KindertodDer Trauer ums „Sternchen“ Raum geben

Hilfe nach dem Verlust des ungeborenen Kindes bietet Dajana Vey, ausgelöst durch ihre eigene Erfahrung, an. (Foto: Röder)
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Eifelland/ Schleiden – Einen Tag vor ihrer Hochzeit 2008 erhält sie völlig unvorbereitet die schreckliche Nachricht. Dajana Vey ist schwanger, zur routinemäßigen Kontrolle beim Frauenarzt. „Das Herz Ihres Kindes schlägt nicht mehr“, lautet das Urteil. Wie in Watte gepackt hört sie die Worte. Will sie nicht wahrhaben. „Es war furchtbar“, so die 35-Jährige.
Dajana Vey ist kein Einzelfall. Immer wieder kommt es zu Komplikationen während der Schwangerschaft, sterben Babys vor, während oder nach der Geburt. Der Umgang mit Fehlgeburten, Abbrüchen oder Totgeburten ist für die Betroffenen nicht leicht. Oft werde über dieses Thema nicht gesprochen, so Vey: „Trauern durfte ich nicht. Da ich ,nur’ elf Wochen schwanger war, wurde mir oft gesagt, dass es keinen Grund zur Trauer gebe. ,Da war ja noch nichts’ oder ,war sicher besser so’ lauteten die aufmunternd gemeinten Worte.“ Alles musste normal weitergehen, doch nicht nur in ihrem Bauch, sondern auch in ihrem Herzen war eine große Leere. Ihr Kind war gestorben.
Das kurze Dasein des Kindes würdigen
Ihr am eigenen Leib erfahrenes Trauma war Grund genug für die engagierte und sensible Frau zu sagen: „Anderen Frauen soll das nicht passieren! Ich will helfen!“ Sie gründete ihre Praxis der „Trauerbegleitung“ in Schleiden. Der Name lag für sie auf der Hand: „Einfach da sein.“ Hier dürfen die Mütter und Väter trauern und reden. „Ich bin keine Hebamme, Psychologin, Ärztin. Ich pendle nicht, ich lege keine Hände auf und habe auch keine Glaskugel. Aber ich bin da und höre zu, gebe Kraft“, so die angehende Heilpraktikerin.
„Frauen, Väter, Eltern müssen trauern dürfen“, sagt sie: „Ich will eine Lücke füllen. Wo sollen die Mütter und Väter denn sonst hin? Das Thema darf nicht weiter totgeschwiegen werden.“ Aus der Glückseligkeit der Schwangerschaft gerieten viele werdende Eltern unvorbereitet in die Situation, in der sie vielleicht entscheiden müssen: „Wollen Sie Ihr Kind noch sehen?“ Unter Zeitdruck müssten Entscheidungen getroffen werden, Aufklärung fehle. Quälende Fragen stellten sich: „Darf ich das Baby sehen? Was werde ich sehen?“ „Das Kind hat überhaupt nichts Beängstigendes an sich“, klärt Vey auf: „Auch eine Geburt eines toten Kindes kann etwas sehr Heilsames sein.“
In Deutschland müssen Babys, die mit einem Gewicht von über 500 Gramm tot zur Welt gekommen sind, bestattet werden. Babys mit einem geringeren Geburtsgewicht wurden früher mit dem Klinikmüll entsorgt. Für die zurückbleibenden Eltern, Geschwisterkinder und Angehörigen, die sich auf das Kind gefreut haben, sei es jedoch wichtig, dass sie ihre Trauer zeigen könnten, weiß Vey: „Abschiedsrituale und Bestattungszeremonien können eine tröstliche und tiefe Erfahrung sein. Sie würdigen das kurze Dasein des Kindes und geben dem eigenen Schmerz eine Form. Zugleich können sie helfen, neue Kraft zu finden.“
Ein weltweiter Gedenktag für verstorbene Kinder findet am Sonntag, 14. Dezember, statt. Dazu veranstaltet Dajana Vey eine konfessionslose Gedenkfeier für „unsere Sternchen“. Alle sind herzlich eingeladen teilzunehmen. Wer dieses Gedenken mitgestalten möchte, meldet sich vorab per Telefon unter (02445) 8799633 oder per E-Mail unter dajanavey@einfachdasein.de.
Auf dem Schleidener Weihnachtsmarkt am 6. und 7. Dezember bietet Vey erstmals einen Infostand zur Trauerbegleitung bei Sternenkindern an. (kir)
Vey hat in ihrer Praxis dazu einen Trauerraum eingerichtet, der mit Blumen, Kerzen und einem tröstlichen Vers aus Gustav Mahlers Kindertotenliedern geschmückt ist. „Hier dürfen sich Familien mit Eltern, Geschwistern und Großeltern Zeit nehmen, sich in Ruhe zu verabschieden.“ Man könne gemeinsam trauern.
Nach dem Verlust sehnten sich manche Frauen danach, möglichst bald schwanger zu werden. Andere brauchten Zeit. Solche Folgeschwangerschaften seien oft von Ängsten bestimmt, so Vey. Schuldgefühle spielten eine Rolle. Dann ist laut Vey wichtig zu vermitteln: „Du hast nichts falsch gemacht beim ersten Mal.“
Egal, wie winzig das Leben war: Für die Eltern war es ihr Kind. Liebevoll nennen die Eltern ihre verlorenen Kinder poetisch „Sternenkind“, weil sie den Himmel erreicht haben, bevor sie das Licht der Welt erblicken durften. Den Namen Jonathan, haben Dajana Vey und ihr Mann ihrem „Sternchen“ gegeben. Auch seine beiden Schwestern und sein Bruder, die nach ihm geboren wurden, wissen von Jonathan. Jonathan hat seinen festen Platz in der Familie.