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Häusliche Gewalt, sexueller MissbrauchSeit 20 Jahren leistet das Opfer-Netzwerk im Kreis Euskirchen wertvolle Arbeit

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann hat seine Hand zur Faust geballt, eine Frau duckt sich ängstlich auf einem Sofa.

Seit 2002 ist häusliche Gewalt keine „Privatsache“ mehr. Damals rückten die Opfer in den Fokus. Auch im Kreis Euskirchen, wo sich damals das Opfer-Netzwerk gründete.

Mehr als 70 Menschen gründeten vor 20 Jahren in Mechernich das Opfer-Netzwerk im Kreis Euskirchen. Der gemeinnützige Verein kümmert sich seitdem um die Bereiche Prävention, Zivilcourage und Opferschutz.

Als vor 20 Jahren das Gewaltschutzgesetz in Kraft trat, das rechtliche Vorschriften zur Bekämpfung von Gewalt im Allgemeinen und insbesondere von häuslicher Gewalt festsetzte, wurde ein gewaltiger Umdenkprozess in Gang gesetzt. Opfer rückten in den Fokus der Wahrnehmung, ihnen wurde im Falle häuslicher Gewalt nicht länger zugemutet, mit dem Täter unter einem Dach zu verbleiben oder sich selber um Schutz zu sorgen. Der Grundsatz „Wer schlägt, muss gehen – das Opfer bleibt in der Wohnung“ wurde in dem Gesetz festgezurrt.

Auch im Kreis Euskirchen geriet einiges in Bewegung. So veranstaltete die Kreispolizeibehörde Euskirchen damals im Klösterchen ein Opferschutz-Symposium, das regional, aber auch landesweite große Resonanz fand. „Damals konnten wir zum ersten Mal feststellen, wie viele Fachleute es gibt, die in völlig unterschiedlichen Bereichen mit Opfern zu tun haben“, erinnert sich Rechtsanwältin Anke Sefrin, von Anfang an dabei und seit 2013 als Vorsitzende an der Spitze des Opfer-Netzwerks tätig.

70 Menschen gründen Opfer-Netzwerk im Kreis Euskirchen

Das Symposium glich einer Initialzündung für die vertiefte Netzwerkarbeit, die mit der Gründung eines Vereins auf verlässlichere Füße gestellt wurde. Am 9. November 2002 kamen mehr als 70 Personen in der Aula der St.-Barbara-Schule in Mechernich zusammen und gründeten das Opfer-Netzwerk, einen gemeinnützigen Verein, der seither im Kreis Euskirchen eine wichtige Rolle spielt.

Auf seine Fahnen schrieb sich das Opfernetzwerk damals die Bereiche Prävention, Zivilcourage und Opferschutz. Kriminalhauptkommissar Toni Dickopp, stellvertretender Vorsitzender des Vereins, erinnert sich gut an den Paradigmenwechsel, der vor 20 Jahren auch in der Polizeibehörde eingeläutet wurde. „Bis dahin hat man eher täterorientiert gearbeitet, es ging um Gefahrenabwehr und Verfolgung von Straftätern. Opfer wurden als Zeugen gewertet.“ Heutzutage sei der Opferschutz Teil der Ausbildung, „was ich sehr begrüße“, so Dickopp.

Durch die Vernetzung im Verein sollten die bestehenden Hilfsangebote fortan besser strukturiert und dadurch die Situation von Kriminalitäts- und Unfallopfern im Kreis Euskirchen verbessert werden. Während das Opfer-Netzwerk in seinen Anfängen auch selber als Anlaufstelle für Betroffene fungierte, geht es mittlerweile mehr um die Lotsenfunktion und das Netzwerken.

Gründung der Trauma-Ambulanz im Euskirchener Marien-Hospital

Regelmäßig wurden im Laufe der Jahre Fachveranstaltungen durchgeführt, die stets regen Zulauf fanden. „Das soll ab kommenden Jahr auch wieder häufiger passieren, zukünftig wird es einer unserer Schwerpunkte sein“, so Toni Dickopp. Auch die erfolgreiche Präventionsarbeit wird weitergeführt.   So bietet das Opfer-Netzwerk seit seiner Gründung das Projekt Little Lions im Kreis Euskirchen an. Die Präventionstheaterstücke gegen sexuellen Missbrauch „Mein Körper gehört mir“, „Das Familienalbum“ und „Pfoten weg!“ erreichten seither mehrere Tausend Grundschulkinder. Interessierte Schulen könnten sich jederzeit an das Opfer-Netzwerk wenden: „Das Projekt ist für die Zukunft gesichert“, so die zweite Vorsitzende Anne Decker. Seit einigen Jahren werden auch Projekte angeboten, die die Medienkompetenzförderung an Schulen im Kreis im Blick haben.

Es gibt einiges, auf dass das Opfer-Netzwerk zufrieden zurückblicken darf. Hierzu zählt unter anderem die Einrichtung einer Trauma-Ambulanz im Marien-Hospital Euskirchen 2004, die seither ein wichtiger Netzwerkpartner ist. Traumatisierten Opfern kann dort schnell und unbürokratisch Hilfe angeboten werden, um nach Möglichkeit posttraumatische Belastungsstörungen zu verhindern sowie Selbstvertrauen und Sicherheit wiederherzustellen.

Anonyme Spurensicherung in Krankenhäusern initiiert

2009 initiierte das Opfernetzwerk die Einführung der Anonymen Spurensicherung, die mittlerweile an beiden Krankenhäusern im Kreis Euskirchen angeboten wird. Diese ermöglicht Opfern nach Sexualstraftaten, Spuren sichern zu lassen, auch wenn zunächst keine Anzeige erstattet wird. Bis zu zehn Jahren werden diese dann aufbewahrt, so dass die Spuren auch zu einem späteren Zeitpunkt als Beweismittel vorhanden sind. Sowohl das Marien-Hospital Euskirchen als auch das Kreiskrankenhaus Mechernich erhielten vom Opfer-Netzwerk spezielle Spurensicherungskoffer.

„Mit dem Opfer-Netzwerk hat der Kreis Euskirchen deutlich gezeigt, wie strukturierte Hilfe möglich ist – und ist damit vielen anderen Kreisen ein Vorbild“, betont Anke Sefrin. „Vieles hat sich in den letzten 20 Jahren verändert“, so Toni Dickopp. Die Bedeutung des Opfer-Netzwerks aber ist nicht geringer geworden. „Wir werden uns zukunftssicher aufstellen“, verspricht Dickopp. Dazu gehöre auch, mehr Mitglieder ins Boot zu holen und die in die Jahre gekommene Vereinshomepage   zu überarbeiten.


Die Netzwerkpartner im Kreis Euskirchen

Schwerpunkte der Arbeit des Opfer-Netzwerks liegen auf der Vernetzung und Beratung bestehender Institutionen der Opferhilfe, der Qualifizierung ehrenamtlicher und hauptamtlicher Helferinnen und Helfer sowie der Information der Bevölkerung im Kreis Euskirchen.

Zu den Netzwerkpartnern gehören: Weißer Ring Euskirchen, Caritasverband Euskirchen, Verein Wellenbrecher, Deutscher Kinderschutzbund, DRK-Kreisverband Euskirchen, Frauen helfen Frauen, Kriseninterventionsdienst im Kreis Euskirchen (KID), Runder Tisch gegen häusliche Gewalt, Jugendamt und Polizei, Traumaambulanz Marienhospital, Ärzte, Psychotherapeuten, Rechtsanwälte sowie Volksbank und Kreissparkasse.

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