Serie „Jecke Historie“Gabriele Stiebitz – ein jeckes Naturtalent mit feinem Humor

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Meckenheimer Prinzenpaar: Als Prinz Jochen I. und Prinzessin Gaby I. haben die Eheleute Stiebitz regiert.

Meckenheimer Prinzenpaar: Als Prinz Jochen I. und Prinzessin Gaby I. haben die Eheleute Stiebitz regiert.

  • Für Jecke ist es eine harte Session.
  • Corona-bedingt keine Sitzungen, keine Züge, kein Spaß im Saal und auf der Straße.
  • Die Rundschau möchte mit der Serie „Jecke Historie“ mal in die Geschichte der Narretei schauen.
  • Heute: die Meckenheimer Karnevalistin Gabriele Stiebitz

Meckenheim – Konservativ und patriarchalisch – so beschreibt Gabriele Stiebitz rückblickend nicht nur die politische, sondern auch die karnevalistische Bühne ihrer Heimatstadt Meckenheim. Nichtsdestoweniger hinterließ die an einem Dienstag vor Weiberfastnacht geborene heute 68-Jährige durch ihre denkwürdigen Auftritte als Teil des Büttenrednerinnen-Duos „Tonn und Tönnchen“ sowie als Karnevalsprinzessin mit Gatte Hans-Joachim wie keine andere sowohl im Sitzungs- als auch im Straßenkarneval tiefe Spuren. Die Lücke, die sich nach ihrem endgültigen Rückzug aus dem karnevalistischen Geschehen vor zwei Jahren auftat, ist bis heute spürbar.

Seit 2004 hatte sie den großen Meckenheimer Karnevalsumzug kommentiert, zunächst alleine und dann drei Jahre in Folge mit Ex-Bürgermeister Bert Spilles. Unerreicht und vor allem unvergessen sind die mit Lokalkolorit gespickten und mit feinem Humor gewürzten Zwiegespräche mit Schwester Evelyne Siegberg.

Von 1998 bis 2013 stand das Geschwisterpaar als vielbeachtete Kunstfiguren „Tonn und Tönnchen“ gemeinsam auf der Bühne, davor waren die bühnenaffinen Schwestern überaus erfolgreich als Gesangs-Duo „Wildecker Herzbuben“ aufgetreten. „Ich habe es immer geliebt, auf der Bühne zu stehen und das Mikro in der Hand zu halten“, sagt Gabriele Stiebitz. Unter Lampenfieber litt die redegewandte Mutter eines Sohnes, die als Masseurin und medizinische Bademeisterin arbeitete, nicht. „Ab dem Moment der Anmoderation waren wir Tonn und Tönnchen“, so Stiebitz und betont, dass für den Erfolg ihr Körperbau und der ihrer Schwester maßgeblich gewesen sei: „Das Dicksein war essenziell.“

Die gemeinsame Nummer mit Schwerpunkt auf lokalpolitischen Themen erwies sich regelmäßig als so kurzweilig, dass weder die Akteure auf der Bühne noch die Zuschauer merkten, wie die Zeit verging. Aus diesem Grunde kalkulierten die für das Programm Verantwortlichen immer einen großzügigen Zeitrahmen auch für Zugaben ein, der dann doch nie ausreichte: „Wir haben eine dreiviertel Stunde geredet und die Leute haben das nicht gemerkt. Wir hätten ewig weitermachen können.“Beliebt selbst bei den Betroffenen seien vor allem die Beiträge gewesen, in denen „wir Meckenheim durch den Kakao zogen“ und die weit über Klamauk hinausgingen. Ähnlich wie bei einem richtig guten Boxkampf verlief der Schlagabtausch jedoch niemals unter der Gürtellinie: „Wir waren sehr feinfühlig.“

Ein Beispiel dafür sei der Karnevalsauftritt 2008 gewesen, der die vom Rat eingeleitete Abwahl der einstigen Bürgermeisterin Yvonne Kempen thematisierte, erzählt Redenschreiberin Stiebitz. Sie habe sich zur Beschreibung der Ereignisse einer Metapher bedient und den Stadtrat kurzerhand in eine Fußballmannschaft verwandelt, mit Stürmern (CDU), Verteidigern (ebenfalls CDU), Mittelfeldspielern (FDP und UWG) und weiblichem Torwart (Grüne). Auf die Frage, wo denn der Trainer sei, habe sie als Tonn damals geantwortet: „Den hatten sie nicht mehr, der ist gegangen.“ Schwester Evelyne alias Tönnchen hakte nach: „Freiwillig?“ Die Tonn: „Nä, se mohten jet deue“ – Rheinisch für „etwas nachhelfen“. Die 2011 Verstorbene hatte als erste Frau in Meckenheim das Doppelamt der Bürgermeisterin und der Stadträtin ausgeübt. Sie habe es nicht leicht gehabt, davon ist Stiebitz bis heute überzeugt: „In Meckenheim als Frau Bürgermeister sein – sagen Sie mir nix, da konnte e Frau Kempen keine Schnitte machen!“ Und weil diese Aufgabe wahrlich „nicht der Renner“ gewesen sei, habe sie einmal am Ende einer Faschingsrede gegenüber der Christdemokratin bemerkt: „Yvonne, du wärst besser ,ne Mann und hießt Johannes“.

Bei Gabriele Stiebitz verbindet sich schauspielerisches Können mit einer guten Stimme und einem feinem Sinn für Humor. Ihr Talent, die Menschen auf liebenswürdige Weise witzig und intelligent zu unterhalten, habe sie von ihrem Vater übernommen, sagt sie selbst. Der sei als Mitglied des Gesangsvereins Eintracht „praktizierender Karnevalist“ in Adendorf gewesen.

Zum ersten Mal stand Gabriele Stiebitz mit 22 Jahren in der Bütt, als Gast der katholischen Frauengemeinschaft (kfd) Meckenheim. Nach der Babypause 1976 war sie bis 1982 als Solo-Büttenrednerin unterwegs, parallel trat sie 1978 bei den Meckenheimer Stadtsoldaten ein, deren Mitglied auch ihr Mann Hans Joachim war. Eine unvergleichliche Session erlebte sie vor knapp 20 Jahren, als sie mit ihrem Mann das Prinzenpaar stellte.

„Als Prinz Jochen I. und Prinzessin Gaby I. haben wir gemeinsam Meckenheim regiert und ich stand zum ersten Mal im Mittelpunkt des Geschehens“, erinnert sich Stiebitz. Vor dem Haus Nummer 10 an der Hauptstraße und „nicht an der Downing Street“, wie sie mit Augenzwinkern bemerkt, habe sie als Prinzessin den Rathaussturm geleitet. Und diese Eroberung ging mit so viel Schwung vonstatten, dass sich die Ratsherren und -frauen freiwillig an der Kette festgehalten hätten, bevor sie von ihren Ehepartnern und Parteifreunden für jeweils 20 Euro losgekauft worden seien. „Wir hatten einen blauen Himmel, es war traumhaft.“ Mit einem Fremden hätte sie das Amt der Prinzessin allerdings niemals ausüben wollen, betont die erfahrene Karnevalistin: „Ich wollte meinen Prinzen küssen dürfen.“ Außerdem habe sie die Aufmerksamkeiten genossen, die ihnen als Paar zuteil wurden: An drei Tagen bereitete der Koch der Stadtsoldaten das Frühstück zu und vor dem Haus wachte jeweils ein Soldat über den Eingang. Wie bei der Leibgarde der englischen Queen erfolgte der Wachwechsel exakt nach Hofzeremoniell bereits morgens um 7 Uhr mit kräftigem Trommelwirbel – „da haben sich die Nachbarn gefreut“.

Nach einem jahrzehntelangen Einsatz im und für den Karneval ist es kein Wunder, dass Gabriele Stiebitz den pandemiebedingten Ausfall der fünften Jahreszeit bedauert. Allerdings seien nicht nur die Karnevalisten betroffen: „Ganz Deutschland muss nun auf vieles verzichten, wir müssen das akzeptieren.“

Besonders stolz ist Gabriele Stiebitz auf den Verdienstorden des Bundes Deutscher Karneval in Gold. Die Auszeichnung wurde ihr für 25 Jahre Mitgliedschaft im Meckenheimer Prinzen Club verliehen, dessen Ehrenpräsidentin sie jetzt ist. Für 40 Jahre Mitgliedschaft bei den Stadtsoldaten erhielt die Vollblutkarnevalistin, die auch Ehrennadelträgerin der Stadt Meckenheim ist, 2019 eine goldene Nadel mit Brillanten. Mit farbenfrohen Bühnenoutfits standen Gabriele Stiebitz (Blau) und Evelyne Siegberg (Rot) als Tonn und Tönnchen auf der Bühne. Für ihre handgefertigten Bühnenkleider aus Seide wendeten die Schwestern jeweils 400 Euro auf.

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