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Durch den „Tunnel“ in den RingBoxer Ardian Avdullahu mit ersten Schwergewichtskampf

Lesezeit 6 Minuten

In der Kampfpause: Oliver Hoepfner (2.v.r.) und Benny Blindert (r.) geben ihrem Boxer Ardian Avdullahu Ratschläge.

  1. Die Minuten in den Kellerräumen der Stadthalle Alsdorf bei Aachen fühlen sich an wie Stunden, werden zur Geduldsprobe.
  2. Das Warten zerrt an ihm. Schließlich sind er und drei weitere Boxer der Euskirchener Boxschule schon seit drei Stunden unterwegs.
  3. Die Luft im schmalen Kellerraum ist zum Schneiden! Mehr lesen mit #KStAPLUS

Euskirchen – Die Anspannung steht Ardian Avdullahu aus Kommern ins Gesicht geschrieben. Sein Blick geht zum Boden. Tunnelblick nennen Sportler diese Phase. Alles wird ausgeblendet. Avdullahu ist Boxer, Rechtsausleger und gerade hochkonzentriert. Er steht vor seinem ersten Wettkampf im Schwergewicht. 118 Kilogramm bringt der Der 1,95-Meter-Hüne auf die Waage. Jetzt will Avdullahu endlich raus, raus in den Ring.

Die Minuten in den Kellerräumen der Stadthalle Alsdorf bei Aachen fühlen sich an wie Stunden, werden zur Geduldsprobe. In den Katakomben ist er allein, am Ring warten 1000 Zuschauer. Der 22-Jährige boxt erst seit sechs Monaten. Er hat das Boxen in der Boxschule Blindert in Euskirchen für sich entdeckt.

Mehr als 1000 Zuschauer sehen Kämpfe

Dort hat er schnell alle Grundlagen des Faustkampfes erlernt – nun steht die Reifeprüfung an. ist fokussiert, versucht die äußeren Einflüsse auszublenden. An Gesprächen nimmt Avdullahu kaum teil. Das Warten zerrt an ihm. Schließlich sind er und drei weitere Boxer der Euskirchener Boxschule schon seit drei Stunden unterwegs. Das Treffen am Gym, die mehr als einstündige Anreise sowie das offizielle Wiegen am Nachmittag gehören zum Ablauf.

Während Trainer Milutin Jokic Nachwuchstalent Jason Zeller auf dessen Sparringskampf vorbereitet, treffen Benjamin „Benny“ Blindert und Oliver Hoepfner ein. Die beiden übernehmen mit dem 66-jährigen Jokic das Coaching. Eigentlich wäre auch Boxschulen-Inhaber Daniel Blindert dabei, doch er musste kurzfristig krankheitsbedingt passen. Sein Staff, wie es in der Boxersprache heißt, hält ihn jedoch übers Handy auf dem Laufenden und spricht alle Abläufe noch mal genau ab.

Erhält Anweisungen von Trainer Milutin Jokic: Nachwuchs-Boxtalent Jason Zeller.

Benny Blindert, selbst aktiver Profiboxer, versucht die Jungs mental aufzubauen, während die Boxpratzen von Jokic nach Schlägen von Jason Zeller bereits glühen. Das Aufwärmen, das später auch Avdullahu, Caleb Kutzmich und Jan Milka über sich ergehen lassen müssen, dauert knapp 30 Minuten. Die Luft im schmalen Kellerraum ist zum Schneiden, weil er gleichzeitig als Umkleidekabine und als Aufwärmraum genutzt wird. Die Luft steht, wirkt muffig.

Jokic - die gute Seele des Vereins

„Die Boxer müssen auf Temperaturen kommen“, sagt Jokic, der seit fünf Jahren zur Boxschule gehört. Er ist die gute Seele im Klub und verlangt schon beim Aufwärmen den deutlich jüngeren Sportlern alles ab. Seine Ansprache ist ruhig und sehr sachlich. Er legt Wert auf Menschlichkeit. Große Motivationssprüche fallen nicht – weder von Jokic noch von einem anderen Trainer. Boxer machen ihr eigenes Ding und verlassen sich auf ihre eigenen Stärken. Eine hohe Selbstdisziplin setzt man in der Boxschule Blindert voraus.

An den Feinheiten der Technik, der Kondition und an der Schlagkraft wird nahezu täglich gearbeitet. Daniel Blinderts Leitspruch „Kämpfe mit Leidenschaft, siege mit Stolz, verliere mit Respekt, aber gib niemals auf“ haben die Boxer verinnerlicht.

Volle Konzentration vor dem Kampf: Ardian Avdullahu.

Während Nachwuchshoffnung Zeller bereits gepusht wird, vergräbt Avdullahu das Gesicht in seinen Händen. Neben ihm sitzt relativ relaxt Jan Milka, der erst im drittletzten Kampf des Abends antritt. Auch Milka steht vor seinem Boxdebüt und lenkt sich mit Musik und Spaziergängen ab. Auch ihn prägen die in der Boxschule vermittelten Werte: „Verlieren? Ja, heute Abend kann ich den Kampf verlieren, aber gewinnen werde ich an Erfahrung. Und das wird mich einen Schritt nach vorn bringen.“

Dann wird es Zeit für den ersten Kampf. Jason Zeller wird von fünf Leuten über das graue Treppenhaus zum Ring geleitet. Mit den vom Veranstalter gestellten Boxhandschuhen, die ein in Europa zugelassenes Gesamtgewicht von 283,5 Gramm haben, betritt das Nachwuchstalent den Ring. Seinen Gegner kennt er nicht, doch das scheint ihn ohnehin nicht zu interessieren. Im Kampf, der über drei mal zwei Minuten geht, ist neben dem Mundschutz auch der Kopfschutz Pflicht.

Kampf mit einer Dauer von 3x 2 Minuten

Der Gong ertönt. Die Kontrahenten bewegen sich aufeinander zu. Die ersten Schläge kommen und der Blindert-Schützling setzt einige schöne Treffer ab. Das sieht auch sein Trainerteam und motiviert ihn dranzubleiben. „Bleib locker. Beweg dich nach den Schlägen raus. Halte deine Deckung oben“, kommt es kurz aber zielgerichtet aus der blauen Ecke.

Nach dem ersten Gong springt Trainer Jokic in den Ring, während Benny Blindert dem ruhig wirkenden Zeller die Wasserflasche an den Mund führt. Ein paar Schluck, ein bisschen Wind mithilfe eines Handtuchs und ein paar motivierende Worte. In den 60 Sekunden Pause zwischen den Runden werden eigene Defizite angesprochen und auf die Schwächen des Gegners eingegangen.

Wie viel davon ankommt? Spekulation! Boxer müssen kurzfristig eine neue Strategie entwickeln und das gelingt. In Runde zwei und drei dominiert Zeller seinen Gegner und lässt dessen unorthodoxe Boxweise ins Leere laufen. Der 15-Jährige bleibt ruhig und zielstrebig. Er wird nach dem Kampf zum verdienten Sieger gekürt.

Zeller dominiert den Kampf und siegt

„Gut gemacht, Jason“, schreit jemand von der Tribüne. Von den Zuschauern gibt es Applaus. Schnell noch ein Siegerfoto. Das war es. Es geht hinunter in die Kabine und während sein Kampf analysiert wird, geht es bei den anderen Boxern schon in die Vorbereitungsphase. Nach dem Kampf ist vor dem Kampf.

Caleb Kuzmich wird der Fuß bandagiert, und für Ardian Avdullahu beginnt das Anschwitzen. Oliver Hoepfner aus dem Trainerstab versucht, dem Schwergewichtsboxer weiteren Druck zu nehmen. „Du musst die Sprüche von den Zuschauern und der gegnerischen Ecke ausblenden“, sagt der erfahrene Lehrmeister: „Nur deine Leistung zählt heute.“

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Avdullahus Fäuste sind stark – und sie sind schnell. Sie krachen mit hoher Frequenz auf die Pratzen ein. Von der Stirn fließt der Schweiß. Dann geht es endlich los. Während sein Gegner schon im Ring wartet, verliest der Ringsprecher den Namen des Kommerners. Neben vielen Vereinsmitgliedern haben auch Ardians Familie und Freunde den Weg in die Städteregion Aachen auf sich genommen.

In der ersten Runde steht mit der Nervosität ein weiterer Gegner im Ring. Er solle mehr auf Körpertreffer setzen, schallt es aus seiner Ecke. Der 22-Jährige beherzigt das und setzt seinem Gegner in Runde zwei und drei mehrmals heftig zu, sodass dieser nur noch klammert. Auch wenn man in der blauen Ecke gerne einen Knock-Out gesehen hätte, so überwiegt nach der Urteilsverkündung die Freude über den ersten Sieg im ersten Kampf. Und jetzt fällt auch beim Neuling die Last ab und ein sanftes Lächeln verlässt seine Lippen.

„Ich hätte ihn auf die Bretter schicken müssen“

„Geschafft und glücklich, aber ich hätte ihn auf die Bretter schicken müssen“, lautet das Fazit von Avdullahu. Die Analyse in der Kabine fällt spärlich aus. Hoepfner hat trotz guter Passagen viel Nervosität gesehen. Benny Blindert moniert, dass der „Gegner zwar zäh war“, Ardian aber nicht ganz das umgesetzt hat, was man sehen wollte.

Da wird man nun ansetzen in den kommenden Trainingseinheiten. Gegen Mitternacht ist dann auch endlich Jan Milka dran. In seinem ersten Boxkampf dauert es etwas, bis Milka sich auf einen sehr offensiv ausgerichteten Gegner eingestellt hat.

Boxschule Blindert

Die Boxschule Blindert wird von Daniel Blindert seit 2008 in Euskirchen geführt. Gesundheitsorientiertes Training sowie die Förderung von Teamgeist und Gemeinschaftsgefühl stehen dabei im Vordergrund. Ausgebildete Trainer kümmern sich mehrmals wöchentlich um die Mitglieder, unter denen sich auch viele Kinder und Frauen befinden. Weitere Informationen und Anmeldungen zum kostenlosen Training findet man auf der Homepage im Internet. (roc)

www.boxschule-blindert.de

Über eine saubere Boxlinie mit solider Deckung war es allerdings selten möglich den Kampfstil des Gegners zu durchbrechen. Zum Ende läuft es für Milka besser, an einer knappen Niederlage ändert dies aber nichts mehr. Für Caleb Kutzmich lief es zuvor besser. Er konnte auch seinen dritten Boxkampf souverän gewinnen und seine weiße Weste behalten.