Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Masterarbeit über Nationalpark SiebengebirgeAufarbeitung eines Riesenkonflikts

Lesezeit 5 Minuten

Eine einzigartige Landschaft: das Naturschutzgebiet Siebengebirge, hier vom Oelberg aus gesehen. Von 2007 bis 2009 tobte der Streit darüber, ob das Gebiet zu einem Nationalpark werden sollte oder nicht. (Archivfoto: Matthias Kehrein)

Königswinter/Bad Honnef – Kein Thema hat die Region in den vergangenen Jahrzehnten derart gespalten wie der Streit um den Nationalpark Siebengebirge. „In einer Reihe mit dem Grand Canyon“, titelte die Rundschau am 26. Mai 2007, als auf dem Oelberg die Idee erstmals präsentiert wurde. „Projekt Nationalpark ist gescheitert“, lautete die Überschrift am 28. September 2009, als der Plan per Bürgerentscheid in Bad Honnef gekippt wurde. Was in der Zeit dazwischen alles geschah? „Ich habe den Eindruck, das waren klassische Machtspiele“, sagt Janina Delp.

Die 27-jährige Geografin hat mit dem Blick von außen das damals extrem umstrittene Projekt unter die Lupe genommen. Vor allem ging es ihr dabei um die Art der Auseinandersetzung in der Region, die über mehr als zwei Jahre zum Teil mit großer Schärfe geführt wurde und die bei Themen wie der Ausweisung von Wildnisgebieten, dem Naturschutzgroßprojekt Chance 7 oder auch dem Windpark auf dem Unkeler Asberg bis heute nachwirkt. „Das Siebengebirge als Nationalpark? Eine diskursanalytische Untersuchung des Ausweisungsversuchs auf Basis der medialen Berichterstattung“ lautet der für Nichtwissenschaftler etwas sperrige Titel ihrer Masterarbeit.

582 Artikel analysiert

Für die hat Janina Delp sage und schreibe 582 Artikel analysiert, die in der Bonner Rundschau und dem Bonner General-Anzeiger zum Thema Nationalpark Siebengebirge erschienen sind. Ihr Fazit: Die Berichterstattung – und damit die Diskussion in der Öffentlichkeit – habe sich gar nicht so sehr um das eigentliche Thema gedreht, nämlich um den Naturschutz. „Vielmehr ging es in dem medial repräsentierten Nationalparkdiskurs um einen raumgezogenen Machtkampf zwischen Politik und Bürgerschaft einerseits und um die regional vorherrschenden sozioökonomischen Missstände andererseits – mit letztlich schädlicher Wirkung für das kollektive Verständnis vom Begriff ,Nationalpark’ in der Region.“

Den ersten (Sicht-)Kontakt mit dem Siebengebirge hatte die heute 27-Jährige, als sie als Kind mit den Eltern Richtung Süden unterwegs in den Urlaub war, erzählt Delp im Gespräch mit der Rundschau. Nach dem Abi in Krefeld und dem Bachelorstudium in Münster führte sie ihr Masterstudium nach Bonn und damit direkt in die Nähe des Naturschutzgebietes. Das habe sie sehr gefreut, sagte die junge Frau. Inzwischen hat sie weite Teile des Gebietes selbst erwandert.

Ihr Professor an der Bonner Uni, Dr. Karl-Heinz Erdmann, hatte im Rahmen eines Seminars über Naturschutzpolitik auf den Riesenkonflikt hingewiesen, den es um den Nationalpark Siebengebirge gegeben habe. So entstand nach und nach die Idee für ihre Masterarbeit. Für die hat sich Delp bewusst auf Zeitungsartikel konzentriert, was bei fast 600 Berichten eine Fleißarbeit ist, wie sie selbst sagt. Janina Delp wollte aber ausdrücklich keine Medienkritik erstellen. Auch ging es ihr nicht um die Frage, ob der Nationalpark für das Siebengebirge eine richtige Lösung gewesen wäre oder nicht. „Das kann und sollte die Masterarbeit nicht leisten.“ Im Mittelpunkt standen vielmehr Art und Form der öffentlichen Diskussion und Schlussfolgerungen daraus für künftige Naturschutzprojekte.

Keine Seite kommt wirklich gut weg

Unter dem Strich kommt keine Seite wirklich gut weg. Die Initiatoren und Befürworter des Großprojekts etwa hätten am Anfang vor allem gar nicht mit dem Naturschutz argumentiert, sondern den Nationalpark als „Problemlöser“ für Verkehrs- oder Finanzprobleme verkaufen wollen. Sie hätten vor allem ökonomische Argumente gehabt und beispielsweise die Tourismusförderung in den Mittelpunkt gestellt.

Letzteres mache, betont Janina Delp, sicher in strukturschwachen Regionen Sinn. Im Siebengebirge, das von Siedlungsgebieten quasi umzingelt ist, kam dagegen bei den Gegnern seinerzeit tatsächlich eher die Angst vor wahren Menschenmassen auf, die die Natur bevölkern könnten. Nach dem Motto: Der Drachenfels ist eh schon überlaufen.

Als Beispiel für ihre Einschätzung, dass sich die Argumentationsführung mit der Zeit gewandelt hat, nennt Janina Delp zwei Interviews des damaligen Landrats Frithjof Kühn, auf dessen Initiative das umstrittene Projekt zurückgeht. 2007 argumentierte Kühn vor allem mit Städtebau, Wirtschaftsförderung und Tourismus. 2009 hob er dagegen auf Schutz von Flora und Fauna und die Vielzahl der Biotope ab. „Die eigentliche Frage der Sinnhaftigkeit einer Nationalparkausweisung“ sei in den Hintergrund getreten, schreibt die 27-Jährige in ihrer Arbeit.

Und die Nationalparkgegner? „Sie argumentierten sehr emotional und mit Übertreibungen“, sagt die Autorin der Masterarbeit. Tatsächlich war damals von dieser Seite von Einzäungen, zahllosen Verboten und sogar Enteignungen die Rede. „Das hat die Politik am Anfang nicht ernst genommen. Dadurch haben sich die Fronten schnell verhärtet.“

Projekt mit negativen Begriffen verbunden

Am Ende wurde der Begriff Nationalpark in der öffentlichen Diskussion vor allem mit negativen Begriffen verbunden: Mogelpackung, Etikettenschwindel, menschenfeindlich sowie Blechlawine oder Finanzdebakel führt Janina Delp auf. Auf der Befürworterseite stand dagegen nur die stets wiederholte, aber wenig konkrete „Chance für die Region“.

Schließlich stoppten die Bad Honnefer mit ihrem Votum beim Bürgerentscheid das Projekt. „Das hätte anders laufen können“, glaubt Janina Delp. „Man hätte die Idee des Nationalparks von Anfang an besser erklären und weniger mit Tourismus und Wirtschaft argumentieren sollen.“ In ihrer Masterarbeit heißt es dazu: „Was eine Ausweisung jedoch letztlich für vielschichtige, ineinandergreifende Folgen für die Flora und Fauna des Siebengebirges haben könnte und von welch allgemein herausragender Bedeutung es ist, der Natur Räume für ihre eigene Dynamik zu geben, wird an keiner Stelle erläutert und bleibt damit der Öffentlichkeit bis zum Schluss verwehrt.“