Rheinbacher KulturgutOtto Gerharz rettet Baukeramik der 50er Jahre

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Otto Gerharz mit Baukeramiken aus den 50er Jahren, die er aus dem Haus seines gleichnamigen Vaters geborgen hat

Otto Gerharz mit Baukeramiken aus den 50er Jahren, die er aus dem Haus seines gleichnamigen Vaters geborgen hat

Die Firma Ruscha aus Rheinbach hat sich in den 50er Jahren mit künstlerisch gestalteter Baukeramik hervorgetan. Der Sohn des einstigen Betriebsleiters Otto Gerharz rettete nun 30 Exemplare vor dem Abriss.

Vor allem Tiere und Menschen sind auf den etwa 30 Baukeramiken abgebildet, die  Otto Gerharz in den 50er Jahren in sein Haus an der Straße Rotdorn einbauen ließ. Sein gleichnamiger Sohn, der Inhaber von „Ottokeramik“, hat die meisten nun rechtzeitig vor dem Abbruch seines Elternhauses ausgebaut und eingelagert.

Sie liegen jetzt in seiner Firmenhalle zwischen aktueller Keramik fein säuberlich in Regalen und könnten vielleicht noch einmal als Muster für eine Neuauflage dienen. „Wenn sie nochmal in Mode kommen sollten, könnte ich einen Abdruck anfertigen und sie nachgießen“, erklärt der „Junior“.

Wenn sie nochmal in Mode kommen sollten, könnte ich einen Abdruck anfertigen und sie nachgießen
Otto Gerharz, Sohn des einstigen Ruscha-Betriebsleiters gleichen Namens

Otto Gerharz ist mit diesen Keramiken aufgewachsen. „Es gab sie in jedem Zimmer. Mein Vater hat auch überall Waschbecken installieren lassen, er war ja Betriebsleiter von Ruscha.“ Ruscha war die Firma, mit der Rudolf Schardt, aus dessen Namen sich die Kurzform zusammensetzt, die Rheinbacher Baukeramik weithin bekannt gemacht hat.

Ruscha verkaufte, was die Keramischen Werke Rheinbach, die ebenfalls Schardt gehörten, produzierten. Und der Unternehmer hatte es verstanden, den Betrieb nach dem Krieg – 1948 hatte er die industrielle Keramikfertigung von seinem Vater Georg übernommen – wieder ans Laufen zu bringen, obwohl die Nachfrage nach Zierkübeln und Vasen im Wiederaufbau wirklich nicht groß war.

29.03.2023 Das Atellier von Otto Gerharz senior, Rotdorn 16 in Rheinbach, während des Abrisses. Aus der Gartenmauer ist ein Relief aus Baukeramik herausgeschnitten worden.

29.03.2023 Das Atellier von Otto Gerharz senior, Rotdorn 16 in Rheinbach, während des Abrisses. Aus der Gartenmauer ist ein Relief aus Baukeramik herausgeschnitten worden.

Der Keramik-Ingenieur Otto Gerharz übernahm 1952 die Leitung des Betriebs und trieb auch die Modernisierung voran. So errichtete die Firma schon 1952 einen eigenen Elektrotunnelofen, der die Fertigung der künstlerisch gestalteten Baukeramiken weiter beflügelte. Und auch die Glasuren, die Gerharz anwenden ließ, trugen zur steigenden Bedeutung des Unternehmens bei.

Manfred Reinnarth

Manfred Reinnarth

1968 in der heutigen Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler geboren. Seit 1989 bei der Rundschau. Nach drei Jahren freier Mitarbeit in der Redaktion Ahrweiler zunächst dort als Volontär und bis 2005 Redakteur. ...

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Für sein Privathaus ließ er im Betrieb etliche Keramiken anfertigen. Der Sohn hat sie ausgebaut: Seepferdchen und andere Meeresbewohner, Vögel in verschiedenen Momenten ihrer Flugbewegung, ein Reh, aber auch Abbildungen von Menschen. „Die dreiteilige Frau“, wie Gerharz sie nennt, ist die Darstellung einer Wasserträgerin, eines Kindes und weiterer Krüge auf drei Keramiken verteilt. „Die waren in der Nähe des Kamins recht weit oben eingebaut“, berichtet Gerharz.

Sanieren ist eben teurer als Abreißen und Neubauen
Otto Gerharz, begründet den Abriss seines Elternhauses

Das 1959 errichtete Haus hatten er, seine beiden Brüder und die Schwester verkauft. Otto Gerharz: „Der neue Eigentümer ist so begeistert von der Raumaufteilung, dass er wie vorher aufbauen will, habe ich gehört. Aber Sanieren ist eben teurer als Abreißen und Neubauen.“

Der pensionierte Kunstlehrer Peter-Josef „PeJo“ Münz, der an der Entstehung einiger dieser Keramiken vor Jahrzehnten mitgewirkt hatte, half bei der Bergung. Ein Mauerstück mit der Darstellung des Heiligen Franz von Assisi hat er bereits im Herbst mit Unterstützung der Faßbender-Stiftung aus der Gartenmauer herausschneiden lassen.

Münz hatte bei der Stadt Rheinbach angefragt, ob die das Kunstwerk nicht in Obhut nehmen und öffentlich zeigen könnte. Vergeblich. Derzeit verhandelt er mit dem Waldhotel bei Rheinbach, wo die Baukeramik öffentlich zugänglich im Außenbereich eingebaut werden könnte, wie ihm wohl schon zugesagt worden sei.

Mehr als Teile des Hauses konnte Münz nicht retten, und so schaute er wehmütig mit all seinen Erinnerungen an die Stunden in der zum Atelier umfunktionierten Garage dem Abrissbagger zu. Die kleine Abrisspause Ende März war keine echte Galgenfrist, in der ein Abriss noch abzuwenden gewesen wäre. „Der Kampfmittelräumdienst kam schlicht nicht, wie abgesprochen. Es bricht einem das Herz.“

Es bricht einem das Herz
"PeJo" Münz, Kunstlehrer im Ruhestand und Zeitzeuge

Im November war Münz noch einmal durch das Haus gegangen und hatte dabei Abschied genommen. „Mein Bruder auch. Er hat dort oft im Keller gearbeitet.“ Denn auch dort sind neue Keramiken und Herstellungstechniken ausprobiert worden, die letztlich ein Teil der Rheinbacher Stadtgeschichte formten.

„Das ganze Haus geht verloren“, sagt Münz. Er tröstet sich derweil damit, dass das Relief des Heiligen Franz von Assisi am Waldhotel einen guten Platz finden könnte. „Zwischen dem neuen Hotel und dem alten Bau auf einem Sockel“, verrät er seinen Plan. Mit verzinktem Winkeleisen will er die Keramiken befestigen. Für den Transport aus dem Zwischenlager wolle ein zweites Mal die Faßbender-Stiftung aufkommen. Die Rettung der Baukunst scheint also gesichert.

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