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KarnevalWeg der Band „Kuhl un de Gäng“ führt steil nach oben

Lesezeit 4 Minuten

Keldenich/Köln – Bei „Kuhl un de Gäng“ herrscht dicke Luft im Tour-Bus, als sie in Mechernich ankommen. Gut 100 Auftritte hat das Sextett in dieser Session schon absolviert. Gut 20 kommen noch hinzu. Zu viel für die junge Band, die mit „Ich han dä Millowitsch jesinn“ in der vergangenen Session ihren Durchbruch feierte? Aschermittwoch noch vor Rosenmontag?

Mitnichten. Es ist vielmehr ein Butterbrot von Saxofonist Heinrich Fries, das für Unmut unter den anderen Bandmitgliedern sorgt. Fries hatte es mit Stinkkäse belegt. „Wir können uns auch kurz vor dem Ende einer Session noch riechen“, sagt Manuel Pickartz. Der Schlagzeuger aus Keldenich hat bei der Damensitzung in Mechernich praktisch ein Heimspiel und sitzt bei der Anfahrt auf dem Beifahrersitz.

„Das hat nichts mit dem Auftritt hier zu tun. Ich habe den besten Handyvertrag und darf mich deshalb während der Fahrt um die organisatorischen Dinge kümmern“, erklärt der 31-Jährige, der in der Mechernicher Dreifachturnhalle vor 15 Jahren seine erste Bühnenerfahrung sammelte. Die sechs Jungs genießen die Session, den Karneval und vor allem die Auftritte. „Wir sind allesamt Vollblutmusiker. Um das so zu erleben, haben wir alle Musik studiert“, sagt Sänger Michael Kuhl.

Anderthalb Stunden habe er für die textliche kölsche Anpassung von Christoffs „Ich hab Alan Delon gesehen“ auf das Kölner Original Willy Millowitsch gebraucht, erzählt er. Etwas Identitätsstiftendes habe er schaffen wollen. Es ist ihm gelungen, denn die 700 jecken Wiever in Mechernich verwandeln die Turnhalle in ein Tollhaus, als der Song angestimmt wird.

Auch auf der Bühne geht die Party ab. Die Bandmitglieder feiern in ihren grellbunten Maßanzügen schlichtweg eine „Kuhle“ Party. Die Herzen fliegen dabei vor allem Saxofonist Heinrich Fries zu. „Das hat nichts mit ihm zu tun, sondern nur mit seinem Instrument. Und wenn die Mädchen wüssten, dass er vor dem Auftritt noch Stinkkäse gegessen hat…“, sagt Sänger Michael Kuhl mit einem Augenzwinkern. Als Kopf der Band sieht sich der Namensgeber nicht. „Wir entscheiden alles demokratisch. Wir sind eine echte Einheit“, so Kuhl. Die Jungs nehmen sich vor, während und nach dem Auftritt gerne selbst aufs Korn – beliebtestes Opfer: Instrumentalpädagoge Fries. Doch das Sextett kann auch anders.

„Die Blindensitzung im Ostermann-Saal im Sartory war bisher unser wohl emotionalster Auftritt. Den sehbehinderten Menschen Karneval zum Anfassen zu bieten, war etwas Besonderes“, so Manuel Pickartz.

An zwei weitere Auftritte erinnern sich der Schlagzeuger und seine Bandkollegen gerne zurück. „Wir haben in dieser Session tatsächlich auf der Bühne der Lachenden Kölnarena gestanden. Das ist echt der Wahnsinn“, so der Keldenicher. Auch die Pfarrsitzung in St. Severin sei ein einziger Rausch gewesen.

Rituale und Marotten vor den jeweiligen Auftritten habe die Band nicht, behaupten Michael Kuhl, Manuel Pickartz, Hubert Pieper, Heinrich Fries, Michael Dahmen und Hagen Fritzsche unisono. Doch plötzlich spielen Pickartz und Fries „Schnick Schnack Schnuck“, und der Verlierer kassiert eine Ohrfeige vom Gewinner. „Das machen wir immer, wenn wir vor Auftritten warten müssen“, so Pickartz, der vor seiner Zeit bei „Kuhl un de Gäng“ unter anderem bei „Caravan“ hinter dem Schlagzeug saß.

Den Platz auf dem Beifahrersitz hat Pickartz nicht nur wegen seines Telefonvertrags sicher. „Er hat auch einen guten Orientierungssinn und leitet den Fahrer immer sicher ans Ziel“, sagt Keyboarder Hagen Fritzsche, der sich selbst gerne als „Bordpastor“ während der Fahrten von Auftritt zu Auftritt sieht. „Ich predige ihnen dann schon mal das Wort zum Karneval oder nehme ihnen die Beichte ab“, sagt er lachend.

Da ist sie wieder, die Selbstironie, die die Band auszeichnet. Welche Sünden die Musiker begangen haben, bleibe aber im schwarzen Tour-Bus. Und noch etwas soll bleiben: die Band-Konstellation. Pickartz: „Wir verstehen uns wirklich sehr gut und werden in dieser Besetzung auch in die kommende Session gehen.“

Neue Lieder liegen unter anderem schon in der Schublade von Gitarrist Hubert Pieper. Einige davon wird es sicherlich beim Konzert im Millowitsch-Theater am 13. September in Köln zu hören geben. „Das ist für uns ein echter Ritterschlag, dort auftreten zu können“, sagt Pickartz.

Nach dem Auftritt in Mechernich stehen an diesem Tag für die Band noch sieben weitere Termine auf dem Programm. Die „dicke Luft“ ist bereits nach dem ersten längst Geschichte.

www.kuhl-gaeng.de