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Aufbau nach FlutNRW-Ministerin Scharrenbach würdigt in Euskirchen Leistung der Handwerker

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Die Euskirchener Innenstadt ist eine einzige Baustelle. Hier wird neues Pflaster verlegt. An der Baustelle, in der ein Kleinbagger steht, spricht Ina Scharrenbach mit der Praktikantin der Baufirma.

NRW-Ministerin Ina Scharrenbach sprach in der Euskirchener Innenstadt mit Bau-Praktikantin Stefanie Wolter von der Firma Balter.

Mit Vertretern der Kölner Handwerkskammer und des Westdeutschen Handwerkskammertags besuchte Ina Scharrenbach Aufbauprojekte in Euskirchen.  

Beim Schlammschippen und Aufräumen nach der Flutkatastrophe am 14./15. Juli 2021 waren es Scharen von freiwilligen Helfern, die mit ihren Eimern und Schaufeln den Menschen in den Flutgebieten beistanden. Beim Wiederaufbau waren es aber von Beginn an die Handwerker, ohne die hart getroffene Städte wie Euskirchen, Bad Münstereifel oder Schleiden heute, zwei Jahre nach der Flut, nicht da wären, wo sie sind.

Von der ersten Minute an waren die Handwerker der Region zur Stelle, halfen unermüdlich da, wo die Not am größten und ihr handwerkliches Können am wichtigsten war. Viele anfangs in ehrenamtlicher Nothilfe. „Und abends kümmerten sie sich dann um ihren eigenen Betrieb, der abgesoffen war und wieder in Gang gebracht werden musste“, sagt Dr. Florian Hartmann, Hauptgeschäftsführer des Westdeutschen Handwerkskammertags.

Wie haben die Handwerksbetriebe die Flut und die Zeit danach erlebt?

NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach, Florian Hartmann und Garrelt Duin, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Köln, haben sich zum zweiten Jahrestag zu einem Besuch in den Flutgebieten von Rheinbach, Erftstadt und Euskirchen angesagt. Sie wollen sich ein Bild davon machen, wie fortgeschritten die Arbeiten sind. Und von betroffenen Handwerksbetrieben hören, wie sie die Nacht der Katastrophe und die zwei Jahre danach erlebt haben.

In Euskirchen wird die Besuchergruppe vom Ersten Beigeordneten Alfred Jaax und Landrat Markus Ramers in Empfang genommen und durch die Innenstadt geführt. Die ist in der Tat eine einzige große Baustelle, was allerdings nur indirekt mit der Flut zu tun hat. Aktuell wird hier das Pflaster erneuert.

Innenstadtbesucher schieben sich in Euskirchen an Baugruben vorbei

Bei der Beseitigung der Flutschäden hat die Stadt bewusst auf diese Pflastererneuerung verzichtet, um nach der Katastrophe schnellstmöglich wieder Leben in die Stadt zu bringen. Und so den Geschäften zu helfen, die in einer Kraftanstrengung schnell wieder am Start und auf Kundenfrequenz angewiesen waren.

Wenn man sieht, wie sich jetzt die Innenstadtbesucher an den Baugruben vorbeischieben, um die Läden zu erreichen, liegt eine Frage nahe. Ina Scharrenbach will sie eigentlich Christian Lange vom gleichnamigen Schuhhaus stellen, der zu den ersten gehörte, die nach der Flut ihr Geschäft in der Innenstadt wieder aufgemacht haben. Doch Lange ist im Kundengespräch, hat keine Zeit für die Ministerin.

Die stellt ihre Frage daher einem Polizeibeamten, der ihr zufällig begegnet. „Wie ist denn die Stimmung in der Stadt? Sind die Leute ungeduldig? Der Baustellen überdrüssig?“

Polizeihauptkommissar Roger Kath ist als Bezirksdienstbeamter ständig in der Stadt unterwegs und spricht viel mit den Menschen: „Hach. Das wird eher positiv von den Leuten gesehen. Die sehen ja, dass es vorangeht.“ Genau das soll auch die Botschaft sein, die die Besuchergruppe vermitteln will. Scharrenbach: „Es geht jeden Tag ein Stück mehr voran.“

Mehr als eine Milliarde Euro ist in den Kreis Euskirchen geflossen

Das bestätigt auch Landrat Markus Ramers: Wie schnell das Leben zurückgekehrt sei, das habe er vor zwei Jahren angesichts der Zerstörungen in den Ortschaften nicht für möglich gehalten.

Von den 3,1 Milliarden Euro, die bisher für den Wiederaufbau bewilligt wurden, sei mehr als eine Milliarde in den Kreis Euskirchen geflossen, sagt die NRW-Ministerin nach der Tour durch die Stadt in einer Pressekonferenz.

Sie würdigt den Anteil, den das Handwerk am Wiederaufbau hat: „Mit Mut, Machertum und Kreativität hilft unser Handwerk tagtäglich beim Wiederaufbau in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten. Mit der Initiative „Handwerk im Wiederaufbau“ hätten Landesregierung und Westdeutscher Handwerkskammertag die Unterstützung für den Wiederaufbau um einen wichtigen Baustein erweitert.

Was das konkret bedeutet, erläutern Duin, Hartmann und Projektkoordinator Marius Siebenhaar in der Pressekonferenz, nachdem Marienschulleiter Michael Mombaur ihnen zuvor gezeigt hat, wie fortgeschritten die Sanierungsarbeiten in dem von der Flut hart getroffenen Gymnasium sind.

Handwerker waren in der Flutregion direkt nach der Katastrophe allein wegen des Ausmaßes der Schäden knapp. In dieser Situation wurde für den Wiederaufbau die Handwerksplattform www.handwerk-baut-auf.de ins Leben gerufen.

Auf diesem Handwerkermarktplatz sind mittlerweile mehr als 1900 Betriebe registriert. Und die stammen beileibe nicht nur aus der Region. Ein Drittel davon, exakt 675 Betriebe, so Siebenhaar, kommt von außerhalb des Postleitzahlenbereichs „5“ und aus dem ganzen Bundesgebiet. Und der Bedarf an Handwerkern ist nach wie vor groß: Rund 45 Menschen rufen die Seite tagtäglich auf.

Mit Mut, Machertum und Kreativität hilft unser Handwerk tagtäglich beim Wiederaufbau in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten.
INa Scharrenbach, NRW-Heimatministerin

Ins Leben gerufen von der Handwerkskammer Koblenz, wird die Plattform inzwischen als gemeinsames Pilotprojekt der Kammern Koblenz und Köln stetig ausgebaut und weiterentwickelt. Sie könnte auch nach kommenden Naturkatastrophen zum Einsatz kommen.

„Es ist wichtig, dass die Flutkatastrophe nicht in Vergessenheit gerät. Denn auch nach zwei Jahren ist der Wiederaufbau nicht abgeschlossen. Mit der Handwerksplattform ist ein Instrument geschaffen worden, mit dem langfristig auf unbürokratischem Wege Handwerksbetriebe und Sachverständige von nah und fern an Flutbetroffene für Wiederaufbaumaßnahmen vermittelt werden können. Vielleicht kann unsere Plattform auch eine Blaupause für die Zukunft sein“, sagt Florian Hartmann.

Doch auch aus Sicht der Handwerkerschaft läuft beim Wiederaufbau längst nicht alles rund. Es gibt auch Probleme. Direkt nach der Flut seien ja viele Betriebe selbst betroffen gewesen. In vielen Fällen hätten Handwerkskollegen diesen dabei geholfen, wieder auf die Beine zu kommen, sagt Garrelt Duin.

Duin macht auf Nachfragen aber auch keinen Hehl daraus, dass aus seiner Sicht beim Wiederaufbau vieles schneller gehen könne, wenn rechtliche Vorgaben bei der Planung und bei der Vergabe von Aufträgen nicht bremsten. Und ansonsten habe das Handwerk die gleichen Probleme zu lösen wie andere Wirtschaftssektoren auch: etwa den Fachkräftemangel.

Da habe sich die Situation aber etwas gebessert. Er habe darüber jetzt mit einem Bauunternehmer gesprochen. Der habe gesagt, dass er durch den sich abkühlenden Bausektor jetzt wieder in einer Zwei-Monatsfrist plane können. Vorher habe seine Antwort gelautet: „Ich komme in einem Jahr.“

Was überall im Handwerk dränge, sei hier in der Region ein besonderes Problem. Materialengpässe und damit einhergehend „Mondpreise“ seien in den zwei Jahren nach der Katastrophe durchaus hemmende Faktoren gewesen.

Und es habe gerade in der Phase nach der Flut auch „schwarze Schafe“ gegeben, die glaubten, „schnell Kohle machen zu können“, tatsächlich aber nicht in der Lage gewesen seien, die Aufträge zu erledigen. Und Kunden mit offenen Baustellen zurückgelassen haben. Umso wichtiger sei es, so Duin, Betriebe zu wählen, die in der Handwerkskammer registriert seien.


Zwei Jahre nach der Flutkatastrophe

Zum zweiten Jahrestag der Flutkatastrophe hat Ina Scharrenbach, NRW-Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, Bilanz gezogen.

Scharrenbach: „In Zeiten großer Not stand Nordrhein-Westfalen zusammen: Zigtausend ehrenamtliche Helferinnen und Helfer – auch über die Landesgrenzen hinweg – kamen, um den Menschen zu helfen, die von der größten Naturkatastrophe in unserem Bundesland betroffen waren. Nach zwei Jahren haben wir es dank des großen Zusammenhalts und des gemeinsamen Anpackens geschafft, die betroffenen Regionen zu einem großen Teil wiederaufzubauen.“

Rund 3,1 Milliarden Euro seien insgesamt bereits bewilligt worden für die kommunale Infrastruktur, Unternehmen der Wohnungswirtschaft und Privathaushalte. Rund 25 000 Anträge von privat geschädigten Menschen lägen vor, von denen mehr als 92 Prozent abschließend bearbeitet sind. Bewilligt worden seien bisher rund 715,6 Millionen Euro, von denen rund 552 Millionen Euro an die Geschädigten ausgezahlt worden seien.

Für die Wiederherstellung der Infrastruktur in den Kommunen seien rund 2,4 Milliarden Euro bewilligt. Die Gelder dienten dem Wiederaufbau von Kindertagesstätten, Feuerwehrhäusern, Schulen, Straßen oder Brücken.

Da etliche Menschen noch keinen Antrag auf Wiederaufbauhilfe gestellt haben, verlängert die Landesregierung Nordrhein-Westfalen die Antragsfrist für Wiederaufbauförderung auf den 30. Juni 2026 und die Bewilligungsfrist auf den 31. Dezember 2030.

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