Ende des Zweiten WeltkriegsSo kam es zum Schwarzen Samstag von Heimerzheim

Die Schmergasse vor 1945: Hier starben bei dem Bombenangriff 40 Bewohner.
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Swisttal – Als am 3. März 1945, einem Samstag, gegen 10.55 Uhr ein amerikanischer Bomberverband mit 36 Flugzeugen, von Westen her kommend, seine 218 Stück 500-Pfund-Bomben über dem Ort ausklinkte, lag nach einer Minute über ein Drittel des Dorfes Heimerzheim in Schutt und Asche. Am Abend zählte man über 100 Tote, die aus den Trümmern bereits geborgen waren. In den nächsten Tagen stieg die Zahl der Toten auf über 180 Personen.
Etwa jeder achte Einwohner von Heimerzheim kam ums Leben. Die Gruppe 410 der amerikanischen 9. Bomberdivision hatte den Auftrag, das „Kommunikationszentrum Heimerzheim“ zu zerstören, so hieß es in einem US-Report aus dem amerikanischen Kriegsarchiv NARA. Die Schmergasse, heute ein Teil der westlichen Kirchstraße, war besonders betroffen. Von ehemals 27 Häusern standen hier nur noch 11. Alleine in der Schmergasse waren über 40 Tote zu beklagen. Bereits am 6. März – genau heute vor 75 Jahren – zogen amerikanische Einheiten in das Dorf ein und besetzten es.
Lange Jahre war unklar, weshalb Heimerzheim, ein kleines Dorf an der Swist, so sehr zerbombt wurde? Ortshistoriker Georg Schmidberger hat vor einigen Jahren die mutmaßlichen Hintergründe aufklären können.
Wie sich der Zweite Weltkrieg nach der Invasion der Alliierten im Juni 1944 in der Normandie und bis zum Kriegsende im Mai 1945 speziell in Heimerzheim und Umgebung entwickelte, schilderte er zum Jahrestag des Schwarzen Samstags von Heimerzheim in dieser Woche anschaulich bei mehrere Vorträgen vor 9. und 10. Klassen der Georg- von-Boeselager-Schule. Fachlehrer Jonas Weichel, der auch für die Beteiligung der Schule an den Gedenktagen zur Befreiung des Konzentrationslager Auschwitz jeweils am 27. Januar auf dem judischen Friedhof im Heimerzheim verantwortlich zeichnet, hatte ihn eingeladen.
Schmidberger erläuterte den Jugendlichen, wie massiv die militärischen Stellungen der Wehrmacht im Laufe des Krieges rund um Heimerzheim wurden. In Lützermiel gab es bereits seit 1937 ein großes Reichsarbeitsdienstlager, aus dem spätestens 1939 Soldaten rekrutiert wurden. Bereits 1938 begannen die Kriegsstrategen in der direkten Nachbarschaft Heimerzheims mit dem Bau der Flugplätze Vershoven, Odendorf und Peppenhoven.
Im Sommer 1944, nach der Landung der Alliierten in der Normandie, begann die Wehrmacht, Heimerzheim als eine Art Festung auszubauen. In Feld und Wald rund um den Ort gab es 37 Kilometer Schützengräben mit MG-Köpfen und Erdbunkern. An den Orts- und Waldrändern waren mehrere Flakstellungen installiert. Auch Gut Capellen war als „Festung“ ausgebaut, eine Artilleriestellung und der dazugehörende Hauptgefechtstand war im und um den Hof herum untergebracht. Es gehörte auch die Artilleriestellung an den „Vier Bänken“ dazu. Die Stellungen waren mit Soldaten besetzt, die unter anderem bei Heimerzheimer Bürgern einquartiert waren – nach der Erinnerung alter Heimerzheimer in dieser Zeit an die 500, teilweise in Höfen und Sälen. „Die Alliierten waren im Besitz von hervorragendem Kartenmaterial, das die Briten bereits 1944 erstellt hatten“, weiß Schmidberger, „seit 1943 flogen fast täglich britische und amerikanische Flugzeuge über Heimerzheim und Umgebung, die Luftaufklärung betrieben und Luftbilder anfertigten. So konnte nicht die kleinste Veränderung in unserer Gegend verborgen bleiben.“
Alleine zwischen dem 15. und 25. September 1944 schoss die deutsche Wehrmacht aus dem Rheinbacher Wald bei Merzbach und aus dem Kottenforst nahe Villiprott insgesamt 44 V2-Raketen Richtung Westen und Nordwesten ab.
Die Raketen wurden in einem Felsstollen, genannt „KZ Rebstock“ bei Marienthal an der Ahr zusammenmontiert und an die Rampen transportiert. In Kuchenheim war der Stab für beide V2-Abschusseinheiten stationiert, auf einem großen vorgelagerten Areal gerodeten Waldes befanden sich noch im Sommer 1944 Attrappen von Häusern, Panzern und anderen Objekten, die von Flugzeugen mit Übungsbomben (Holzbomben) bombardiert wurden. Die Übungsflugzeuge starten von den Flugplätzen Peppenhoven, Odendorf und Dünstekoven-Vershoven. Schmidberger: „Von der Beobachtungsstation aus gab es dann anhand ausgewerteter Treffer Instruktionen an die übenden Piloten.“ So geriet Heimerzheim immer mehr in den Fokus der Alliierten.
Nach Meckenheim, das am 2. und 5. März 1945 verheerend getroffen wurde, und Rheinbach (29. Januar 1945) war Heimerzheim zudem der nächste größere Ort in der alten Ordnung des bis 1933 bestehenden Landkreises Rheinbach. Alle drei Orte lagen in der Kampflinie der Alliierten zwischen Köln/Bonn und Remagen, den wichtigsten westlichen Rheinübergängen. Der von Liblar nach Dernau verlaufende alte Bahndamm bildete ebenfalls eine strategische Linie, die die Alliierten zu beachten hatten. Als im Juni 1944 die alliierten Streitkräfte ihre Invasion in der Normandie begannen, war klar, dass die Front in Richtung Rhein ging. Schmidberger: „Heimerzheim lag unmittelbar am Fuße des westlichen Vorgebirges, welches als Barriere das letzte größere Hindernis vor dem Strom darstellte. Genau das wurde dem Ort zum Verhängnis.“ (Bir)