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Stadtwald RheinbachKonsequenzen aus Trockenheit: „Wir bekämpfen die Buche“

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Forstamt Rheinbach markiert Bäume mit weißem Dreieck. Förster Sebastian Tölle (41) mit Tagespraktikant Patrick Bohnhoff (17)

Förster Sebastian Tölle markiert Bäume mit weißen Dreiecken, Tagespraktikant Patrick Bohnhoff schaut zu.

Das Rheinbacher Forstamt zieht im Stadtwald Konsequenzen aus Trockenheitsperioden und Starkregenfällen.

Der Rheinbacher Forst wird kein „Urwald“ und auch kein „Zertifikatsträger“. Das steht für Stadtförster Sebastian Tölle fest. Er hat Konsequenzen aus Trockenperioden und Starkregen gezogen und gemäß der Vorgaben aus der Politik nun einen Wald im Aufbau, der viel mehr Totholz und nicht bewirtschaftete Flächen enthält, als das noch vor Jahren beabsichtigt war. Dennoch soll der Rheinbacher Stadtwald ein Forst bleiben, der auch vermarktbares Holz hervorbringt. „Der dominierende Baum in dieser Region ist die Buche. Sie würde, wenn wir den Wald sich selbst überließen, sogar die Eiche verdrängen“, betont Tölle: „Aber die Buche würde die Trockenperioden nicht überstehen.“ Darum hat der 41-Jährige, der sei elf Jahren Rheinbacher Stadtförster ist, der Buche den Kampf angesagt.

Rein statistisch ist zwar nur ein Fünftel des Rheinbacher Stadtwaldes ein Buchenwald. „Aber tatsächlich wachsen in den anderen Teilen des Stadtwaldes so viele Buchen, dass ist sagen würde, es ist der häufigste Baum in unserem Wald.“ Tölle kämpft aber nicht nur mit Buche und Trockenheit, sondern auch mit den Wünschen der Politik. Die hatte in Teilen wegen des mauen Haushalts an vermeintlichen Verdienstmöglichkeiten in der Vermarktung von Zertifikaten Blut geleckt. Während ein Lager vorauseilend die Umwandlung in einen „Urwald“ feierte, mutmaßten andere, es gäbe dann ein Betretungsverbot, und der Wald wäre als Erholungsort verloren. Als Tölle vorrechnete, dass 4100 „Habitatbäume“ (Totholz als Lebensraum für verschiedene Arten) sowie der bereits nicht mehr bewirtschaftete Wald etwa 13 Prozent des Stadtwaldes ausmachten, feierten ihn die politischen Lager. So setzt Tölle nun die Kartierung solcher Habitatbäume fort.

Die Biologische Station im Rhein-Sieg-Kreis hat den Auftrag, alle noch fehlenden Bäume dieser Art einzumessen und zu markieren.  „Die Begutachtung kann wegen der Vegetation nur im Winter stattfinden“, erklärt Tölle. Darum erwartet er Ergebnisse auch nicht vor dem nächsten Frühjahr. Markierte Bäume sind nicht leicht zu entdecken, weil das Habitat-Zeichen, ein weißes Dreieck, laut Tölle möglichst von der einem Weg abgewandten Seite angebracht wird. Das hat Vor- und Nachteile.

Wenn ein Baum stirbt, fängt er – ökologisch gesehen – erst richtig an zu leben.
Sebastian Tölle, Stadtförster

Vor allem sollen Menschen solchen Bäumen nicht unnötig nah kommen, um die Bewohner nicht zu stören. „Wenn ein Baum stirbt, fängt er – ökologisch gesehen – erst richtig an zu leben“, findet Tölle. Sieht er ein Spechtloch, bringt er gleich selbst ein weißes Dreieck an. Wildbienen lassen sich gerne nieder, wo ein starker Ast abgebrochen ist, weiß er. Auch Faulstellen seien ein Paradies für kleinste Waldbewohner. Nach der ersten großen Trockenheit im Jahr 2018 und dem damit verbundenen Borkenkäferbefall war zwar viel Totholz aus dem Wald geschafft worden – auch aus Angst vor einer weiteren Vermehrung des Käfers. „Aber jetzt lassen wir die Reste stehen. Vor allem abgebrochene Stämme.

Die Böden im Rheinbacher Stadtwald sind für den Förster nicht ganz einfach. Es gebe tonhaltige Areale, die wie eine Badewanne das Wasser halten und dann von den Bäumen leer getrunken würden. „Von April bis November ist dann dort kein Wasser für die Pflanzen zur Verfügung.“ Allerdings könnten wie im vorigen Jahr schon zwei Gewitterregen für genügend Nachschub sorgen. Tölle: „Das ist für die Bäume ein guter Schluck aus der Pulle gewesen und hat ausgereicht, dass sie nicht vertrocknet sind.“ 2023 ist „aus Buchensicht ein gutes Jahr. Die Eichen haben nur vereinzelt Schäden“, bilanziert Tölle den kühl-nassen Frühling.

Auf Dauer ist die Eiche sein Favorit. „Wir haben nicht ohne Grund hier so viele alte Eichen. Das ist der Baum, der sich nach der Kleinen Eiszeit durchgesetzt hat.“ Im Rheinbacher Stadtwald finden sich etliche Eichen im Alter von 160 bis 220 Jahren. Die politische Forderung, ganze Flächen aus der Bewirtschaftung zu nehmen, ist für Tölle nichts Neues. „Der gesamte Tomberg ist seit Jahrzehnten nicht bewirtschaftet. Seit zwei Jahren haben wir weitere Flächen herausgesucht, auf denen eine Stilllegung verkraftbar ist. Aber der Laie sieht das nach so kurzer Zeit nicht.“ Jahre sind eben in den Zeitdimensionen eines Waldes nur ein Wimpernschlag.

„Seit Jahrzehnten gibt es im Rheinbacher Stadtwald keinen Kahlschlag mehr. Einzelschläge und Naturverjüngung sind die Tagesordnung.“ In den vergangenen Jahren wurde der genehmigte Hiebsatz nicht ausgeschöpft, sagt Tölle. Durchschnittlich 4000 Kubikmeter Holz entnimmt die Stadt dem Wald im Jahr, etwa 7300 Kubikmeter wachsen nach. Zwei Forstwirte und ein Auszubildender gehören neben Tölle zum Team. Eine Stelle ist noch unbesetzt, seit ein Kollege im Herbst Rentner wurde. „Sie wird nicht einfach zu besetzen. Forstwirt ist ein toller, abwechslungsreicher Beruf, aber auch ein gefährlicher, bei dem in unwegsamem Gelände hauptsächlich Bäume zu fällen sind.