Bürgerantrag in WachtbergBraucht ein modernes Rathaus Aktenschränke?

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Rathaus der Gemeinde Wachtberg in Berkum.

Rathaus der Gemeinde Wachtberg in Berkum

Lässt sich das Rathaus von Wachtberg vielleicht doch günstiger sanieren, zumal eine wesentlich modernere Verwaltung keine Aktenschränke mehr braucht? Ein Bürgerantrag, der die Politik ins Schwimmen brachte, wirft Fragen auf.

Der Bürgerantrag eines Rentners aus Berkum (siehe Kasten) zum Thema Rathausneubau hat am Donnerstagabend den Haupt- und Finanzausschuss von Wachtberg auf die Probe gestellt - auch Bürgermeister Jörg Schmidt (CDU). Der wollte den gesamten Antrag ablehnen lassen, vor allem en bloc behandeln („Der Petent kann schreiben, was er will. Es gibt nur einen Beschlussvorschlag, und das ist meiner“), aber da war der Antragsteller, der einzige Bürger im Auditorium, schon deutlich angesäuert und ließ wissen, er werde gegen den Beschluss vorgehen, wenn nicht über jeden Punkt einzeln abgestimmt werde. Und so gab es sieben einzelne Voten.

Schmidt bemühte sich, zu erklären, dass er nicht gegen die Anregungen aus dem Antrag von Erhard Piel sei, aber vor allem das Problem sehe, dass eine Zustimmung eine komplett neue Machbarkeitsstudie nach sich ziehen würde - mit den entsprechenden Kosten, weil eine Neuberechnung erforderlich wäre. Da ist Piel anderer Ansicht, zumal er glaubt, die Verwaltung könne die Berechnung des Gutachters in eigener Regie nachjustieren.

Bauchschmerzen wegen des bloßen Wortes „Stadt“

Der Ausschuss hatte außerdem Bauchschmerzen, weil es schon eine ausdrückliche Willensbekundung des Rates gibt, dass Wachtberg keine Stadt werden soll, der Bürgerantrag in dem Punkt also hinterherhänge und das leidige Thema wieder aufs Tapet bringen könnte. Schmidt erklärte wegen des Antrags auch ausdrücklich, dass der Raummehrbedarf als allgemeine Reserve vorzuhalten sei und eben nicht nur wegen der Mehraufgaben, die eine mögliche Stadtwerdung mit sich brächte.

„Die Fragen sind absolut nachvollziehbar. Aber wir haben den Antwortprozess wegen des Ratsbeschlusses abgebrochen und wollen die Fragen später zu Ende beantworten“, sagte der Beigeordnete Swen Christian zu Beginn, strandete aber seinerseits an der sich in der Sitzung durchsetzenden Rechtsauffassung, dass der Antrag fristgerecht und in diesem Ausschuss behandelt werden muss. Bürgermeister Schmidt schlug einen Verweis des Themas an die Verwaltung vor, adäquat eines Verweises an einen Ratsausschuss, musste aber einräumen, dass damit dem Gesetz wohl auch nicht Genüge getan wäre.

Verwaltung und Politikern schwante schnell, dass jede Parameterveränderung bei allen vier Varianten berücksichtigt werden muss. Schmidt wandte ein, das sei zu vernachlässigen, weil es sich gleichmäßig auf die Varianten auswirke, doch Piel rief ihm zu: „Das ist mathematisch nicht möglich!“

Wir sollten nicht parallel Dinge vorantreiben, bevor wir einen Überblick haben.
Oliver Henkel, Grüne

Zweifel grassierten nicht nur bei Schmidt. Oliver Henkel (Grüne) fand: „Wir sollten nicht parallel Dinge vorantreiben, bevor wir einen Überblick haben.“ Beide fanden, der Antrag enthalte „einige sinnvolle Anregungen“. Ulrich Feyerabend (Unser Wachtberg) merkte an den Bürgermeister gerichtet an: „Er fordert etwas ein, was Sie auch immer gesagt haben: größtmögliche Transparenz.“

Joachim Mittweg (UWG) stellte fest, dass der Bürgerantrag eine Fülle von Fragen beinhalte und beim Thema Sanierungsbedarf über den Antrag an den Rat hinausgehe. Christoph Fiévet (CDU) fand: „Flächenberechnung und Raumbedarf haben auch wir hinterfragt.“ Andreas Wollmann (SPD) sagte: „Viele Gedanken darin sind gut und richtig. Ich hätte mit der Ablehnung ein Problem. Das käme rüber, als wäre alles Tinnef.“

Mira Scharzenberger (Unser Wachtberg) sah jedoch keinerlei Problem mit dem Bürgerantrag: „Die Dinge hier müssen doch sowieso gemacht werden. Das widerspricht nicht dem Ratsbeschluss.“ Friedrich Oettler (FDP) findet es „ungut, jemandem eine Negativbotschaft zu vermitteln, der sich seriös mit dem Rathaus-Thema beschäftigt“. Aus Sicht von Volker Gütten (CDU) kommen die Fragen „viel zu früh“. Sie wären „Thema einer Neubauplanung“.

Nach mehreren Diskussionsrunden immer noch zwiegespalten

Nach mehreren Diskussionsrunden war immer noch keine Entscheidung in Sicht. Schmidt wandte ein, „viele Fragen erübrigen sich - je nach Entscheidung“. Oliver Henkel brachte seinen inneren Zwist auf den Punkt: „Wir wollen keine Transparenz ablehnen, können so, wie es da steht, aber nicht Ja sagen.“

Steffen Kömpel (CDU) hakte nach, was wäre, wenn der Petent seine Anträge zurückziehe, doch der wollte das gar nicht. Jutta von der Gönna (Unser Wachtberg) holte sich vom Bürgermeister ein „Ja“ ein auf die Frage: „Wir erhalten dann zu jeder Frage Auskünfte von der Verwaltung?“ Nach der Erkenntnis, dass eine Entscheidung unumgänglich ist, schlug eine Verwaltungsmitarbeiterin vor, der Ausschuss möge den Antrag befürworten, er werde dann im Detail in der Verwaltung abgearbeitet, „wenn die Dinge vorliegen“.

Inzwischen begeisterte sich Piel für die Sitzung und murmelte: „Ich hätte nicht gedacht, dass es so spannend wird.“ Wegen der Einzelabstimmung ist der zweite Punkt der Antragsliste mit zehn gegen sieben Stimmen angenommen worden, Punkt eins und drei wurden mit sieben gegen zehn abgelehnt. Punkt vier scheiterte (unter Zwischenruf von Andreas Wollmann: „Wer lehnt Transparenz ab?“) denkbar knapp mit sieben gegen sieben Stimmen bei drei Enthaltungen. Die letzten drei Punkte fanden gar keine Zustimmung. Die Verwaltung will die Anregungen dennoch allesamt mitnehmen.


Der Bürgerantrag des Rentners Erhard Piel

Auf Basis der im August vorgestellten Machbarkeitsstudie mit vier Alternativen zum Rathausneubau hat der Rentner Erhard Piel aus dem Wachtberger Hauptort Berkum im November einen Bürgerantrag mit sieben Einzelanträgen eingereicht. Da er einen Platzmehrbedarf von 65 oder gar 72 Prozent sowie einen Arbeitsplatzzuwachs um 42 Prozent in Zweifel zog, hat er sich eigene Gedanken zur Digitalisierung und modernen Arbeitswelt gemacht, etwa dass Digitalisierung auch Büromöbel überflüssig mache, die zurzeit zur Archivierung benötigt werden. Der Rat brauche keinen Saal für 100 Personen, wenn sich die Zahl der Wahlbezirke verringere und auch für Sitzungen Online-Möglichkeiten genutzt würden, auch andere Versammlungsräume könnten effizienter belegt und teils eingespart werden, findet Piel.

Seine Überlegungen schlossen auch den möglichen „Stadt“-Status der heutigen Gemeinde ein, wobei Piel Kooperationen mit Nachbarkommunen bei bestimmten Zusatzaufgaben als Möglichkeit ins Spiel brachte, Raum zu sparen. Der Berkumer bezeichnete den bei der Bürgerveranstaltung angegebenen Flächenbedarf als falsch. Je Büro seien für den ersten Mitarbeiter mindestens acht Quadratmeter, für jeden weiteren sechs einzuplanen und nicht zehn. Piel wies auch auf die Zinsberechnung im Variantenvergleich hin, die auf günstigen Kreditzinsen von 2022 beruht habe, nach aktuellem Stand aber bereits eine Mehrbelastung von 15 bis 18 Millionen Euro bedeute.

Aus seinen Überlegungen folgerte Piel: die Gemeinde müsse sich über ihren Status klar sein, der Platzbedarf müsse neu ermittelt werden und folglich auch die Kosten. Dies gehöre zum Gebot einer wirtschaftlichen Haushaltsführung. Einwände, andere Parameter, für Raumgrößen und Zinssätze etwa, wirkten sich gleichmäßig auf die vier Varianten aus, seien „mathematisch falsch“.

Hier zusammengefasst die sieben Anträge:

  • Der Personalbedarf (abgeleitet der Flächenbedarf) ist in Hinsicht auf Digitalisierung und moderne Arbeitswelt sowie der Zinsentwicklung in einem transparenten Verfahren darzustellen, zu untersuchen und neuzubewerten.
  • Der zusätzliche Personal- und Flächenbedarf (aufgrund zusätzlicher Aufgaben und fehlender Gemeinschafts- und Besprechungsräume) ist detailliert aufzuzeigen und zu veröffentlichen.
  • Die neue Datenbasis hat in die bisherige Studie einzufließen, zu einer Neubewertung der Varianten zu führen und ist den Bürgern vorzustellen.
  • Die Auswirkung auf die Steuerlast der Bürger ist für jede Variante zu veröffentlichen
  • Vor der Einplanung eines Zusatzbedarfes als "Stadt" müssen Personalzahl, Flächenbedarf, Bewirtschaftung, Instandhaltung und Ausstattung samt aller Kosten untersucht und transparent offengelegt werden.
  • Eine Entscheidung über den Stadt-Status ist anzustreben und die Bürger sind an der Abstimmung zu beteiligen.
  • Zunächst sind Digitalisierung und Integration der neuen Arbeitswelt abzuschließen, eine Positionierung
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