Bonner Opfer der NS-ZeitVor Antisemitismus und Rassismus gewarnt

An Bonner Musiker, die in der NS-Zeit vertrieben oder deportiert wurden, erinnerten Schüler des Hardtberg-Gymnasiums.
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Bonn – Es waren erschütternde Schilderungen, die Schüler des Hardtberg-Gymnasiums am Montag im Schauspielhaus Bad Godesberg vortrugen. Es ging um die Schicksale vornehmlich jüdischer Musiker aus Bonn in der Zeit des Nationalsozialismus. Einer davon ist der Regisseur, Dirigent, Komponist und Pianist Friedrich Alexander Cohen, dessen Familie mehrere Generationen einen erfolgreichen Buchhandel in Bonn betrieben hatte. Während der Musiker selbst vor der Unterdrückung durch die Nationalsozialisten 1933 nach England und später in die Vereinigten Staaten fliehen konnte, wurde seine Familie mit Ausnahme seiner Mutter und eines Großcousins getötet. Am Montag erinnerten die Stadt und die Initiative zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in einer Gedenkstunde gemeinsam mit dem Theater Bonn an den Holocaust und die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers in Auschwitz vor 75 Jahren.
„Auschwitz ist wie kein zweites Lager das Symbol für den millionenfachen Mord vor allem an Juden, aber auch an Homosexuellen, politisch Verfolgten und anderen Gegnern des Regimes sowie Sinti und Roma“, erklärte Oberbürgermeister Ashok Sridharan. Er freute sich, dass die Besucherzahlen in den Gedenkstätten im Land und auch in Bonn steigen. „Der Holocaust ist Teil der deutschen Geschichte und wirkt fort. Antisemitismus und Rassismus sind kein Thema von gestern“, sagte der OB auch mit Blick auf die vielen Schüler im Saal. „Wir müssen alle Verantwortung übernehmen und Vorbilder sein für ein tolerantes Bonn, in dem allen Menschen mit Respekt begegnet wird“, betonte Sridharan. Menschen jüdischen Glaubens müssten in der Stadt und überall auf der Welt ohne Angst leben können. Der OB erinnerte daran, dass unter den jüdischen und nichtjüdischen Musikern, die die Schüler des Hardtberg-Gymnasiums vorstellten, auch einige seien, die im städtischen Orchester gespielt haben, dem Vorläufer des Beethoven-Orchesters. „Auch Beethovens Musik ist zur Selbstdarstellung des Regimes missbraucht worden“, so der OB.
Die Leiterin der Bonner Gedenkstätte, Astrid Mehmel, freute sich, „dass so viele Schüler wie noch nie“ zu der Gedenkveranstaltung gekommen waren. „Bonner Zeitzeugen, die noch so gesund wären, dass sie beispielsweise Schülern von ihren Erlebnissen berichten könnten, gibt es so gut wie nicht mehr“, bedauerte Mehmel.
Teilnehmer
Beteiligt an der Gestaltung der Gedenkveranstaltung waren Mikhail Ovrutsky (Violine), Lena Ovrutsky-Wignjosaputro (Cello), Ulrich Hartmann (Viola) und Artur Chermonov (Violine) vom Beethovenorchester, die für den musikalischen Rahmen sorgten. Sie spielten Werke von Ludwig van Beethoven und Dimitri Schostarkowitsch. Vom Hardtberg-Gymnasium waren die Schüler Olida Aydin, Florian Braun, Julia Braun, Victoria Busse, Svea Grünefeld, Noelia Faria Jimenez, Laura Klosterhalfen, Anne Leber, Dominique Roos, Jan Lukas Schmidt, Laurin Schmuth Jona Schöngen und Karina Wagner unter der Leitung von Katja Reichartz beteiligt. (wki)
Texte von Dan Pagis vorgetragen
Danach wurde dann bei den Erzählungen der Schüler die Schicksale Bonner Musiker wieder lebendig. So auch das von Ludwig Waldmann, dem Mitbegründer des städtischen Orchesters, der bei der Machtübernahme der Nazis 1933 schon 54 Jahre alt war und drei Töchter hatte. Ihm wurde gekündigt, der Rechtsstreit, mit dem er dagegen vorging, zermürbte ihn zusätzlich. Waldmann erlitt einen Schlaganfall und musste von seiner Tochter Else gepflegt werden. Sie wurde nach seinem Tod 1940 im Lager in Endenich und später dann in Theresienstadt interniert, überlebt aber als eine der wenigen deportierten Bonner Juden den Holocaust. Ihre Schwester Karola hingegen wurde nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet.
Schauspielerin Birte Schrein vom Theater Bonn las Texte von Dan Pagis vor. Der 1930 in der Bukowina geborene Pagis war als Kind in ein Konzentrationslager in die Ukraine gekommen. 1944 konnte er entkommen, zwei Jahre später wanderte er nach Israel aus. Er unterrichtete an der Hebräischen Universität in Jerusalem und zählt zu den bedeutendsten Autoren der modernen israelischen Literatur. Er starb 1986 in Jerusalem. Schrein las unter anderem aus „Mit Bleistift geschrieben im verplombten Wagen“.