Bezirksregierung fordertNach 43 Jahren soll ein Ingenieur an den Kronenburger See

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Für die Staumauer des Kronenburger Sees braucht es jetzt eine qualifizierte technische Leitung.

Dahlem-Kronenburg – Das kann teuer werden: Die Bezirksregierung Köln fordert den Zweckverband Kronenburger See auf, eine qualifizierte technische Führungskraft für die Talsperrenaufsicht nachzuweisen. Doch die fehlt bisher und müsste erst noch eingestellt werden.

„43 Jahre hat das keinen interessiert, und jetzt auf einmal…“ Erwin Bungartz, Allgemeiner Vertreter von Dahlems Bürgermeister Jan Lembach, schüttelt kaum merklich den Kopf. Doch was soll er machen? Die Bezirksregierung als Talsperrenaufsicht hat dem Zweckverband einen Brief geschrieben. Darin fordert die Behörde, bis Ende Juli 2022 mitzuteilen, ob es für den Betrieb der Staumauer eine ausreichend qualifizierte technische Fachkraft gibt. Falls nicht? Vermutlich bitte eine suchen und einstellen.

Richtlinien des Wasserhaushaltsgesetzes

Die Aufforderung ergibt sich, so die Bezirksregierung auf Anfrage, aus den Richtlinien des Wasserhaushaltsgesetzes (§ 36, Absatz 2 WHG), die Bau, Betrieb und Unterhaltung einer Stauanlage nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik voraussetzen. Entsprechend wird für die Leitung eine Fachkraft mit ingenieurtechnischer Ausbildung verlangt, so Bungartz.

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15 Jahre Erfahrung hat   Andreas Mainz (l.) am  Kronenburger See. Möglicherweise müssen  Jan Lembach (r.)  und Erwin Bungartz   jedoch nun eine Ingenieur-Stelle ausschreiben.

Das Problem für den Zweckverband: Andreas Mainz, seit 15 Jahren Talsperrenmeister am See, und Kollege Maik Zilligen, der seit fünf Jahren hier beschäftigt ist, haben zwar jede Menge praktische Erfahrung mit Überlauf, Abfluss, Wartungsarbeiten und Pegelständen. Auch waren sie in zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen. Aber Ingenieure sind sie nicht. Ob das jetzt als Qualifikation ausreicht, ist derzeit offen.

Die erste Aufforderung kam bereits 2020

Allerdings ist die Aufforderung der Bezirksregierung keine Neuigkeit. Schon Ende 2020 sei bei allen Stauanlagenbetreibern im Regierungsbezirk bekannt gemacht worden, entsprechend dem Regelwerk die Qualifikation des Personals nachzuweisen, so ein Sprecher der Behörde. Das bestreitet auch Bungartz nicht. Man hat also beim Zweckverband abgewartet. Dann kam die Hochwasserkatastrophe im Juli 2021. Doch die Aufforderung blieb bestehen und wurde jetzt mit Frist 31. Juli für eine Stellungnahme erneuert.

Was passiert im Versagensfall?

Gefahr

Welche Schäden drohen in dem von der Bezirksregierung angenommenen „Versagensfall“ der Staumauer des Kronenburger Sees? Die 1973 bis 1979 erbaute Hochwasserschutzeinrichtung erreicht bei Vollstau ein Volumen von 3,3 Millionen Kubikmetern, was einer Kraft von 3,3 Millionen Tonnen Wasserkraft entspricht. Es wären verheerende Schäden bei den Unterliegern wie Kronenburgerhütte, Stadtkyll und Jünkerath zu erwarten und Menschenleben gefährdet, wenn nicht rechtzeitig evakuiert werden könnte. 

Standgehalten

In der Flutnacht war dieser schlimmste Fall durchaus vorstellbar. Der Pegel an der Staumauer stieg bis auf einen knappen Meter unter der Mauerkante. „Wir haben die ganze Nacht im Betriebshäuschen gesessen und gehofft, dass der Damm hält“, erinnert sich Erwin Bungartz. Die Hoffnung erfüllte sich, das 18 Meter hohe und 320 Meter lange „alte Mädchen“, wie Talsperrenwärter Mainz die Mauer nennt, war offenbar gut in Schuss.

Investiert

Geld in den Erhalt der Stauanlage hat der Zweckverband seit der Fertigstellung 1979 immer wieder investiert. Zuletzt wurde die Oberdecke 2013 komplett gewartet und Schäden ausgebessert. In der Hochwassernacht entstand erheblicher Schaden an der Abflusstechnik, weshalb der See in diesem Sommer im „Winterstau“ bleibt und jeder Badebetrieb verboten ist. (sli)

In Köln geht man unmissverständlich davon aus, „dass vor dem Hintergrund des erheblichen Schadenspotenzials im Versagensfall einer Stauanlage jeder verantwortungsbewusste Stauanlagenbetreiber die Anforderungen erfüllen wird“. Das kann man als eine versteckte Drohung empfinden, im günstigsten Fall als eine klare Aufforderung, gegebenenfalls nachzubessern. Je nach Art und Größe des Bauwerks kann die verlangte Qualifizierung zwar variieren.

Kronenburger See hat keinen Verantwortungsträger benannt

Immer muss allerdings ein Verantwortungsträger benannt werden, den es so am Kronenburger See bisher nicht gibt. Hier entscheidet seit 43 Jahren, wenn es schnell gehen muss, de facto der Vorsteher – der Dahlemer Bürgermeister als Kopf des Mehrheitseigners.

Für den Kronenburger See gibt es nun nur zwei Möglichkeiten: Er kann zum einen den ungleich größeren Wasserverband Eifel-Rur (WVER) um Unterstützung bitten. Er habe im Unternehmensbereich Talsperren einen erfahrenen Bauingenieur als Leiter und zur Unterstützung weitere Ingenieure, so der WVER. Im August soll es diesbezüglich Gespräche geben, so Bungartz. Eine solche „Expertenausleihe“ könnte daran scheitern, dass die WVER-Experten in Düren schlicht zu weit vom Kronenburger See entfernt sind. Eine Residenzpflicht ist zu erwarten. Die beiden Talsperrenwärter Mainz und Zilligen wohnen, nebenbei bemerkt, in Kronenburg und Dahlem.

Klappt die Ausleihe beim WVER also nicht, müsste der Zweckverband im schlimmsten Fall eine Stelle ausschreiben. Ein Fachingenieur kostet pro Jahr schnell deutlich mehr als 50.000 Euro.

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