Gleichberechtigung im KarnevalWas hinter dem „fetten Donnerstag“ in Bonn-Beuel steckt

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Als erste Wäscherprinzessin überhaupt wurde in der Session 1957/58 Barbara I. (Beu) gekürt.

Als erste Wäscherprinzessin überhaupt wurde in der Session 1957/58 Barbara I. (Beu) gekürt.

Vor 200 Jahren machten Beueler Wäscherinnen den „fetten Donnerstag“ erstmals zu ihrer Weiberfastnacht. Ein Blick in die Geschichte des Brauchtums.

Prinz, Bauer, Jungfrau: Im Karneval in Bonn-Beuel sind das nicht mehr als alte Schlipse, die abgeschnitten gehören. Rechts des Rheins, auf der Sonnenseite der einstigen Bundeshauptstadt, haben ab Weiberfastnacht (8. Februar) wieder nur die Frauen das Sagen. Die Tradition der hart arbeitenden Waschfrauen, die den Karneval nicht allein den Männern überlassen wollten, ist 200 Jahre alt - fast genauso alt wie der rheinische Straßenkarneval neuzeitlicher Prägung. Beuel, seit 1969 in Bonn eingemeindet, war zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch ein Dorf mit nur rund 600 Einwohnern. Nicht unbedeutend allerdings – denn Beuels Wäschereien versorgten in wirklich harter Handarbeit Bonn, Köln und Umgebung mit sauberer Wäsche, getrocknet und gebleicht auf den breiten Rheinwiesen.

Schmutzige Wäsche beim Kaffeeklatsch gewaschen

Als 1823 in Köln der Karnevalszug zu neuem Leben erweckt wurde, ließen sich die Beueler Männer das nicht zweimal sagen: Sie fuhren die frische Wäsche aus - und blieben gleich da, um den hart erarbeiteten Lohn zu verfeiern, während die Frauen zuhause weiter schuften mussten. Unfair. Doch schon im Folgejahr schlugen die Frauen zurück. Mit der formlosen Gründung des Alten Beueler Damenkomitees 1824 wurde das „Wäscherdorf“ zur Keimzelle der rheinischen Weiberfastnacht. Zunächst war es wohl eher ein Kaffeeklatsch der Waschfrauen, die nicht einsehen wollten, dass nur die Männer feiern durften. Doch immerhin: Im frühen 19. Jahrhundert stellte das einen ziemlich unziemlichen Akt der Emanzipation dar. Und auch wenn der Betrieb an diesem Tag ruhte, wird wohl dennoch die eine oder andere schmutzige Wäsche gewaschen worden sein. Hier konnte man Dampf ablassen und sich straflos so manchen Frust über die harte Arbeit von der Seele reden und sich gegenseitig trösten. Tatsächlich ist nachgewiesen, dass sich die Wäscherinnen zunehmend solidarisierten, um bei Männern vorzusprechen, die ihre Frauen drangsalisierten oder ausbeuteten. Und mit den Jahren wurden auch die Karnevals-Späße und Bühnenaufführungen der „Möhnen“, der verheirateten Frauen, immer mutiger, die Mitglieder zahlreicher und die Traditionen vielfältiger. Auch mehr und mehr Angehörige anderer Berufsgruppen stießen als Mitglieder dessen hinzu, was sich wohl erst seit den 1850er Jahren selbst als „Damenkomitee Beuel“ bezeichnete.

Der durchaus politisch-frauenrechtlich gemeinte Tag begann mit einem Mittagessen; es folgten ein Umzug zum Festsaal und die „Wiever-Sitzung“ (Weiber-Sitzung) mit Fastnachtsspiel. Erst am Abend durften Männer in den Saal und die Damen zum Tanz auffordern - oder auch bloß die Zeche bezahlen. Was der Weiberfastnacht freilich bis nach dem Zweiten Weltkrieg fehlte, war eine Galionsfigur. Etwa zur gleichen Zeit, als in den Bonner Ministerien selbstbewusste Wirtschaftswunder-Sekretärinnen begannen, ihren Chefs am Karnevals-Donnerstag das Statussymbol Krawatte abzuschneiden, setzte in Beuel der Brauch des „Rathaussturms“ ein; 1957 zunächst noch mit der „Obermöhn“ an der Spitze des Damenkomitees. Bis heute erobern die Frauen an Weiberfastnacht traditionell die Schlüssel des Rathauses und regieren für eine Woche mit närrischer Hand.

Westfale erfand die Figur der Wäscherprinzessin

Für die Session 1958 wurde schließlich mit Barbara I. von der Wäscherei Beu erstmals eine Beueler Monarchin gekürt. Das moralisch blitzsaubere Motto der ersten Wäscherprinzessin: „Von Zoten frei die Narretei“. Die Figur der Wäscherprinzessin ist einzigartig im deutschen Karneval. Erfunden wurde sie vom damaligen Beueler Stadtdirektor Franz Brock, einem Westfalen – ausgerechnet. Da die Zahl der Beueler Wäschereien von 92 im Jahr 1905 auf heute nur noch 4 zurückgegangen ist, wurden seit 1965 auch Nichtwäscherinnen gekrönt. Mitglied in einem der aktiven Damenkomitees müssen sie allerdings schon sein. Doch auch dafür gab es zwei historische Ausnahmen. 1968 ging die Wäscherprinzessin erstmals mit dem heutigen blauweißen Look aus Samt und Spitze an den Start. Die Trägerin war Französin: Francoise I. (Enel) aus Beuels Partnerstadt Mirecourt in Lothringen präsentierte sich der Menge zur Session 1968 in zeitgemäßem Chic – kurzberockt. 1994 folgte als zweite Französin Luci I. (Petitjean), ebenfalls aus Mirecourt.

In der Jubiläums-Session 2024 regiert nun die 23-jährige Sabrina I. (Michels) unter dem Motto „Tradition met Wieveklaaf 200 Johr en Beuel: Alaaf!“

Eine Kuriosität: 2023 nahmen die Frauen erstmals einer Frau den Schlüssel zum Rathaus ab - noch dazu einer Ex-Wäscherprinzessin. Lara I. (Mohn) hatte 2010 ihre Sache so gut gemacht, dass sie später zur ersten Beueler Bezirksbürgermeisterin gewählt wurde. Damit, so hieß es, sei nun bewiesen, dass die Beueler Frauen keinen Geschlechterkampf führten - sondern vor allem an veränderten Machtverhältnissen interessiert seien. (kna)


Schuften bei jedem Wetter für den legendären „Beueler Duft“

Die Arbeitsbedingungen der Wäscherinnen waren bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts äußerst hart, da nur im fließenden Gewässer, also im Rhein, gewaschen wurde. Sie standen bei jedem Wetter oft bis zu den Knien im Wasser. Das Rheinwasser, das die Fasern zum Einweichen der Wäsche vollständig durchnässen sollte, war weich, deshalb eignete es sich gut. Nach dem Einweichen wurde gewaschen, meist auf flachen Steinen. Am Rhein wächst das Seifenkraut, dessen Wurzel benutzt wurde. Auch das trug zum legendären „Beueler Duft“ bei. Danach musste die Wäsche gespült und ausgewrungen werden. All dies war Schwerstarbeit, denn nasse Wäschestücke wiegen schwer. (Diese Vorgehensweise soll es heute noch in Sloweniengeben.) Anschließend wurde die Wäsche auf den Rheinwiesen zum Bleichen (von blanc = weiß) ausgebreitet. Das Chlorophyll des Wiesengrüns bildet unter Sonneneinstrahlung reinen Sauerstoff (UV-Strahlung = Peroxyd + Ozon). Zum weiteren Trocknen wurden die Wäschestücke auf gespannte Hanfseile gehängt, nachdem man sie zuvor gereckt hatte, eine Arbeit, die man gemeinsam verrichten musste.

Bei den Karnevalsspäßen der Wäscherinnen galt ein festes Reglement: Die Frauen hatten die Pflicht, über die groben Verstöße ihrer Männer gegen den Hausfrieden, gegen die eheliche Treue und über deren Alkoholexzesse zu berichten. Sie tauschten sich also über ihre Ehen aus, konnten ihren Ärger teilen und verständigten sich über die Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen gegenüber ihren Arbeitgebern, letzteres ohne Erfolg.

Da sie im Wäschergebiet an diesem Donnerstag in der Mehrzahl waren, beschlossen sie, diesen Bezirk am „fetten Donnerstag“ (wegen der traditionell fettgebackenen Mutzemandeln, u.ä.) für sich zu beanspruchen. Um dem Nachdruck zu verleihen und um nicht erkannt zu werden wegen möglicher späterer Repressalien, zogen sie sich Jutesäcke über und beschmierten sich ihre Gesichter mit dem Ruß der Waschfeuer. Neugierige Männer trieben sie mit herabgezogenen Hosen in den Rhein, daher stammt der noch heute gelegentlich auf der Weiberfastnacht gehörte Ruf „Botz erav“. Daraus entstand im Laufe der Zeit das Schlipsabschneiden (der Schlips als Zeichen der Männlichkeit). (EB)

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