Drei von vier Menschen im linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis müssen für den Weg zur Arbeit ihre Kommune verlassen. Das belegen die aktuellen Zahlen von IT.NRW, der Landestatistik.
Mit Gasfuß oder Tritt in die PedaleSo kommen Pendler zu ihrem Arbeitsplatz in Swisttal

Die Berufspendler David Klocke (l.) und Thomas Böttcher im Gespräch vor dem Rathaus von Swisttal.
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Von den 162 477 Einwohnern in den sechs linksrheinischen Kommunen des Rhein-Sieg-Kreises begeben sich genau 63 252 in eine andere Stadt oder Gemeinde zur Arbeit – sagt die gerade veröffentlichte Landesstatistik. Nur 19 627 Menschen haben hier einen Arbeitsplatz in der eigenen Kommune. Mit zwei Auspendlern hat die Rundschau gesprochen: einem aus Rheinbach, einem aus Bonn. Beide haben das gleiche Ziel: das Rathaus der Gemeinde Swisttal in Ludendorf. Der eine nutzt den Gasfuß, der andere tritt in die Pedale.
Der Radfahrer
Thomas Böttcher (53) ist es als Leiter der Technischen Dienste der Gemeinde Swisttal gewohnt, früh anzufangen. Wenn er aber um 7 Uhr mit dem Bus am Arbeitsplatz eintreffen wollte, müsste er in Niederdrees um 6.04 Uhr in die Linie 817 steigen, und um 6.39 Uhr die S 23 Richtung Euskirchen erwischen. Ob er dann mit der Linie 752 von Odendorf zum Rathaus fahren kann, hängt vom Schülerverkehr zum Schulzentrum in Rheinbach ab.
„Eine Stunde Fahrtzeit und dann so unflexibel? Kommt nicht in Frage“, entschied Böttcher, der sei 1993 bei der Gemeinde arbeitet. Er würde das Auto nehmen – wenn ihn nicht ein heftiger Herzinfarkt 2017 dazu getrieben hätte, „die Faulheit zu überwinden und auf die Gesundheit zu achten“.
Professor Hermann Schlagheck und seine Klima-Aktionen haben Böttcher zudem zum CO2-Sparer gemacht. „Wir haben damals zu neunt von der Verwaltung bei ihm teilgenommen und in einem Jahr 700 Kilogramm CO2 eingespart.“
Sein Auto verbraucht etwa 7,5 Liter Sprit auf 100 Kilometern. „Laut ADFC-Rechner macht das für meinen Weg zur Arbeit 0,97 Kilogramm CO2 aus.“ Die Aktion wirkt nach.
Ich habe schon ein schlechtes Gewissen, wenn ich mal nicht mit dem Rad fahren kann.
Der „grüne Gedanke“ – ohne dass er dafür in irgendeiner Partei oder einem Verein wäre – treibt ihn auch bei Schlagregen und Frost an: „Klar, im Winter frieren einem auf den ersten 100 Metern die Augen ein. Das erfordert Überwindung. Bei Wind trittst Du nur noch in Gang 3. Im Winter, wenn Traktoren den Schnee festgefahren haben, musst Du gucken, dass Du morgens nicht im Acker landest.“
Einmal ist ihm das passiert, weil er in der Rübenkampagne bei schlechtem Licht einer Zuckerrübe ausgewichen ist, die er zu spät sah. Ein paar Mal ist er auch hingesegelt, weil der Matsch auf den Wirtschaftswegen einfach zu glitschig war: „Ich fahre nicht langsam. Ich will ja am Rathaus ankommen.“ Darum hat er einen stärkeren Scheinwerfer investiert. „Der hat 100 Lux und fast so viel gekostet wie das Rad“, sagt Böttcher.
Für den Scheinwerfer musste er 80 Euro hinlegen, sein Trekkingrad hat er für 100 Euro gebraucht erstanden. Voriges Jahr hat er zudem in neue Schläuche und Mäntel investiert: „Mit Profil auch an den Seiten, damit ich auf dem Feldweg mehr Halt habe.“ Sein Wunsch: Ein richtiger Radweg entlang der Bundesstraße.
Und wenn er schon beim Wünschen ist: Ein verschließbarer Fahrradschuppen wäre super, wo es dann auch eine Ladestation für die Kollegen gäbe, die mit einem E-Bike kommen würden. Er will auf jeden Fall weiter in die Pedale treten. Bei Gegenwind und im Hochsommer kommt er da nassgeschwitzt an und bedauert, keine Dusche zu haben. Die normale Toilette muss für die Katzenwäsche reichen. „Ein Handtuch habe ich dann dabei.“
Der Autofahrer
David Klocke (23) arbeitet in der IT der Gemeinde Swisttal – seit etwa viereinhalb Jahren. Seit drei Jahren wohnt er in Bonn und pendelt täglich 25 Minuten von Endenich aus mit dem Auto nach Ludendorf ins Rathaus. Immer mal wieder hat er überlegt, ein anderes Verkehrsmittel zu nutzen, aber schnell wieder verworfen. „ÖPNV ist scheiße, wenn ich das so sagen darf.“
Zwar würde der Fußweg zur nächsten Bushaltestelle von seiner Haustür aus nur zwei Minuten dauern, und am Ende der Reise wäre die Haltestelle direkt vor dem Rathaus. „Aber ich müsste erst einmal nach Duisdorf, dort in die S23 einsteigen und von Odendorf die Buslinie 747 nehmen.“ Er hat die Fahrtzeiten mit Google Maps verglichen: Der Bus brauche exakt eine Stunde, mit dem Fahrrad würde es 50 Minuten dauern, mit dem Auto bloß 23 Minuten.
Das rentiert sich niemals. Weder von der Zeit her noch vom Geld.
Der Unterhalt seines Autos, ein Golf VI mit 1,4-Liter-Benzinmotor, sei trotz der 160 PS relativ günstig. Abgesehen vielleicht vom defekten Turbolader, der jüngst für 1300 Euro ersetzt werden musste. Wegen der Pandemie kann Klocke derzeit zweimal die Woche zu Hause arbeiten. Selbst innerhalb von Bonn nutzt er aber den ÖPNV nicht, „um flexibler zu sein.“
In Swisttal hat er Gleitzeit, kann anfangen, wann er möchte. Meist zwischen 7 und 8 Uhr, und zwischen 15 und 18 fährt er zurück. „Zu diesen Uhrzeiten fahren die Meisten in die entgegengesetzte Richtung. Darum klappt das super.“
Den Weg nach Ludendorf mit dem Fahrrad zurückzulegen, hat er „auf jeden Fall mal überlegt“. Aber: „Im Winter ist das nicht so angenehm. Ich habe mal aus Spaß die Hälfte der Strecke mit dem Rad zurückgelegt, und das war mir schon weit genug.“
Bei der Wahl seines Verkehrsmittels lässt sich Klocke nicht beirren. „Ich benutze immer den Tempomat auf 70. Das senkt den Spritverbrauch. Auch schon vor der Energiekrise habe ich das gemacht und komme mit einem Verbrauch von 4,5 bis 5 Litern aus.“ Jeden Monat verfährt er trotzdem einiges an Sprit. „Das sind aber maximal 250 Euro – inklusive Einkaufen, Besuch im Studio und bei Freunden. Aber aus der Pendlerpauschale gibt es bei der Steuer ja was zurück.“
Der Tempomat spare doppelt Geld, denn er schütze auch vor den Blitzern. Sein Auto kann er beim Arbeitgeber kostenlos parken – trotz der Bauarbeiten gerade und der Sperrung des regulären Parkplatzes, denn auf einem Naturplatz gegenüber dem Rathaus dürfen die Autos der Mitarbeiter stehen.
Selbst in Bonn-Endenich hat er kein Problem, den Wagen abzustellen: „An der Straße ist immer ausreichend Platz.“ Sechs Jahre hat er Köln gelebt, vier in Swisttal. Als Schüler bin ich mit dem Zug nach Bonn gependelt. Als er 18 wurde, hat er sofort aufs Auto umgestellt.
Damals haben die Spritkosten viel mehr weh getan, weil ich als Schüler weniger Geld hatte.
Jobticket
Die Gemeinde Swisttal bietet ihren Mitarbeitern für 25 Euro ein Jobticket an – egal wo sie wohnen. Böttcher: „Ich würde es aber nur ab und an mal für eine Fahrt nach Bonn benutzen. Und dafür ist es dann doch zu teuer.“ Und auch Klocke lehnt ab: „Ich fahre privat so selten Bus und Bahn. Das bringt einfach nichts.“