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„Ein Gefühl der Leere“Trappistinnen verlassen nach 69 Jahren Heimatkloster bei Dahlem

Lesezeit 6 Minuten
Steinfeld-Trappistinnen (3)

„Darin sind Lieder, die 1000 Jahre alt sind.“ Äbtissin Schwester Gratia blättert in einem der großen Antiphone.

Kall-Steinfeld – Nach 69 Jahren hat der Konvent der Trappistinnen von Maria Frieden oberhalb von Dahlem endgültig seine Klausur geschlossen und die Abtei am 22. Juni verlassen. Äbtissin Schwester Gratia, neun Mitschwestern und zwei ältere Eremitinnen ihres Ordens haben ihre Koffer gepackt und sind in das 2019 verlassene kleine Kloster der Benediktinerinnen am Kloster Steinfeld umgezogen. Dort bieten ihnen die Kloster Steinfeld GmbH und die Salvatorianer ein neues Zuhause.

„Es war ein Gefühl der Leere.“ Äbtissin Schwester Gratia sitzt im kleinen Tagesbesuchszimmer des ehemaligen Benediktinerinnenklosters. Es dauerte dreieinhalb Tage. Dann waren die zehn Schwestern und zwei zugezogene Eremitinnen vom Bodensee, die aufgrund ihres Alters eine Betreuung in einer Schwesterngemeinschaft brauchen, umgezogen. Mit ihnen ihr Hab und Gut: dem wesentlichen Teil der großen Bibliothek, der Werkstatt für handwerkliche Arbeiten, dem Hausrat und anderem mehr. Nach 69 Jahren hatten die Trappistinnen Maria Frieden verlassen.

Schwester Gabriele ist Gründungsmitglied von Maria Frieden

Es habe in den ersten Tagen nach dem Umzug ein Gefühl der Freude, danach der Ernüchterung, auch der Trauer über das Aufgegebene geherrscht, beschreibt Äbtissin Sr. Gratia die Gefühlsschwankungen unter den zwischen 55 und 94 Jahre alten Schwestern. Nun sei man dabei, sich wieder zu finden.

Für wen ist es einfach, die Heimat aufzugeben und ein neues Zuhause zu finden? Schwester Gabriele, 94 Jahre alt, ist die letzte noch Lebende des Gründungskonvents von Maria Frieden, der 1953 die Abtei oberhalb von Dahlem bezogen hatte. „Aber wir sind auch froh, dass wir den ganzen Apparat der großen Abtei jetzt nicht mehr am Hals haben“, sagt Schwester Gratia. Dafür allerdings sind die Trappistinnen nun nicht mehr Eigentümerinnen einer weitläufigen Klosteranlage, sondern Mieterinnen in einem Kloster, dessen Klausur ein Viertel so groß ist wie die von Maria Frieden, so die Äbtissin. Die „christliche Miete“ bezahlen sie an die Kloster Steinfeld GmbH. Doch was wäre die Alternative gewesen?

Die Kosten für die Unterhaltung von Maria Frieden waren am Ende zu hoch und die Einnahmen aus dem Verkauf von selbst hergestellten Produkten oder aus der Pacht landwirtschaftlicher Flächen einfach zu gering. Im kleinen Tagesgästebesuchsraum hat Schwester Gratia einen festen Blick: „Als wir dann dieses Angebot von Herrn Scheidtweiler und den Salvatorianern von Steinfeld bekamen, waren wir sehr dankbar!“

Die neuen Besitzer

In wenigen Wochen beginnt der Rheinische Verein als neuer Besitzer von Maria Frieden mit den Umbauarbeiten des ehemaligen Trappistinnenklosters oberhalb von Dahlem. Der Verein will hier einen Wohn- und Arbeitsort für obdachlose Frauen schaffen, offiziell als Außenstelle des Vellerhofs bei Hüngersdorf.

 Man sei froh, dass mit dieser Nachnutzung eine Lösung „ganz in unserem Sinne“ gefunden worden sei, so Äbtissin Schwester Gratia. Ab dem kommenden Jahr soll demnach das neue Wohn- und Betreuungsangebot gestartet werden.

 Für die Dahlemer Bevölkerung, die sich ja auch an das Fehlen des Ordens am nahen Waldrand nach 69 Jahren gewöhnen muss, soll in Maria Frieden zugleich ein neuer Ort der Begegnung geschaffen werden. (sli)

Und das neue Zuhause wurde den Schwestern ja auch frisch renoviert übergeben. Kleinere Restarbeiten müssen in den Gemeinschaftsräumen zwar noch erledigt werden, und bis Jahresende sollen das Dach neu beschiefert und ein Aufzug ergänzend zum etwas klapprigen Treppenlift eingebaut sein. Doch schon jetzt haben die Trappistinnen am neuen Ort alles, was es für eine Klausur braucht.

Kirchenglocke kann nicht immer läuten

Die bis 2019 hier lebenden Benediktinerinnen hatten ja ähnliche Ansprüche: Es gibt ein Zimmer für jede Schwester, sogar drei Räume für Novizinnen. Die Bibliothek ist mit wenigstens einem Drittel der alten Bestände bestückt, der Rest bleibt in Maria Frieden. Eine klösterliche Schreibwerkstatt – ein Skriptorium – mit den typischen schrägen Pulttischen ist eingerichtet. Der Kapitelsaal und das Refektorium für die gemeinsamen Mahlzeiten sind vorhanden, ebenso eine große Küche, die Werkstatt, ein Büroraum für die Äbtissin – und an der Gebäuderückseite ein Garten, der zum Teil auch von den Gästen des angrenzenden Gästehauses St. Benedikt, das zum Gästehaus Kloster Steinfeld gehört, genutzt werden kann.

Mit der Virgil um 4 Uhr am frühen Morgen bis zur Komplet um 19.25 Uhr ist nun der Klosteralltag strukturiert. Zu den sieben, über den Tag verteilten festen Gebetszeiten und zur heiligen Messe sollte eigentlich auch die Kirchenglocke geläutet werden. Man habe da allerdings nun Rücksicht auf die Übernachtungsgäste im Gästehaus St. Benedikt neben dem Kloster zu nehmen. Zudem passe das kleine Geläut von St. Mariä Heimsuchung leider auch akustisch nicht zu dem der Hauptkirche der GdG Steinfeld, der keine 500 Meter entfernten Basilika, hieß es. Also fügten sich die Trappistinnen: Zur Virgil um 4 Uhr, der Laudes um 7 Uhr, der Heiligen Messe um 7.30 Uhr und der Non zu mittäglichen 14.20 Uhr bleibt das kleine Geläut stumm oder ertönt nur versetzt.

Für Ordensfrau ist Umzug Gottes Wille

Das war vielleicht eine kleine Irritation zum Neustart des Konvents – doch viel Positives wog und wiegt das auf. Das Bistum Aachen etwa bewilligte die Seelsorge für die Schwesterngemeinschaft durch den Trappistenmönch P. Christian aus dem belgischen Kloster Sankt Sixtus. Die Kloster Steinfeld GmbH stellt ihm einen kleinen Zimmertrakt nahe der Klausur bereit. Auch dafür ist Äbtissin einfach nur dankbar: „Nehmen wir all die Unterstützung und Hilfe, die wir in den letzten Monaten erfahren haben, kann man eigentlich nur von einer Fügung sprechen“. Der Umzug nach Steinfeld, er war für die tief gläubige Ordensfrau am Ende schlicht Gottes Wille.

Und doch ist damit auch eine Prüfung verbunden, um in der Terminologie zu bleiben. Das zurückgezogene Leben des Konvents in Maria Frieden wurde eingetauscht gegen mehr Trubel in und um Kloster Steinfeld – alleine schon durch das baulich an die Klausur angrenzende Gästehaus St. Benedikt. Der Äbtissin ist das bewusst: „Einerseits braucht man für so ein kontemplatives Leben eine gewisse Zurückgezogenheit. Das geht nicht anders. Aber man muss auch für die Menschen ein gewisses Maß an Offenheit haben, sonst wird man zu eigenbrötlerisch“.

Neues Chorgestühl für Trappistinnen in Steinfeld

Öffnung nach außen besteht aber ja ohnehin durch die Notwendigkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen. „Wir werden Paramente nähen und bemalen, und Weihrauch herstellen“, so Schwester Gratia. Zudem soll selbst gebackener Kuchen über das Gästehaus Kloster Steinfeld verkauft werden.

Über einen Verbindungsgang, an dessen Wänden die Kreuzwegstationen des Klosters angebracht sind, ist schließlich der mit einem schmiedeeisernen Gitter abgetrennte, den Schwestern vorbehaltene Bereich der neoromanisch anmutenden Klosterkirche St. Mariä Heimsuchung erreichbar. „Herr Hoff vom Rheinischen Verein hat uns seinen Maler geschickt, der uns für kleines Geld die Kirche noch innen neu gestrichen hat“, ist Schwester Gratia dankbar. Der Konvent finanzierte zudem zum Einzug den Einbau eines neuen Chorgestühls. „Das alte war einfach zu eng, wir verbringen darin ja täglich vier Stunden“, so die Äbtissin.

Sie öffnet eines der schweren auf den Pulttischen des Chorgestühls ausliegenden Antiphone und blättert vorsichtig die schweren Seiten um. Das Mess- und Liturgiebuch ist Anfang des 20. Jahrhunderts gedruckt worden, die Vorlagen waren alte Handschriften. Die hier zu findenden geistlichen Lieder sind „bis zu 1000 Jahre alt“, so Schwester Gratia.

Es ist ein Blick zurück in eine auch in der Eifel alte Ordensgeschichte an einem Ort, der mindestens in der Nordeifel zu einem besonderen Zentrum geworden ist. In Kloster Steinfeld leben seit dem 23. Juni drei Ordensgemeinschaften: Salvatorianer, Salvatorianerinnen, und jetzt die Trappistinnen von Maria Frieden. Vergleichbares gibt es in der Region nicht.

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