Prozess am Bonner LandgerichtMäusefamilie wohnte länger im Backofen – Bäckerin klagt

Der Eingang des Bonner Landgerichts.
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Bonn/ Rhein-Sieg-Kreis – Das war die Stunde des Schädlingsbekämpfers: Der Sachverständige war jetzt eigens ins Bonner Landgericht gerufen worden, um eine delikate Sache aufzuklären. Denn in einem gebrauchten Etagenbackofen, den eine junge Bäckerin aus dem Großraum Mainz im April 2021 bei einer Großbäckerei im Vorgebirge erworben hatte, lebte wohl länger schon eine Mäusefamilie.
Die tierische Fracht jedoch wurde erst nach dem Umzug des Geräts in den Süden entdeckt, nachdem verschiedene Funktionen des Ofens – vor allem der obere Bereich, der für die Wasserdampfschwaden zuständig ist – ausfielen. Ein Elektriker im Eildienst öffnete die untere Kassette der Kaufsache, in der die Elektronik geparkt ist und entdeckte „das ganze Elend“, wie es die Klägerin beschrieb.
Mäusefamilie lebte in Backofen
Eine Mäusefamilie wurde gesichtet, die sich wohl von den Ummantelungen der Kabel ernährt, daran ihre Nagezähne geschärft und ihre Notdurft in der Kiste hinterlassen hatte. Elektrofallen, sogenannte Smartboxen, und Köder wurden ausgelegt und den Mäusen schnell der Garaus gemacht. Aber die junge Bäckerin wollte den Backofen nicht behalten und forderte die Rückabwicklung des Kaufvertrags und ihre 23.800 Euro zurück.
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In einem ersten Gütetermin im Frühjahr 2022 vor der 17. Zivilkammer waren die Parteien zunächst noch bereit gewesen, sich in einem Vergleich darauf zu einigen, dass jeder die Hälfte der Reparaturkosten trägt. Aber als der Kostenvorschlag vorlag, winkten beide ab: 20.000 Euro hätte die Beseitigung der tierischen Bescherung gekostet. Schließlich gab die beklagte Großbäckerei noch zu bedenken, dass die Mäuse ja erst nach dem Umzug im Backofen heimisch geworden seien.
Aber der Sachverständige für Schädlingsbekämpfung erklärte, nachdem er farbige Schadensfotos gesichtet und die Schilderung des Elektrikers gehört hatte: Diese Mäusefamilie müsse den Etagen-Ofen länger als ein Jahr bewohnt haben. Denn die Ummantelung sämtlicher Kabel war bereits abgefressen, nur noch nackter Draht war zu sehen. Auch die vielen fettigen Laufspuren der Mäuse, sogenannte Trittsiegel, seien ein eindeutiger Hinweis auf eine längere Wohnstatt. Möglicherweise habe ein Mäusebock mit fünf bis sechs Weibchen, so der Fachmann, in einem einzigen Jahr bis zu 2000 Nachkömmlinge gezeugt.
Population der Mäuse sei nie aufgefallen
Es war für die Großbäckerei ein Rätsel, dass die Population nie aufgefallen sein soll. Denn zweimal jährlich fänden gezielte Kontrollen statt, auch seien Smartboxen aufgestellt gewesen, die bei Verdacht eines Mäusebesuchs automatisch eine Warn-E-Mail an einen Schädlingsbekämpfer aussenden.Möglicherweise, so der Gutachter, lag es am Standort des zwei Meter hohen Ofens, der sich nicht an der Wand, sondern in der Raummitte befand, dass die tierischen Bewohner ihr Revier nie verlassen haben und auch nicht bemerkt wurden.
Für die Kammer gab es keinen Zweifel mehr: Der Backofen sei bereits bei Übergabe durch Fraßschäden der Mäuse mangelhaft gewesen. Dennoch bat die beklagte Großbäckerei noch um eine Frist zur Stellungnahme, da ihr Geschäftsführer beim Termin nicht anwesend sein konnte. Die Kammer will jetzt Ende Oktober ein Urteil sprechen.(AZ: LG Bonn 17 O 292/21) .