Nutztierarche LampertstalHeim für bedrohte Nutztierrassen – Angebote für Kinder

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Die Belgischen Bartkaninchen fühlen sich in der Arche, zu der auch eine Natur- und Kunstwerkstatt gehört, sichtlich wohl.

Die Belgischen Bartkaninchen fühlen sich in der Arche, zu der auch eine Natur- und Kunstwerkstatt gehört, sichtlich wohl.

Dollendorf – Fragt man ein Kind, welche Tiere auf einem Bauernhof leben, könnte „Schafe und Hühner“ eine mögliche Antwort sein. Längst vergessen sind Rassen wie Wikingerschaf und Lachshuhn. Susanne Robert-Pietralla und ihr Mann Arnim Pietralla haben es sich zur Aufgabe gemacht, diesem Vergessen entgegenzuwirken. „Es ist wichtig, dass Kinder auch die Vielfalt kennen, die es früher gab“, so Robert-Pietralla.

Die Nutztierarche Lampertstal ist ein besonderer Hof. „Wir sind Nutztierfarmer, weil wir vom Aussterben bedrohte Tierarten züchten“, so der Sozial- und Waldpädagoge Arnim Pietralla. Ungefähr 70 Tiere leben auf dem Bauernhof, den es seit knapp sechs Jahren gibt. „Wir haben neun Schafe, neun Enten, 24 Hennen und einen Hahn, elf Kaninchen, zwei Frettchen und mehrere Meerschweinchen“, zählt Pietralla auf.

Sechs Belgische Bartkaninchen wurden in diesem Jahr geboren. Die Rasse ist etwa durch die Realverfilmung des Kinderbuchklassikers „Pettersson und Findus“ bekannt. „Das ist eine sehr freundliche Rasse und sie ist nicht so überzüchtet wie etwa Zwergkaninchen.“ Allerdings könne sie nicht draußen überwintern.

Älteste deutsche Entenrasse

Die Kaninchen haben auf dem Hof ihren eigenen Auslauf, die Hühner und Enten halten sich auf einer abgetrennten Wiese auf. Die sind ganz schön vorwitzig. „Auf alles, was glänzt, wird schon mal draufgepickt“, erklärt Pietralla: „Das kann wortwörtlich ins Auge gehen.“

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Armin Pietralla füttert die Hühner und Enten, die allesamt sehr zutraulich sind.

Der einzige Hahn und mehrere Hennen gehören zur Rasse Deutsches Lachshuhn. Zudem wird die vom Aussterben bedrohte Pommernente gezüchtet. Sie gilt als die älteste deutsche Entenrasse. Weitere Rassen sind nicht gefährdet, aber dennoch auf der Nutztierfarm: das grünlegenden Araucana-Huhn und die Moschusente, die aus Südafrika stammen.

Die Guteschafe, auch Wikingerschafe genannt, stammen aus Schweden. Momentan weiden sie auf der Nachbarwiese, da das Gras auf der anderen bereits abgefressen ist und sich erholen muss. Pietralla erklärt: „Das Guteschaf ist eine Primitivrasse, die deutlich länger braucht, um auszuwachsen und zum Teil von Natur aus ihr Fell verliert, so wie es zu früheren Zeiten war.“ Die nächsten Lämmer werden in den kommenden Tagen erwartet.

Pädagogische Arbeit mit Tieren

„Manche Leute denken, wenn die Schafe geschoren sind, wir hätten Ziegen“, kommentiert Pietralla schmunzelnd das Aussehen seiner Schützlinge. Die Schur findet einmal im Jahr statt.

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Fütterungszeit: Susanne Robert-Pietralla kümmert sich um die Guteschafe. 

Gerade bei dem Bock sei dies nicht immer einfach. „Da ist es ganz praktisch, dass er Hörner hat“, so Pietralla: „Die halte ich wie bei einem Motorrad fest, wenn ich ihn schere.“ Allerdings seien alle Guteschafe des Paares sehr zahm – was der allgemeinen Rassebeschreibung widerspricht.

Dies liege daran, dass sich mit allen Tieren viel beschäftigt werde und man sie trainiere. Das ist wichtig, da die Tiere auch bei pädagogischen Aktivitäten eingesetzt werden. Belohnt werden die Schafe meist mit Streicheleinheiten statt mit zusätzlichem Futter. Die pädagogische Arbeit mit Tieren soll noch ausgebaut werden.

„Am Institut für soziales Lernen mit Tieren in Hannover absolviere ich berufsbegleitend eine Weiterbildung zur Fachkraft in der tiergestützten Intervention“, so Arnim Pietralla. Seine Frau erzählt: „Ich habe während meines Studiums in England drei Monate ein Praktikum auf einer Cityfarm gemacht.“ In derartigen „Oasen in der Stadt“ könne ein Kind für einen Tag Farmer sein. „Das war sehr schön“, berichtet die Sozialpädagogin.

Auch bei den eigenen drei Kindern sehe das Paar einen positiven Einfluss durch Tiere: Sie helfen, Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln. Der respektvolle Umgang mit den Tieren ist ihnen wichtig. „Der Mensch braucht die Natur“, sagt Arnim Pietralla.

„Lebendige Geschichte“

Auch ein Interesse an ökologischen Zusammenhängen gehört dazu. „Den Mist unserer Tiere verwenden wir statt Blumenerde. Darauf wächst unser Gemüse“, erklärt Robert-Pietralla. Die gezüchteten Tiere werden nach Möglichkeit in gute Hände abgegeben.

Man verfolge nicht das Ziel, den größtmöglichen Profit zu erreichen. Von hoher Bedeutung seien die artgerechte Haltung und der Schutz der gefährdeten Rassen. „Die Tiere haben einen anderen Wert. Sie sind lebendige Geschichte“, so Pietralla.

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 Im Hühnerstall können die Tiere nach Herzenslust scharren.

Das Paar hat schon viele seiner Pläne umgesetzt. Neue Projekte gibt es immer wieder. „Wir planen eine Zwergwiese mit Zwergschafen, Zwergziegen und Zwerghühnern“, sagt Pietralla. Dies sei für kleinere Kinder sinnvoll: „Die Lämmer der Zwergschafe sind so groß wie Meerschweinchen.“ Seine Frau erklärt: „Auf lange Sicht planen wir einen Geschichts- und Schulbauernhof – angelehnt an die Cityfarms in England.“

Pädagogische Angebote

Die Wollwerkstatt ist wie der Bogenbaukurs oder der Skulpturenworkshop eines der Programme für Kinder, die das Paar anbietet. Dabei wird beispielsweise Wolle gefilzt. „Wir färben sie auch, sowohl chemisch als auch natürlich, zum Beispiel mit Birkenblättern, Huflattich oder Zwiebeln“, so Arnim Pietralla.

Natur, Geschichte und Handwerk sind laut Susanne Robert-Pietralla die drei Schwerpunkte. Neben den Wochenendprogrammen arbeiten die beiden eng mit der Jugendherberge Burg Blankenheim zusammen und bieten pädagogische Klassenfahrt-Programme an. „In der Hochsaison arbeiten wir pro Woche mit sechs bis sieben Klassen“, so Pietralla.

Ritterturniere, Burgerkundung, mittelalterliches Rollenspiel, Gewandschneiderei und Wappenwerkstatt gehören zu einem solchen Programm. „Wir haben seit drei Jahren eine Kooperation mit einem Wildgehege, die Adler und Eulen auf die Burg mitbringen“, so Pietralla.

Dringend sucht das Paar aktuell Praktikanten – Schüler oder Menschen, die eine Ausbildung im sozialen Bereich machen. „Es ist wichtig, dass sie Interesse am Tier haben und am pädagogischen Aspekt“, sagt die Sozialpädagogin. Und: „Sie sollen wissen, dass Tiere nicht nur süß sind, sondern auch viel Arbeit machen.“ 

Hof von 1926

In der Natur- und Kunstwerkstatt gleich neben dem Stall wird unter anderem die Schafswolle verarbeitet. „Das war früher mal ein Kuhstall“, erklärt Arnim Pietralla. Das Haus stammt aus dem Jahr 1926 und ist nicht denkmalgeschützt. In dem Hof, den das Paar seit knapp elf Jahren besitzt, steckt viel eigene Arbeit.

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Die verschiedenen Rassen legen ganz unterschiedliche Eier. 

Neben dem Haus ist nun ein Obst-, Gemüse- und Kräutergarten. „Vorher lag dort nur Beton“, sagt Pietralla: „Den haben wir für den Umbau des alten Kuhstalls verwendet.“ Tische und Bänke darin sind auch selbst gemacht: „Wir haben uns dabei von den Möbeln auf der Mattisburg in der Ronja-Räubertochter-Verfilmung inspirieren lassen.“

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