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Euskirchener StadtarchivHundekekse, Marmelade und alte Urkunden

Lesezeit 4 Minuten

Zeigen die Kuriositäten aus dem Euskirchener Stadtarchiv: Jacqueline Dartenne mit Rheinobst, Dr. Gabriele Rünger mit dem Latz-Welpenbrot und Sabine Dünnwald mit dem Koffer der Hebamme Agnes Deutschbein.

Euskirchen – Das für Dr. Rünger bedeutendste Bild scheint auf den ersten Blick gar nicht so besonders zu sein. Es stammt aus dem Jahr 1938 und ist vielen Euskirchenern bekannt, schließlich wurde es schon oft gezeigt. Aus einem Fenster an der Annaturmstraße wurde am 10. November fotografiert, wie die jüdische Synagoge brennt und viele Menschen davor stehen. Ein Bild, wie viele andere aus der Zeit der Nazidiktatur? „Es ist besonders, weil jemand den Mut hatte, die brennende Synagoge und das zuschauende Volk zu fotografieren“, berichtet Dr. Rünger. Denn es gibt nur noch zwischen 20 und 30 Bilder von Synangogenbränden in Deutschland, sowie zwei Filmdokumente. Die Aufnahme aus Euskirchen wurde gar im ARD-Fernsehen in einer Dokumentation ausgestrahlt.

Das wichtigste Schriftstück im Besitz des Archivs ist natürlich die Stadturkunde, mit der Walram VIII. von Monschau-Falkenburg Euskirchen 1302 die Stadtrechte verlieh. Vorzeigen kann die Archivleiterin die Urkunde derzeit aber nicht. Sie befindet sich im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf und wird dort auf Mikrofilm gebannt.

Doch die Geschichte, wie diese Urkunde 1958 wieder in den Besitz der Stadt kam, ist ziemlich kurios. „Das wird mein Beitrag für das Kreisjahrbuch 2013“, verrät Dr. Rünger. „Anfang des 19. Jahrhunderts versuchte man, die Urkunde zu erforschen.“ Der Fachmann dafür sei damals der Kölner Franz Ferdinand Wallraf gewesen, dem die Urkunde deshalb geliehen wurde. „Aber Wallraf war ein großer Sammler. Das ganze Haus soll voll gewesen sein.“ Wallraf vergaß, die Urkunde zurückzugeben, so dass sie nach seinem Tod mitsamt Wallrafs Nachlass im Besitz des Historischen Archivs Köln landete.

„Damit lag die Stadturkunde Euskirchens, das eigentlich zum Herzogtum Jülich gehörte, im einstigen Feindesland“, scherzt die Historikerin. Im Tausch gegen drei Bände des Jubiläumsbuchs zur 650-Jahr-Feier der Stadt Euskirchen gelang es Josef Franke, die Urkunde 1958 wieder nach Euskirchen zurückzuholen.

Besonders interessant und teils auch kurios sind die Archivalien, die den Alltag der Euskirchener widerspiegeln. Das fängt bei der Geburt an. Zwischen 1927 und 1968 holte die Hebamme Agnes Deutschbein rund 13 000 Euskirchener Babys auf die Welt.

Koffer der Hebamme Agnes Deutschbein

Der schwarze Lederkoffer, den die Euskirchener Legende dabei hatte, gehört samt Inventar zum Bestand des Stadtarchivs. Ihre Nichte überließ Gegenstände aus dem Nachlass der Hebamme Stadtarchiv und –museum. So auch das Moped, mit dem Agnes Deutschbein auf Hausbesuche fuhr. Der Legende nach soll man die Euskirchener an ihrem Bauchnabel erkennen. „Agnes Deutschbein soll eine bestimmte Technik gehabt haben, die Nabelschnur zu durchtrennen“, führt Dr. Rünger aus. Ebenso wie der Name Agnes Deutschbein wird das „Rheinobst“ vielen Euskirchenern noch ein Begriff sein. Von 1923, als das Unternehmen an der Gansweide angemeldet wurde, bis zum Konkurs 1957 produzierte die „Obst- und Konservenfabrik Austmeyer und Inhoffen“ eimerweise Obst und Marmelade. Ein Konserveneimer samt 11,5 Kilo Inhalt gehört zu den Beständen des Archivs.

Dokumentiert ist auch die Zeit, als die Euskirchener Hundekuchen noch nicht von der Firma „Nestlé Purina PetCare“, sondern schlicht von „Latz“ hergestellt wurden. Etwa mit einer grünen Pappschachtel, die einst „Welpenbrot“ mit Lebertranzusatz für eine D-Mark enthielt – laut Aufschrift übrigens „auch für säugende Hündinnen“ geeignet.

Vor allem verwahrt das Archiv aber Papiere jeglicher Art. Das Abschlusszeugnis des späteren Reichstags-Vizepräsidenten Thomas Eßer findet sich hier und bezeugt, dass er ein guter Schüler war, denn ausschließlich die Noten „gut“ und „sehr gut“ sind auf dem Zeugnis verzeichnet. Lediglich im Turnen und in der Obstbaumzucht wurden ihm nur „genügende“ Fertigkeiten bestätigt. Eine andere Urkunde ist von Kaiser Wilhelm unterschrieben. Mit ihr benannte der Kaiser den Euskirchener Hotelier Cornel Joisten zum Hoflieferanten. „Ich habe aber nie rausgefunden, welche Leckerei Joisten an den Kaiser geliefert hat“, bedauert Dr. Rünger.

Besonders gefällt der Archivleiterin ein Atlas, der in der Bibliothek des Progymnasiums stand. „Das war der Vorläufer des späteren Jungengymnasiums“, erklärt sie. Das Buch besteht aus 173 kolorierten Kupferstichkarten, die 1689 zum Atlas gebunden wurden. So kann man die Südküste Amerikas auf Papier erkunden, während der Osten des Kontinents weitgehend unbekannt war. „Die älteste der Karten stammt aus dem Jahre 1595 und zeigt Marokko“, erzählt Dr. Gabriele Rünger. „In zwei bis drei Monaten kann ich sagen, alle Akten aus dem Archiv einmal in der Hand gehabt zu haben.“ Denn derzeit werden die Papiere in neue, schwer entflammbare Kisten verpackt. Seit geraumer Zeit, so die Archiv- und Museumsleiterin, erfreue sich die private Ahnenforschung, die mittels des Personenstandsregisters des Stadtarchivs möglich ist, großer Beliebtheit. Deshalb bieten die Mitarbeiter des Euskirchener Stadtarchivs am 20. September 2012 einen Workshop zur Ahnenforschung an.