Duisburg und EssenZahl der Verfahren gegen kriminelle Clans verdreifacht

Ein Polizist hält ein sichergestelltes Messer in der Hand. (Archivfoto)
Copyright: picture alliance/dpa
Duisburg/Essen – Die nordrhein-westfälischen Justizbehörden greifen im Kampf gegen kriminelle Familienclans zunehmend hart durch. So führen spezielle „Staatsanwälte vor Ort“ in den Clan-Hochburgen Duisburg und Essen mittlerweile 883 Ermittlungsverfahren gegen derartige Familienverbände, wie die beiden Anklagebehörden unserer Redaktion mitteilten. Demnach werden allein in Duisburg 662 solcher Verfahren geführt (Stand Mitte November), in Essen sind es 221 (Stand Mitte Dezember).
Vor einem Jahr lag die Zahl der Verfahren in Duisburg noch bei lediglich 258. Für Essen lagen damals noch keine Ergebnisse vor, weil die „Staatsanwälte vor Ort“ gerade erst ihre Tätigkeit aufgenommen hatten. „Unsere Arbeit macht sich bezahlt. Durch die Bündelung und Konzentration unserer Ressourcen können wir sehr effektiv gegen diese Strukturen vorgehen“, sagte der Duisburger Abteilungsleiter der Clan-Ermittler, Oberstaatsanwalt Peter Müller.
„Staatsanwälte vor Ort“
Bei dem Projekt „Staatsanwälte vor Ort“ kümmern sich in Duisburg seit Mitte 2018 drei Staatsanwälte um Straftaten, bei denen Mitglieder von rund 70 türkisch-, kurdisch-, libanesisch- und arabisch-stämmigen Großfamilien als Täter vermutet werden. Diesen Familien werden mehr als 2800 Personen zugerechnet. Anfangs ließen die Staatsanwälte nur im Duisburger Norden mit dem bundesweit bekannten Stadtteil Marxloh ermitteln. „Wir haben die Ermittlungen wegen neuer Erkenntnisse jetzt auf ganz Duisburg ausgeweitet. Diese Kriminalität beschränkt sich nicht auf einzelne Stadtteile“, erklärte Müller.
„Staatsanwälte vor Ort“ bündeln Ermittlungen
Projekt: Um die ausufernde Clan-Kriminalität besser in den Griff zu bekommen, rief das Landesjustizministerium am 15. Juni 2018 in Duisburg das Projekt „Staatsanwälte vor Ort“ ins Leben.
Idee: Die Sonderermittler arbeiten eng mit Polizei, Zoll, Finanz- und Ordnungsbehörden zusammen.
Geändert hat sich auch die Ermittlungstaktik in Bezug auf Luxusautos, die auffallend häufig von jungen Clan-Mitgliedern gefahren werden. Die Behörden hatten zeitweilig mehrere solcher Autos sichergestellt, weil sie Sozialleistungsbetrug vermuteten. „Das machen wir so nicht mehr, weil es schwer für uns ist, den wahren Wert eines solchen Autos bei den Kontrollen festzustellen“, so Müller. So habe sich manches Fahrzeug bei näherer Betrachtung eher als „uralte Kiste“ und nicht als besonders wertvoll entpuppt.
Drogendelikte in Duisburg ganz oben
Die meisten Clan-Verfahren werden in Duisburg wegen Drogendelikten geführt (112). Es folgen Körperverletzungen (80), Betrügereien (79), Diebstähle (58) und Verstöße im Straßenverkehr (37) wie etwa illegale Autorennen. 254 Verfahren entfallen auf sonstige allgemeine Straftaten wie Raub und Verstöße gegen das Waffengesetz. Zudem gab es einen versuchten Totschlag. Nach Informationen aus Polizeikreisen hat auch einer der spektakulärsten Polizeieinsätze der verga ngenen Jahre in Duisburg im vergangenen Sommer Bezüge zur Clan-Kriminalität: Bei dem Großeinsatz im Juli 2019 riegelten massive Kräfte der Polizei sowie Spezialeinheiten tagsüber einen Straßenzug in Duisburg-Hochfeld ab. Sämtliche Fluchtwege und Ausfallstraßen wurden damals mit Linienbussen blockiert.
Das könnte Sie auch interessieren:
Selbst die Polizei ist überrascht durch die hohe Zahl der Ermittlungsverfahren gegen Clans. „Fast 900 Verfahren in diesem Zeitraum sind schon ein dickes Brett. Das zeigt, dass wirklich etwas getan wird, um die Strukturen einzudämmen“, sagte der NRW-Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Erich Rettinghaus. Die Häufung der Verfahren mache im Übrigen die Versäumnisse der zurückliegenden Jahre deutlich. Da sei viel liegengeblieben, „so dass die Clans sich überhaupt erst ausbreiten konnten“, sagte Rettinghaus.