Bonns Ex-OB Dieckmann vor GerichtDas große Versteckspiel beim WCCB-Prozess

Das WCCB von Innen
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- Am Donnerstag Schadensersatzprozess der Stadt Bonn gegen die Ex-OB vor dem Verwaltungsgericht Köln.
- Eine Million Euro soll sie an die Stadt zahlen.
- Für das bis zur Halskrause verschuldete Bonn ist es das größte Baudesaster in seiner Nachkriegsgeschichte.
Bonn – Es gibt kaum Bauskandale vor Gericht, deren letzter Akt 14 Jahre nach dem ersten Spatenstich (2006) spielt. Noch rarer sind solche, bei denen schon beim Spatenstich feststeht, dass das Mammutprojekt nur schiefgehen kann. Das konnten bei Planung, Investorsuche und Bau des World Conference Center Bonn (WCCB) jedoch nur Eingeweihte wissen. Ob Bärbel Dieckmann (SPD), ehemalige Oberbürgermeisterin der Stadt Bonn, dazu gehörte?
Das wird vermutlich auch der Schadensersatzprozess der Stadt Bonn gegen die Ex-OB vor dem Verwaltungsgericht Köln, der am Donnerstag startet, nicht erhellen. Eine Million Euro soll sie an die Stadt zahlen. Den gleichen Betrag strebt die Kommune bei Ex-Stadtdirektor Arno Hübner an, dem zweiten Beklagten.
Für das bis zur Halskrause verschuldete Bonn ist es das größte Baudesaster in seiner Nachkriegsgeschichte. Viele Oberbürgermeister werden an den kreditfinanzierten 300 Millionen Euro (ohne Zinsen) noch zu knabbern haben. Eigentlich sollte das Projekt den Steuerzahler null Euro kosten und den Investor 139 Millionen, wovon er 40 Millionen als Eigenkapital beisteuern musste. Aber schon früh war klar: Der schafft das nicht.
Vier Angeklagte hinter Gitter
Die Kriminalbilanz des Wirtschaftsthrillers: 13 Ermittlungsverfahren leiteten die Staatsanwälte ein, 10 Personen klagte sie an, auf die sich über 50 Tatvorwürfe aus der Korruptionspalette verteilten. Hinter Gitter gingen letztlich nur vier Angeklagte, davon drei aus dem südkoreanischen Investorteam unter dem prestigeträchtigen Namen Hyundai. Für alle Handelnden bei der Stadt endete der Leuchtturm-Alptraum mit Einstellung gegen Geldauflage und ohne den Verlust ihrer Pension.
Immer, wenn sich Richter in diversen WCCB-Strafverfahren der zentralen Frage näherten (Wer wusste im Rathaus was wann?), mussten Beobachter sich an das Sinnbild der drei Affen erinnern: nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. Kollektiver Gedächtnisausfall. Die rheinische Omertà bildete einen perfekten Schutzwall.
Um was genau geht es?
Zum Sachverhalt: Die Sparkasse KölnBonn wollte dem Investor Man-Ki Kim 2005 keinen 74,3-Millionen-Kredit (später auf 104 Millionen aufgestockt) bewilligen. Sie tat es erst, nachdem die Stadt einwilligte, notfalls dafür einzuspringen. Dazu wurde der Begriff „Nebenabrede“ gewählt, der vor dem Stadtrat verschleierte, dass es sich um eine Bürgschaft handelte, mit der sich alle Projektrisiken zum Steuerzahler verlagerten.
Dieckmann schien von der Justiz unbehelligt zu bleiben. Zunächst wurde gegen sie ab 2009 wegen Untreue im besonders schweren Fall ermittelt, ab 2010 wurde der Anfangsverdacht um Bestechlichkeit erweitert. Im März 2012: Ermittlungen eingestellt. „Keine Dokumente, nichts“, begründete der Chefermittler. Kims Strafverteidiger nannte Dieckmann fortan „das Phantom der Akten“.
Im Kim-Strafprozess wurden Dieckmann und Ex-Sparkassenchef Gustav Schröder als Zeugen geladen. Laut Urteilsbegründung habe es ein Gespräch gegeben „zwischen Vertretern der Stadt und der Sparkasse auf höchster Ebene über das Ob und Wie einer möglichen Bürgschaft“. Dieckmann und Schröder griffen zum Zeugnisverweigerungsrecht, um sich nicht möglicherweise selbst zu belasten.
Stadt Bonn musste 85 Prozent der Bürgschaft zahlen
Brenzlig wurde es 2015, als Nimptsch die Nibelungentreue zu seiner Vorgängerin aufgab und sich von der Sparkasse verklagen ließ. Er hatte ein Gutachten, das die Bürgschaft nach EU-Recht als beihilfewidrig einstufte. Doch Brüssel spielte nicht mit. Der Richter wählte 2016 den Vergleich. Schlecht für Bonn, gut für Dieckmann – keine Beweisaufnahme. Die Stadt musste 85 Prozent der Bürgschaft zahlen.
Nachdem Kim 2013 unter anderem wegen Betrugs zum Nachteil der Stadt und des Investors Honua (Hawaii) verurteilt wurde, verklagte die Stadt ihn 2014 auf Schadensersatz. Nach vier Jahren urteilt das Zivilgericht: Klage abgewiesen. Die Richter mochten nicht nachvollziehen, dass ein Bürge die Bank nicht fragt, warum er für einen Investor bürgen muss. Was nutzt es, wenn ein Investor Millionen verspricht, aber vor Baubeginn 30 Millionen fehlen. Trotzdem ließ die Stadt ihn losbauen.Fast unvermeidlich: Vor einem Jahr entschloss sich fast der gesamte Stadtrat zu einer Schadenersatzklage gegen Dieckmann („Bei mir ist nichts zu holen“) und Hübner. (lis/fl/ww)