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„Bedauerlicher Irrtum“Prozess gegen Bonner Polizist beginnt

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Nach einem tödlichen Schuss auf einen Kollegen hat vor dem Bonner Landgericht der Prozess gegen einen jungen Polizisten begonnen.

Bonn – Bereits eine halbe Stunde vor Prozessbeginn haben sich zahlreiche Medienvertreter am Donnerstag im Foyer des Bonner Landgerichts eingefunden: Fließbandartig muss Gerichtssprecher Thomas Stollenwerk Interview für Interview absolvieren. Als der Angeklagte rund eine Viertelstunde vor Beginn der Verhandlung den Saal betrat, verbarg er seinen Kopf in den Armen. Er muss sich seit gestern wegen fahrlässiger Tötung seines Kollegen im Rahmen eines Übungsschießens der Polizei verantworten – ein Fall, der überregional für Aufsehen sorgt.

Nachdem die Verhandlung begonnen hatte, wies der Vorsitzende Richter Klaus Reinhoff noch einmal darauf hin, dass sich seine Kammer als Schwurgericht normalerweise mit gravierenden Verbrechen befasse; dass dieser Fall hier verhandelt werde, sei der Tatsache geschuldet, dass die Staatsanwaltschaft sich wegen des großen öffentlichen Interesses entschieden habe, Anklage am Landgericht und nicht – wie in solchen Fällen meist üblich - am Amtsgericht eingereicht habe.

Bedauerlicher Irrtum statt perfidem Spaß

Man habe noch wenige Minuten zuvor Situationen geübt, in denen es angeschossene Kollegen zu retten galt, sagte Verteidiger Christoph Arnold. Sein Mandant habe nicht in Form eines perfiden Spaßes auf seinen Kollegen geschossen, sondern aufgrund eines bedauerlichen Irrtums.

Angeklagt ist ein 23-jähriger Kollege des getöteten Julian Rolf, der Vorwurf lautet auf fahrlässige Tötung. Die Staatsanwaltschaft geht nach ihren bisherigen Ermittlungen davon aus, dass der Mann vor einem Schießtraining im Bonner Polizeipräsidium mit einer scharfen Dienstwaffe auf seinen Kollegen schoss. Er habe in der Annahme, eine nicht scharfe Trainingswaffe – eine sogenannte Rotwaffe – in den Händen zu halten, spaßeshalber auf seinen Kollegen gezielt und abgedrückt.

Versehentlicher Schuss bei Überprüfung der Waffe

Der Angeklagte äußerte sich am Donnerstag unter Tränen dahingehend, dass sich der Schuss versehentlich bei der Überprüfung seiner Waffe gelöst habe.

Bei der rechtlichen Bewertung, dass es sich bei der Tat um eine fahrlässige Tötung handelt, sind sich Anklage und Verteidigung weitgehend einig: Es gelte herauszufinden, ob es sich, wie von der Staatsanwaltschaft angenommen, um Leichtfertigkeit handele, oder, wie die Verteidigung annimmt, um eine leichte Fahrlässigkeit, skizzierte Gerichtssprecher Thomas Stollenwerk vor Beginn der Verhandlung. Bei einer Verurteilung reiche der mögliche Strafrahmen von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von maximal fünf Jahren.

Ermittlungsfehler vor Prozessbeginn

Vor Prozessbeginn hatte Verteidiger Christoph Arnold auf einen aus seiner Sicht bedauerlichen Ermittlungsfehler hingewiesen. Im Kern ging es dabei um die Größe seines Mandanten. Die weiche lange nicht so stark von der des Opfers ab, wie die Anklage  angenommen habe. Weil der Schusskanal durch den Hals des getöteten Polizisten nahezu waagerecht sei, hätten die Ankläger angenommen, dass der Schütze bei Abgabe des Schusses seine Waffe relativ hoch gehalten haben müsse.

Das entspräche dem Szenario der verwechselten Waffen. Tatsächlich spielten aber  Kopfhaltung des Opfers und dessen Entfernung zum Schützen eine so große Rolle, dass diese Folgerung nicht schlüssig sei, ließ sich Reinhoff noch einmal von dem Sachverständigen bestätigen. Das hätte er auch ohne die Medienberichte erkannt.