StolpersteineJüdischer Arbeitskreis fordert allgemeine Erlaubnis für Verlegung

Zahlreiche Hellenthaler unterstützten Gunther Demnig bei der Verlegung von Stolpersteinen im Gedenken an die von den Nazis ermordeten Juden.
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Hellenthal – Noch immer ist das Thema der Stolpersteinverlegung in Hellenthal in der Lage, Gemüter zu erregen. Das von Bernward Micken zum Beispiel. „Was muss denn noch passieren, damit wir sagen: ,Wehret den Anfängen’“, schimpft er. Es sind Zitate einiger AfD-Politikern, die Sorge um die bestehenden Verhältnisse wecken.
„Wir müssen ganz friedlich und überlegt vorgehen, uns gegebenenfalls anpassen und dem Gegner Honig ums Maul schmieren, aber wenn wir endlich soweit sind, dann stellen wir sie alle an die Wand“, schrieb zum Beispiel der einstige Vize-Fraktionsvorsitzende der AfD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Holger Arppe, 2015 in einem Facebook-Chat – Äußerungen, wegen der er mittlerweile zurückgetreten musste und auch die Partei verlassen hat.
Kleine Einschränkung mit Folgen
Doch für Micken und seine Mitstreiter von „Juden im Tal Hellenthal“ (JudiT.H), dem Arbeitskreis, der sich um die Aufarbeitung der Schicksale der einst in Hellenthal lebenden Juden kümmert, sind diese und weitere Äußerungen Alarmsignale, die in ihnen die wehrhaften Demokraten wachrufen.
Wie schnell eine Zivilgesellschaft ins Kippen geraten könne, habe man gesehen, als die noch 1931 in Hellenthal unbedeutenden Nazis 1933 bereits die Macht übernommen hätten. „De facto werden in Hellenthal nur Stolpersteine verlegt, wenn auch die Rechten zustimmen“, kritisiert Micken. Denn im September 2013 beschloss der Rat der Gemeinde, wie es im Beschluss heißt, „mit dem Projekt Stolpersteine an die Opfer von nationalsozialistischer Gewalt zu erinnern und auf gemeindeeigenen Gehwegen Stolpersteine des Künstlers Günter Demnig zu verlegen, soweit die angrenzenden Grundstückseigentümer hiermit einverstanden sind.“
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Es ist die kleine Einschränkung, die Folgen für das Gedenken an die Opfer der Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime hat. Sowohl in der evangelischen wie auch der katholischen Kirche warten derzeit Stolpersteine im „Kirchenasyl“ darauf, dass Besitzer von zwei Immobilien ihre Meinung ändern. Denn sie hatten der Verlegung widersprochen.
Keine rechte Gesinnung
Über die Gründe wurde nie öffentlich gesprochen. Rechte Gesinnung sei es nicht, da ist sich der evangelische Pfarrer Oliver Joswig sicher. „In einem Fall wurden sogar die Angehörigen der Opfer, die zu der Verlegung angereist waren, durch das Haus geführt“, erinnert er sich.
Im anderen Fall herrscht zumindest bei JudiT.H Ratlosigkeit. „Wir können nur mit denen reden, die gesprächsbereit sind“, sagt Karl Reger, Sprecher des Arbeitskreises. Und es sei ihm klar gemacht worden, dass diese Hausbewohner nicht reden wollten. „Wir wollen nicht auf diese Menschen zeigen, wir kennen ja nicht die Gründe“, betont Reger. Doch die Situation sei nur durch den Ratsbeschluss entstanden, dass die Einwilligung vorliegen müsse.
Denn die Verlegung der Stolpersteine ist mit großem Aufwand verbunden. Abgesehen von der Recherche und den Investitionen für die Steine gehören dazu auch die Einladungen für die Angehörigen, die regelmäßig kommen, wenn Gunther Demnig die Steine in den Gehweg einlässt. Sie würden aus Mexiko, Australien oder USA anreisen. „Die scheuen keine Kosten und Mühen, das hat eine Bedeutung für die Nachfahren“, sagt Micken.
„Wir haben noch etwa 60 Stolpersteine, die wir verlegen könnten“, überschlägt Micken die Zahl der noch nicht benannten Opfer der Nazi-Zeit in Hellenthal. Und dann gäbe es noch die Euthanasieopfer und Zwangsarbeiter. Doch angesichts der unsicheren Rechtslage sei es schwierig, Sponsoren für die Steine zu finden.
Reaktionen enttäuschend
„Entscheidend ist es, noch einmal ins Gespräch zu kommen“, so Joswig. Deshalb hat der Arbeitskreis JudiT.H die Ratsfraktionen angeschrieben, um eine Änderung des Beschlusses anzuregen. Doch die Reaktion sei enttäuschend gewesen. Teilweise sei die Antwort ablehnend gewesen, teilweise sei die Anfrage ignoriert worden. „In meinem Demokratieverständnis vertrete ich nicht nur meine Meinung, sondern auch die aller Hellenthaler“, verteidigt Barbara Wand (CDU) , die schon mehrere Verlegungen begleitete, den damaligen Beschluss.
Es sei wichtig ein offenes Ohr zu behalten, gesprächsbereit zu sein und immer zu bleiben. „Eine Wertung steht mir nicht zu, die Menschen haben alle ihre Hintergründe.“ Eine andere Meinung vertritt Bürgermeister Rudolf Westerburg, auch wenn für seine Arbeit der Ratsbeschluss von 2013 die Grundlage darstellt. „Im öffentlichen Raum muss es hingenommen werden, wenn Stolpersteine verlegt werden“, ist seine persönliche Ansicht. Niemand werde denunziert oder zu Sachbeschädigungen angeregt.
„Es gehört zu der Geschichte des Ortes“, betont er. Das Gespräch mit den Anwohnern sowie deren Einwilligung sollte gesucht werden, aber falls der Betreffende nicht wolle, sei das öffentliche Interesse größer. Vielleicht, so hofft Pfarrer Joswig, könnte die Filmvorführung am Sonntag Gelegenheit für weitere Diskussion bieten. „Rheinbach hat seinen negativen Beschluss über die Stolpersteine revidiert“, hofft Reger immer noch auf eine Meinungsänderung.