Tradition in BerkJugendliche pflegen den Brauch der Winteraustreibung

Sturmböen und Regenschauern trotzten die Jugendlichen aus Berk, als sie ihre „Burg“ entzündeten.
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Dahlem-Berk – „Die Burg steht!“ Adrian Dederichs ist um kurz vor 18 Uhr sicher: „Wenn der Sturm die Burg nicht auseinanderweht, dann wird die Burg auch brennen!“ Angesichts von Sturmtief „Eberhard“ hätte es für die Jugendlichen in Berk durchaus Gründe gegeben, das traditionelle Burgbrennen am ersten Fastensonntag in diesem Jahr ausfallen zu lassen.
Doch von Sturmböen, peitschendem Regenschauer und Graupel lassen sich die sieben Jugendlichen – einige von ihnen sind gerade aus der Jugendfeuerwehr in die Reihen der Aktiven gewechselt – nicht abschrecken.

Die Tradition zu bewahren hatten sich die Jugendlichen, hier Luca Bungartz (v.l.), Manuel Möres, Pascal Pohl und Nils Bungartz, auf die Fahnen geschrieben und eine „Burg“ gebaut.
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Ausgerüstet mit Benzinkanistern und Pechfackeln stehen sie im Kreis um den großen Berg aus Stroh, Gehölz und Reisig herum. Doch noch ist es zu früh. Mit Einbruch der Dunkelheit wird der aufgeschichtete Haufen auf dem Berg oberhalb von Berk nahe den Windrädern wie gewohnt lichterloh brennen. Es geht den Jugendlichen darum, auch in Berk eine seit vielen Jahrzehnten übliche Tradition fortführen. Wenn nicht sie, wer dann?
Am Burgsonntag gibt es in Berk Kaffee und Kuchen
Im gemütlich warmen, ehemaligen Klassenraum der Alten Schule von Berk lassen es sich unterdessen Kinder und Eltern, Ortsvorsteher Manfred Braun und Mitglieder des Pfarrgemeinderates gut gehen. Vier Jugendliche haben dort seit 14 Uhr zu Kaffee, Kakao, Kuchen und belegten Broten eingeladen. Das „Küchen-Team“ aus Nikola Kühl, Hannah Pohl, Saskia Bungartz und Jana Bungartz kümmert sich gerne um die Gäste. „Es ist Burgsonntag, da werden die Kinder und ihre Familien aus Berk eingeladen, so ist es Brauch“, sagt Jana Bungartz wie selbstverständlich.

In der Alten Schule hatten Nikola Kühl (v.l.), Hannah Pohl, Saskia und Jana Bungartz, hier mit Ortsvorsteher Manfred Braun, Kaffee und Kuchen für die Berker Familien vorbereitet.
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Der gesellige Nachmittag wird seinen Abschluss mit dem Burgbrennen finden. Vom Pausenhof hinter der Alten Schule will sich die Gruppe das Spektakel bei Einbruch der Dunkelheit ansehen.
Tradition findet schon seit mindestens 80 Jahren statt
„Diese Tradition sollte unbedingt fortgeführt werden“, appelliert Ortsvorsteher Manfred Braun. Voraussetzung ist allerdings, dass sich im Dorf noch jemand dafür interessiert. Er könne ja schon in seiner Familie nachweisen, dass das Burgbrennen seit mindestens 80 Jahren stattfindet. Das wisse er aus Erzählungen seines verstorbenen Großvaters, so Braun. Selbstverständlich hat auch er als Jugendlicher das Feuer auf einer Anhöhe über Berk mit aufgebaut und entzündet.
Seine jungen Nachfolger im Amt der rituellen Winteraustreibung, etwa der 14-jährige Luca Bungartz, stehen derweil weiter oben bei den Windrädern, die Kapuzen ihrer Wetter- und Regenjacken aufgezogen und fest verzurrt. Im anhaltend böigen Wind könnten die mahnenden Worte des Ortsvorstehers sie skeptisch machen.
Der Brauch
Der erste Fastensonntag heißt in der Eifel je nach Region traditionell Burgsonntag, Schäfsonntag oder Hüttensonntag, weiß Brauchtums- und Heimatforscher Joachim Schröder aus dem rheinland-pfälzischen Pronsfeld.
Das einstige Fastenfeuer an diesem Tag sei, so Schröder weiter, zum Frühlingsfeuer uminterpretiert worden: Mit den Flammen sollten die Winterdämonen ausgetrieben werden. Vermutlich handelt es sich um einen aus Vegetationskulten und volksgläubigen Leitmotiven entwickelten Brauch.
Rätselhaft ist die jedoch Bezeichnung Burg für den brennenden Haufen, der in anderen Orten auch auch mal die Gestalt eines Kreuzes haben kann. Schröder vermutet, dass sich Burg hier aus dem lateinischen „comburere“ (verbrennen) abgeleitet hat. Es gibt aber auch andere Erklärungen dafür. Wie in Berk ist das Burgbrennen generell den Männern vorbehalten. (sli)
„Im vergangenen Jahr haben wir noch aus Fichten eine zweistufige Pyramide als Burg gebaut“, berichtet Adrian Dederichs. In diesem Jahr ist es der Haufen aus gemischtem Material. Das ist besser als gar nichts. „Es hing eine Zeitlang in der Schwebe, ob wir es überhaupt machen. Uns fehlen die jungen Leute, die traditionell die Burg bauen“, so Dederichs. Dann habe man doch entschieden: „Wir machen es!“
Vielleicht eine Entscheidung über Hopp oder Topp des Brauchtums, ähnlich wie in einigen anderen Eifeldörfern. Wen interessiert noch, wenn in der Nacht des ersten Fastensonntags auf einer Anhöhe ein Haufen Stroh brennt?
Die Burg brennt
Es ist nun kurz vor 19 Uhr, die Dämmerung ist angesichts der dichten am Himmel jagenden Sturmwolken nur kurz ausgefallen. Da greifen Dederichs, Luca Bungartz, Manuel Möres, Andre Hauptmann, Pascal Pohl, Felix und Nils Bungartz zu: Die brennenden Fackeln entzünden die Burg. Benzin aus Kanistern hilft dabei – bei dem Wetter vermutlich alternativlos. Und dann packen schon Windböen in die Flamen, dichte Rauchschwaden ziehen den Berg hinunter: Das Stroh und der Reisig sind nass vom anhaltenden Regen. Eine gute Stunde später ist alles wieder vorbei. Die Jugendlichen treten alle Glutnester aus. Ob das so auch im kommenden Jahr sein wird? Sicher ist es in Berk nicht.
Anderes bleibt ebenfalls unklar: Kam der Wind, während die Berker Burg brannte, aus Westen – wie so oft in der Region –, oder doch aus Osten? Letzteres hätten kundige Eifeler einst als Zeichen für einen trockenen Frühling interpretiert. Noch in der Nacht vom Burgsonntag zum Montag fällt auch dort oben, wo der Winter eigentlich ausgetrieben sein sollte, Schnee. Doch das ist keine Umkehr der Brauchtumsverhältnisse – nur Aprilwetter mitten im März.