Hacker DaysWachtberger Hauptschüler lösen Schulprobleme gemeinsam

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Hacker Days an der Hans-Dietrich-Genscher-Schule in Berkum. Finn, Tobias und Mads kontrollieren ihren Türöffner.

Hacker Days an der Hans-Dietrich-Genscher-Schule in Berkum. Finn, Tobias und Mads kontrollieren ihren Türöffner.

Weg mit Autos und Müll vom Schulhof, her mit dem Süßen, ohne das Schulgelände zu verlassen! Bei den Hack Days an der Hans-Dietrich-Genscher-Schule in Wachtberg fanden Schüler programmierbare Lösungen.

Wie können die Hauptschüler an der Hans-Dietrich-Genscher-Schule in Berkum an Süßigkeiten und Knabberzeug gelangen, ohne das Schulgelände zu verlassen? Kury, eine der Schülerinnen, hatte das Problem aufgeworfen. Weronika, Safal, Susan und Hivi machten sich bei den Hack Days gleich an die Lösung. Sie konstruierten und programmierten einen Automaten, den die Großen auf Vorkasse bestücken, und der die Ware dann nur an den Besitzer eines Chips ausgibt. 

Hacker Days an der Hans-Dietrich-Genscher-Schule in Berkum. v.l.: Kury, Weronika, Safa, Susan und Hivi haben einen Warenautomaten gebaut.

Hacker Days an der Hans-Dietrich-Genscher-Schule in Berkum. v.l.: Kury, Weronika, Safa, Susan und Hivi haben einen Warenautomaten gebaut.

Drei Tage sind keine lange Zeit für die Umsetzung eines solchen Vorhabens, wenn nicht einmal Vorkenntnisse zum Programmieren da sind. „Das hat mir ganz schön Kopfschmerzen bereitet“, räumt Susan ein, die sich mit Weronika stundenlang Gedanken um einen möglichst cleveren Programmcode machte. Aber mit der Unterstützung von ein paar erfahrenen Studenten als Mentoren gelang alles - wenn auch recht knapp - in der vorgegebenen Zeit. Am Tag der Präsentation war der Automat fertig gebaut, bestückt und funktionierte. Ideengeberin Kury war hochzufrieden und sagte: „Ich könnte immer essen!“

Hacker Days an der Hans-Dietrich-Genscher-Schule in Berkum. Der Automat zeigt im Display an, was gerade passiert.

Hacker Days an der Hans-Dietrich-Genscher-Schule in Berkum. Der Automat zeigt im Display an, was gerade passiert.

Konrektor Christian Zimbelmann verfolgte die Arbeit seiner Schüler während der drei Tage im Technikraum zunehmend lockerer. „Ich war zunächst skeptisch, ob ich sie drei Tage lang aus dem Unterricht lassen kann, aber es hat sich gelohnt.“

Bettina Wallor, die Koordinatorin des zdi-Netzwerks für die MINT-Förderung im Rhein-Sieg-Kreis, beschrieb ihren Part: „Ich gebe das viele Geld aus, das mir nicht gehört. Hier wird dann programmiert, gebastelt und gelötet. Niemand wird überfordert, jeder beteiligt, und immer ist es Teamarbeit. Ich habe gehört, dass es ‚mega anstrengend‘ war.“

Studierte Mentoren gaben Wachtberger Kindern Tipps

Material wie Holz und Scharniere oder Plexiglas stellte die Schule, die Software (Arduino Uno) war vorgegeben, und es gab die Mentoren. Das waren Lena (studiert in Koblenz „etwas Ähnliches wie Informatik“), der Informatikstudent André aus Darmstadt, der Mechatronik-Ingenieur Luai („Ich bin ganz beeindruckt von den Resultaten, zumal ich meist an Gymnasien bin“) und der Physikstudent Simon („Die sind nicht auf den Mund gefallen“). Sie gaben Ratschläge und Motivation, wenn eine Sackgasse drohte oder etwas fehlschlug.

Eine Gruppe schaffte sogar zwei Projekte, weil sie etwas mit einem Laser geplant hatte, der aber zunächst nicht geliefert wurde. Bettina Wallor „ging das Herz auf“, wie die Schüler „von Anfang an motiviert“ waren, und welche Lösungen sie hervorbrachten.

Finn, Tobias und Mads, alle drei 14 Jahre alt, bastelten ein Schloss, das per Chip - nach einer Freigabe durch die Lehrer per separater Schnittstelle - synchronisiert den Zugang zum Gebäude freigibt. Weil sich bei den Technik-Steckelementen gerne mal eines der vielen Kabel löste, verpasste Tobias dem Deckel ein paar Drahtschlaufen, damit er sich öffnen lässt. Inspiriert ist das Modell von der Zugangskontrolle am Lehrer-WC.

Am Laptop können wir sogar in Echtzeit sehen, wie weit es bis zum nächsten Hindernis ist. Das Programm lenkt den Wagen 40 Zentimeter vor der Wand ab
Julian, Projekteilnehmer an der Hans-Dietrich-Genscher-Schule

Andere bastelten einen Begrüßungsautomaten, der beim Eintreten „Hallo“ sagt, oder einen Müllsammelroboter, „da der Schulhof immer dreckig ist“, wie Ben feststellte. Zwar reichten die drei Tage nicht, um noch einen Sammelarm und einen Container zu bauen, aber es entstand ein Chassis für einen Selbstfahrer, der im 45-Grad-Winkel per Stellmotor um die Kurve fahren kann. Die Kunst war, zu verhindern, dass das Gerät vor die Wand fuhr. „Also haben wir einen Sender und einen Empfänger für Ultraschall vorne angebaut“, sagte Julian: „Am Laptop können wir sogar in Echtzeit sehen, wie weit es bis zum nächsten Hindernis ist. Das Programm lenkt den Wagen 40 Zentimeter vor der Wand ab.“

63 Zeilen Programmcode hat Julian, teils mit Inspiration aus dem Internet, geschrieben, und das Gerät zu erfolgreichen Probeläufen auf dem Schulhof gebracht. Kurios: Julian programmierte, obwohl er an ein kaufmännisches Berufskolleg strebt, und Max, der als Nächstes aufs Gymnasium gehen will, um vielleicht mit Fokus auf Wirtschaft oder Informatik weiterzumachen, baute am Fahrgestell mit.

Der Quellcode von Janik für eine Hofüberwachung nach Schulschluss kam mit nur 37 Zeilen aus. Philipp fand, dass sich nach Unterrichtsende zu viele Leute da rumtreiben und der Platz überwacht werden müsste. Also beschäftigten sich die Jungs mit einem Bewegungsmelder. Dessen Reichweite testeten sie mit „langen Schritten“: „Das dürften fünf Meter sein.“

Obwohl die Box für die Technik alles andere als gekauft aussah, war Janik äußerst zufrieden mit seinem Werk. „Wegen der Trockenzeit“ musste er Heißkleber statt Leim einsetzen, mehrere ungenutzte Löcher im Deckel zeugten von Versuchen, den richtigen Platz für den Bewegungsmelder zu finden. „Dort passte er wegen des Anschlusskabels nicht hin“, erklärte Janik und zeigte auf eines der Löcher und betonte: „Ich habe das ganz allein gesägt und gefeilt.“ Mehr Zeit war einfach nicht.

Als es auf den Punkt kam, dass die - wenn auch etwas übersensible  - Technik tatsächlich helfen könnte, Fahrzeuge vom Schulhof fernzuhalten, entbrannte fast Streit, weil Janik meinte, Motorräder und Roller seien o.k.: „Du redest wie jemand, der die Grünen wählt“, musste er sich anhören.

Letztlich waren jedoch Lehrer, Netzbetreuer und Mentoren sehr zufrieden. Denn: Das Hauptziel, Schüler für Technologie und digitale Lösungen zu begeistern, ist geschafft. Aus dem puren hacken am Computer wurde ein Livehack.

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