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BürgerbeteiligungBraucht Wachtberg ein neues Rathaus?

Lesezeit 6 Minuten
Eine lange Rampe führt zum Eingang des Rathauses der Gemeinde Wachtberg in Berkum.

Eine lange Rampe führt zum Eingang des Rathauses der Gemeinde Wachtberg in Berkum. Drinnen gibt es aber keinen Aufzug.

Das Rathaus in Berkum ist so alt wie die Gemeinde Wachtberg. Es hat keinen Aufzug, Dämmung und Akustik lassen sich kaum auf den heutigen Stand bringen. Aber muss dafür gleich neu gebaut werden? 

Das Rathaus der Gemeinde Wachtberg ist geprägt von einer langen Rampe, die zur Eingangstür führt. Aber weiter als bis zum Erdgeschoss kommen Menschen mit eingeschränkter Mobilität in diesem Gebäude kaum. Es gibt keinen Aufzug. An Fenstern und Flachdach müsste dringend gearbeitet werden. Energie verliert sich beim Heizen, die Räume sind nicht hoch genug, um Decken gegen Wärmeverluste und Lärm zu dämmen. Der Platz reicht nicht für alle Mitarbeiter. Zudem hat der Raatssaal bei geöffneter Faltwand den Charme einer Treppenhauserweiterung.

Das ein Jahr alte Gutachten, das sich die Gemeinde von der DKC Kommunalberatung hat machen lassen, geht davon aus, dass eine Sanierung nur eingeschränkt zu Verbesserungen führen kann. Zudem wird erwartet, dass in der alten Bausubstanz Schadstoffe wie KMF, PAK, Asbest und Lindan zu finden sein dürften. Konkret untersucht wurde das aber nicht.

Gemeinsam mit dem Architekten Michael Schultze-Rhonhof von der DKC Kommunalberatung wird Bürgermeister Jörg Schmidt die Ergebnisse des Gutachtens erläutern, in dem das Für und Wider eines Rathaus-Neubaus geprüft wurden. Die vier Varianten aus dem Gutachten sind bereits im Haupt- und Finanzausschuss vorberaten worden. Das Gutachten berücksichtigt auch den Personalbedarf, der sich ergäbe, wenn Wachtberg eine Stadt würde und empfiehlt Variante 3.


Varianten einer Rathauserneuerung

Variante 0: Sanierung des Notwendigen. Platz für 37 Beschäftigte irgendwo anmieten. Risiko bei der Instandhaltung weiter alternder Strukturen. Kostet: 29.404.675 Euro.

Variante 1: Eine Sanierung am Standort macht ein Interim notwendig. 87 Arbeitsplätze ließen sich im Bestand unterbringen, für 37 Beschäftigte müsste angebaut werden. Das Risiko bei der Instandhaltung des Altbaus bleibt. Vorbereitung 12 Monate, Bauzeit 24 Monate. Kostet 7.175.454 Euro.

Variante 2: Das Rathaus würde abgerissen und am alten Standort aufgebaut. Dabei ließe sich eine Tiefgarage herstellen und Platz für 124 Beschäftigte einrichten. Ein Interim wäre notwendig. Vorbereitung 18 Monate, Bauzeit 18 Monate. Kostet 5.673.443 Euro.

Variante 3: Ein neues Rathaus würde auf einem neuen Grundstück gebaut mit ausreichend Parkplatz und Räumen für 124 Beschäftigte. Vorbereitung 18 Monate, Bauzeit 18 Monate. Kostet 5.289.932 Euro.

Quelle: DKC Kommunalberatung, Kosten ( jeweils mit Betriebskosten, Zinsen von 1,2 Prozent und Interim sowie der Abschreibung berechnet durch iwb Ingenieure Beratung GmbH & Co. KG)


Bürgermeister Jörg Schmidt hat jüngst in der Podcast-Serie „Wachtberg von AZ - Bürgermeister Schmidt informiert“ zur Rathaussanierung Stellung bezogen. Es war Folge #6 Was wird aus dem Rathaus? Umbau oder Neubau lautete die Frage. Schmidt erklärte, das Rathaus sei "ein bisschen in die Jahre gekommen". Es sei aus den 70er Jahren und "in gar keine Weise barrierefrei". Dies sei in der heutigen Zeit nicht mehr vertretbar.

Eltern mit Kinderwagen können die zuständige Abteilung ebensowenig besuchen, "wie Menschen im Rollstuhl, die zu mir wollen", weil es keinen Aufzug gibt.  Und Schmidt räumte ein: „Wenn mein Ischias mich plagt, komme ich auch nicht rein.“ Zudem sei das Rathaus energetisch „kein Vorzeigeobjekt“ und verursache hohe Energiekosten.

Die Politik tendiere zu einem Neubau, ob an alter oder neuer Stelle sei offen. Schmidt: "Einen Neubau plant man mit allen energetischen Vorteilen von unten bis oben neu. Auch die Aufteilung. Das ist ein riesiger Vorteil. Bei einer Sanierung weiß man nie, was man in der Wand findet, was zu einer Verteuerung führt."

Der Standort eines Neubaus nach Variante 3 ist offen. Er soll aber in Berkum sein. Im Gutachten ist er als er "Neue Mitte/EKZ" bezeichnet. Verhandelt wird dem Vernehmen nach über ein Grundstück mit Blick auf Burg Odenhausen.

Für einen Neubau an alter Stelle ist laut Schmidt ein Interim mit einer Containeranlage nötig, die 80 bis 90 Mitarbeiter aufnehmen kann, "um funktionsfähig zu sein". Laut Gutachter käme auch eine Anmietung in Frage. Allerdings sei fraglich, wie das in Berkum gehen soll. Schmidt dazu: "Wir bieten einen Bürgerservice in Wachtberg an. Es bringt uns nichts, wenn wir in Meckenheim oder Bonn ein schönes Gebäude finden."

Michael Schultze-Rhonhof findet die Alternative Neubau schon deshalb sinnvoll, weil das schon anhand der Baukosten "gar nicht so viel teurer" als eine Modernisierung und Erweiterung (etwa 20 Millionen gegenüber 16 Millionen Euro) sei. Damit seien in der Folge weitere Entlastungen bei der Bauunterhaltung verbunden: "Umgekehrt, und das gehört auch zur Wahrheit, steigt dann auch die jährliche Abschreibung, die zu erwirtschaften ist." Der Vorteil eines Neubaus an anderer Stelle sei, dass Interim und - falls das Grundstück groß genug sei - der Bau einer Tiefgarage vermieden würden.

Nichts zu tun, sei allerdings "auch ein teurer Spaß", merkte Schmidt wegen des Sanierungsbedarfs an und sagte auch: "Bei Variante 3 brauchen wir ein Grundstück. Das haben wir natürlich nicht." Seine Hoffnung: Dass sich ein ausreichend großes Grundstück findet, "auf dem man 'was Schönes für Wachtberg entwickeln kann". Dies, so Schmidt, sei ein "schönes Spielfeld für die Politik".

Zum Raumbedarf sagte Schmidt im Podcast: "Da wir ja gar nicht wissen, wie sich die Arbeitswelt in der Zukunft gestalten wird, ist eigentlich die Flexibilität eines der wichtigsten Kriterien. Heute kann keiner genau abschätzen, ob wir in 20 oder zehn Jahren mehr oder weniger Arbeitsplätze vor Ort brauchen." Der aktuelle Trend könne auch wieder zurückgefahren werden. Schmidt: "Ich kenne keinen Dienstleister, der ohne Personal vor Ort auskommt. Das kann auch nicht einer alleine: Die Gemeinde sei ein "riesen großer Gemischtwarenladen mit einem riesengroßen Portfolio an Aufgaben".

Zu den Kosten sagte Schmidt: "Wir müssen versuchen, die beste Lösung zu finden. Bei einem Neubau wären wir der besten Lösung näher. Wobei wir andere Aufgaben, die wir auch noch vor der Brust haben, nicht vergessen dürfen. Wir müssen uns noch mit der Grundschule Villip beschäftigen, und wir müssen noch einen Kindergarten in Ließem bauen."

Schmidt deutete an, dass die Gemeinde ihr Risiko zu der Kostenentwicklung in der Zukunft absichern wolle und dazu schon "ein zwei Ideen im Raum seien". Dies kann nur bedeuten, dass sich die Gemeinde einen Investor an die Seite zu holen gedenkt. Von "Bauherrenmodell" ist die Rede.

Bürgerinfoveranstaltung „Rathaus-Neubau“ Wachtberg

Am Mittwoch, 9. August, um 9 Uhr findet in der Aula des Berkumer Schulzentrums eine Bürgerinformationsveranstaltung zum "Rathaus-Neubau" statt. Bürgermeister und Gutachter stellen die Varianten vor und treten mit Bürgern in eine Diskussion ein.


"Unser Wachtberg" nimmt Stellung

Ulf Hausmanns teilte für die Fraktion „Unser Wachtberg“ mit, es gebe keinen Nachweis dafür, dass das Rathaus marode sei. Eine Sanierung im laufenden Betrieb habe sich an anderer Stelle schon bewährt, und das Rathaus sei flexibler nutzbar, als dies im Gutachten dargestellt werde. Der Preisvergleich zwischen den beiden Neubauvarianten sei dadurch schräg, dass am alten Ort unterstellt wird, dass eine Tiefgarage benötigt würde. Dies sei aber nicht der Fall. Zudem fehle der Kaufpreis für ein Grundstück in der Vergleichsrechnung. Laut Hausmanns wäre es auch im Sinne des Klimaschutzes, den Altbau zu erhalten. Dies sei sogar zu 45 Prozent förderfähig.