Nach 16 JahrenGericht verurteilt Ulmen zu elf Jahren Haft

Das Bild einer liebenswerten und ehrlichen Frau: So sollen die Menschen Trudel Ulmen in Erinnerung behalten, wünscht sich ihr Bruder Thomas Lenerz. (Foto: privat)
Copyright: Lizenz
Rheinbach/Bonn – „Die Richter haben ein gutes Urteil gesprochen. Ich bin froh, dass alles vorbei ist – und wir wieder schlafen können.“ Thomas Lenerz, der Bruder von Trudel Ulmen, wurde gestern nicht müde, diese dankbaren Sätze in die Mikrofone zu sprechen. Der 47-jährigen hatte als Nebenkläger den Prozess sieben Tage lang begleitet hat, mit aufrechtem Gang und ohne falschen Zungenschlag: „Das Wichtigste ist, dass meine Schwester Trudel hier rehabilitiert worden ist.“ Dafür habe er hier gestanden, für seine Schwester, die nicht kommen konnte. „Ich war für sie da.“ Im Scheinwerferlicht glänzten seine Augen.
Das Bonner Schwurgericht hat Hans Werner Ulmen, den 57-jährigen Ehemann von Trudel Ulmen, gestern zu elf Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt. „Wir haben versucht, Licht ins Dunkel zu bringen“, hatte der Kammervorsitzende Josef Janßen in der einstündigen Urteilsbegründung gesagt. Gescheitert aber seien sie an der Frage, was an dem Abend des 20. März 1996 wirklich zwischen den Eheleuten passiert sei, warum der Streit so eskaliert sei. Der Angeklagte hatte im Prozess gestanden, dass er seine Ehefrau während eines Streits mit einem Kissen erstickt hat.
„Der Einzige, der Licht in das Dunkel hätte bringen können, war der Angeklagte selbst“, so Janßen. Aber der hatte längst schon seine eigene Wahrheit, von der er nicht mehr abrücken wollte oder konnte. Er sei von seiner Frau an dem Abend ungewöhnlich aggressiv attackiert worden. Da habe er zum Kissen gegriffen, um Ruhe zu haben, hatte Ulmen ausgesagt.
Diese „Ruhe“ sei jedoch mit einem ungeheuren Vernichtungswillen einhergegangen, so die Bonner Richter. Um einen Menschen mit einem Kissen zu ersticken, brauche es vier, fünf Minuten. Trudel Ulmen, so die richterliche Gewissheit, sollte in dieser Nacht sterben. Dafür habe der Angeklagte „enorme Energie aufgewandt, um das zu erreichen.“ Für das Opfer müsse es ein furchtbarer Tod gewesen sein. „Zu ersticken, das dauert eine Ewigkeit.“ Für einen Mord aber, wie vielfach gemutmaßt wurde, gebe es keinerlei Beweise, so Janßen: Vieles sei denkbar, „aber das alles ist Spekulation.“
Nach der Tat hatte der Angeklagte die Leiche in Müllsäcke verpackt und in einem Waldstück bei Bad Honnef verscharrt, wo sie im Juli 1996 gefunden wurde, aber nicht identifiziert werden konnte. Sofort auch entwarf er ein Lügengerüst und führte alle hinters Licht: Seine Frau habe ihn verlassen, habe sich mit einem portugiesischen Geschäftsmann ins Ausland abgesetzt. Damit aber nicht genug, so das Gericht: Ulmen habe angefangen, seine Frau zu verunglimpfen, ihr unter anderem zahlreiche Liebhaber zu unterstellen und sie zur schlechten Tochter zu machen. Dass die vielen angeblichen Eskapaden ans Licht kommen könnten, das war auch ein Grund, warum ihre streng katholische Familie aus Mayen so lange still gehalten hat.
Vieles davon, so die Bonner Richter, sei infam gewesen und spreche gegen den Angeklagten: Der Familie zu schreiben, dass Trudel ihre Vermögensanteile bekäme, wenn sie zurückkäme. Zum Tod von Trudels Vaters im Jahr 2007 schickte Hans Werner Ulmen eine verlogene Trauerkarte an die Mutter und Witwe: „Trotz allem, was passiert ist, halte ich zu Euch“. An diesem Tag, so hatte es der Bruder im Prozess erzählt, habe die lang genährte Hoffnung, dass die Schwester wieder kommt, aufgehört: „Wenn Trudel noch gelebt hätte, zur Beerdigung des geliebten Vaters wäre sie sicher gekommen.“ Aber sie kam nicht. Ende 2011 beschloss die Familie, die scheinbar Verschollene für tot erklären zu lassen.
Das brachte den Kriminalfall Ulmen wieder ins Rollen – und Hans Werner Ulmen nach 16 Jahren ins Visier der Fahnder. Nach dem Fund der Leiche hatte er gegenüber den damaligen Ermittlern geleugnet, dass es sich um seine Frau handle. Am 17. April 2012, nach zehnstündiger Vernehmung, knickte er schließlich ein, und gestand die Tötung. Die toten Augen seiner Frau hätten ihn 16 Jahre lang begleitet. Diesen Satz, den er im Prozess gesagt hatte, nahmen die Richter dem Angeklagten nicht ab, der zwischenzeitlich zweimal geheiratet hatte, Vater von zwei Kindern geworden ist und bis zur Inhaftierung in dem Haus wohnte, in dem er seine Frau getötet hatte.
Aber, so Josef Janßen, ohne das Geständnis des Angeklagten, hätte die Polizei den 57-Jährigen laufen lassen müssen. Es hätte keine Anklage, keinen Prozess gegeben. Insofern sei das Geständnis durchaus etwas wert gewesen.
Der Angeklagte schluckte bei dem Urteilsspruch gestern schwer; er zeigte kaum eine Regung, wirkte aber völlig verloren. Sein Mandant müsse „die elf Jahre erst mal verkraften“, so Verteidiger Martin Kretschmer, der das Urteil als „ausgewogen und angemessen“ beschrieb. Ob es dennoch angefochten werden soll, wolle er mit dem Angeklagten in den nächsten Tagen in Ruhe besprechen. Staatsanwalt Robin Fassbender zeigte sich zufrieden: Das Urteil entspreche im wesentlichen dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die zwölf Jahre gefordert hatte.
„Elf Jahre ist eine lange Zeit“, kommentierte Thomas Lenerz anschließend vor dem Gerichtssaal. „Das ist eine große Sühne für ihn.“ Alle, die gehofft hatten, dass der kleine Bruder von Trudel noch etwas nachzukarten hätte, gingen leer aus. Mit seinem aufrechten Herzen setzte der 47-Jährige alles ins rechte Maß: „Das Einzige, was wirklich schlimm ist, ist dass Trudel nicht wieder kommt.“
Eine kleine Geste gab es noch von der Bonner Kammer an die Familie: Trudel Ulmens Mutter soll vom Angeklagten 3567 Euro Schadensersatz bekommen: Das sind die Beerdigungskosten. Nach der Identifizierung ihrer sterblichen Reste war sie aus einem anonymen Grab in Bad Honnef in ihrer Heimatstadt Mayen überführt worden. „Da liegt sie jetzt. In Ruhe. Beim Vater.“ So der Bruder.