Ein Damm aus Fels, Lehm, und SchotterIm Inneren der Rurtalsperre

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Kennt sich im Inneren der Staumauer gut aus: Bernhard Hüpgen ist Talsperrenwärter an der Rurtalsperre.

  • Im Rahmen der „Sternenwoche“ der Rureifel-Touristik ging es 77 Meter tief ins Innere der Rurtalsperre in Heimbach-Schwammenauel.
  • 500 Stufen hinab und 500 Stufen wieder hoch müssen die 32 Teilnehmer der Führung.
  • Einiges gelernt haben die Teilnehmer aber trotzdem über die zweitgrößte Talsperre Deutschlands. Zum Beispiel, dass sie sich bewegt, bis zu 40 Zentimeter pro Jahr.

Heimbach-Schwammenauel – Ganz ohne Sterne ist diese besondere abendliche Führung zur „Sternenwoche“ der Rureifel-Touristik: Es geht 77 Meter tief ins Innere der zweitgrößten Talsperre Deutschlands, der Rurtalsperre des Wasserverbands Eifel-Rur (WVER) – 1000 Stufen!

Die 32 Teilnehmer der Führung stöhnen kurz auf, als Talsperrenwärter Bernhard Hüpgen ankündigt, was auf sie zukommen wird. Nicht nur, dass sie in den kommenden rund 40 Minuten garantiert keine Sterne sehen werden – es geht auch noch 500 Stufen hinab und dann wieder 500 Stufen hinauf. Dazwischen liegen 300 Meter auf Höhe der Grundsohle in 77 Metern Tiefe. Dort unten ist der Kontrollgang unter der Herdmauer, einem Stützbauwerk. Die sei, so Hüpgen zum Konstruktionsprinzip, „locker zwischen den Dichtungskern und gestampften Felsausbruch und Talschotter gestellt.“

So hat man beim ersten Ausbau der Talsperre zwischen 1934 und 1938 ganz unten im Bauwerk die Stabilität hergestellt. Besucher sollten nicht daran denken, dass auf der Wasserseite theoretisch an die 200 Millionen Kubikmeter Wasser sind – für Laien ist das ohnehin nicht mehr vorstellbar. Erst sanft geneigt, dann steil bergab geht es nach dem Einstieg durch eine kleine Tür im Vorraum des Info-Pavillons auf der Damm-Seite des Landal-Ferienparks.

Sperre bewegt sich 40 Zentimeter im Jahr

Treppen führen mal in kurzen, mal in längeren Abschnitten durch Röhren hinunter Richtung Kontrollgang. Es wird kühler und feuchter. An der Seite läuft in einer Rinne ein stärker werdendes Rinnsaal: Grundwasser aus dem Fels im Untergrund des Bauwerks, das hochgepumpt wird. „Hier ist alles im Eimer“, sagt Robert Stamm aus Strauch lachend, der mit seiner Mutter zur Führung gekommen ist. Er deutet auf einen Stahleimer, der am Haken über dem Rinnsal und Mess-Apparaturen hängt.

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Geschichte in der Talsperre: „J.H.“ verewigte sich am 1. März 1938, dem Jahr der Fertigstellung.

Ein Liter Wasser passt bis zur Messmarke hinein – es ist eine ergänzende Kontrolle des Grundwasser-Durchflusses. In der Betonröhre, jetzt auf halber Strecke des 300 Meter langen, ebenen Kontrollgangs, wird auch offenbar, dass sich das über den Besuchern türmende Bauwerk bewegt. „Bis zu 40 Zentimeter pro Jahr“, so Hüpgen.

Ein Damm aus Fels, Lehm, und Schotter verhält sich eben anders als eine Mauer: Er setzt sich. Nach unten, zur Seite. Alles sei im Normbereich, berichtet Hüpgen. Er deutet auf zwei von 14 an sieben Stellen von der Dammkrone bis wenige Zentimeter über auf den Boden hängende Maurerpendel. Sie pendeln unmerklich über auf dem Boden angebrachte Skalen. Jeweils im Doppel wird kontrolliert, je ein Pendel ist zudem elektrifiziert.

Fledermäuse lösen Fehlalarm aus

Ab und zu lösen diese Pendel Alarm aus, so der Talsperrenwärter. Wenn er dann zu einem Kontrollgang hinunter eilt, weiß er doch aus Erfahrung, dass es ein Fehlalarm sein muss: Eine der Staudamm-Fledermäuse hat es sich dann wieder auf der Messanlage kurz gemütlich gemacht. Und wenn nicht?

Je nach Außenwitterung herrscht hier unten sogar Nebel, dann sollte Bernhard Hüpgen besser auswendig wissen, wo in diesem treppauf und treppab von der Decke aus Zement mittlerweile Stalaktiten ragen – zugegeben, sie sind noch nicht lang genug, um für eine Verletzung infrage zu kommen. Ihr Gegenstück auf dem Boden, die Stalagmiten, allerdings können Stolperfallen sein. 

Nach gut 40 Minuten kommt die Besuchergruppe über den Ausgang des noch aus den 1930er Jahren stammenden Wärterhäuschens wieder ans Tageslicht, jetzt auf der Luftseite, also Rur abwärts Richtung Heimbach. Unter der Wasseroberfläche der steil aufragenden Wand hinter den Teilnehmern werden zeitgleich um die fünf bis elf Kubikmeter Wasser pro Sekunde kontrolliert in die Rur abgegeben.

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Und Sterne sieht man am Ende dieser abendlichen Veranstaltung der „Sternenwoche“ immer noch nicht: Es ist bewölkt und es regnet. Hochwasserschutz, die Trinkwasserversorgung für die Region Aachen, der Freizeitwert der neuen Seenlandschaft – das waren Motive für den Bau des Talsperrenverbundes, dessen ältestes Sperrwerk die Urftstaumauer ist, die 1905 eröffnet wurde.

Der wichtigste Grund für den Bau des Rurstaudamms war neben der günstigen Stromgewinnung dank Wasserkraft die jahreszeiten-unabhängige, gleichbleibende Versorgung der Industrie im Düren-Jülicher Raum mit Wasser. Dafür wurden 1958 das Dorf Pleushütte gegenüber von Einruhr sowie der Weiler Weidenau geflutet und die Bewohner umgesiedelt.

„Das hier“, hatte Bernhard Hüpgen vor dem Einstieg 500 Stufen hinab ins Innere der Rurtalsperre festgestellt, „ist der Endausbau der Talsperren in der Eifel für alle Zeiten. Wir sind ja nicht in China, wo die Leute für eine neue Talsperre ihre Heimat verlieren.“ Den Hinweis, dass dieses Schicksal auch einmal Bauern in der Rureifel erlitten haben, machte er nicht.  

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