferne und Nähe, das Fremde und das Eigene aufeinander“, sagt Hänel. In Bonn treffen diese großen Träume auf die dort querenden Straßenbahnen 62 und 66 vielleicht etwas bodenständiger zu, aber immerhin gelangt der Reisende mit einem Mal Umsteigen in den ICE Richtung Frankfurt. Wer den Schlüssel hat, der hat die Macht: Das gemeinsame Versenken des Herrschaftszeichens bedeutet, dass es keinen Nachfolger geben soll. Die folglich feste Bindung aneinander hat offenbar vielerorts seinen Anfang genommen.

Einem Aufruf des Bonner LVR-Instituts folgten 45 Bürger, die Liebeschlösser bei Urlaubsreisen unter anderem nach Kaliningrad, Moskau, Bozen, Odessa, Riga, China und Sibirien gesehen hatten. Die „amorchetti“ hängen in Massen an den Laternen und Geländern der Milvischen Brücke in Rom. Als Erfinder sieht sich in Italien übrigens der Jugendbuchschriftsteller Federico Moccia. In dessen erfolgreichem Buch, zu deutsch „Ich steh auf dich“, spielen sie ein zentrale Rolle. Der genaue Zeitpunkt, wann die römischen Paare mit dieser Tradition begannen, ist aber laut Hänel nicht exakt rekonstruierbar, aber er liegt wohl nicht vor den 1990er Jahren. Möglicherweise stammt die Idee für den Liebebeweis ausgerechnet aus dem Militärischen. Mit dem Sparzwang des Militärs nach dem Zweiten Weltkrieg mussten die Rekruten ihre eigenen Schlösser mitbringen. Nach getanem Dienst schmissen sie die Schlüssel weg als Zeichen wiedergewonnener Freiheit. Ob Wort und Tat bei Verlobungen, Hochzeiten oder Bindungen, welcher Art auch immer, nun Freiheit oder Unfreiheit nach sich ziehen, bleibt jedem selbst überlassen.