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Faszination HeimatDie Gottesanbeterin ist im Kreis Euskirchen angekommen

Lesezeit 6 Minuten
Eine männliche Gottesanbeterin sitzt auf einem Fensterbrett.

Die Klimaerwärmung bringt neue Bewohner in den Kreis Euskirchen. Einer von ihnen ist die Gottesanbeterin.

Die Klimaerwärmung und der Mensch bringen immer wieder neue Arten in den Kreis Euskirchen – nicht alle sind jedoch willkommen.

Sie ist grün, hat feine Fühler und wirkt anmutig – zumindest für ein Insekt: die Gottesanbeterin. Sie ist einer der neuesten Einwanderer in den Kreis Euskirchen.

„Sie ist da, keine Frage“, sagt Stefan Meisberger, Wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer der Biologischen Station Euskirchen. „Das ist eine logische Folge der Klimaerwärmung“, fügt er hinzu. Die Systeme der Natur seien dynamisch und neue Bedingungen führten auch immer zu Veränderung in Flora und Fauna. „Wir freuen uns auf die Gottesanbeterin, aber wir werden auch Arten verlieren“, so der Diplom-Biogeograf.

Blauschillernder Feuerfalter könnte aus dem Kreis Euskirchen verschwinden

Er bezeichnet das als das Nischenkonzept. Da, wo sich durch den Klimawandel eine neue Nische auftue, schließe sich auch eine andere. Dem heimischen Blauschillernden Feuerfalter werde es hier beispielsweise inzwischen zu warm. Mit dem Life-Projekt „Helle Eifeltäler“ setzt sich die Biologische Station daher für den Erhalt des Schmetterlings zumindest in der Nordeifel ein.

Und es gibt weitere Neuankömmlinge, die aufgrund der Klimaerwärmung nun auch im Kreis Euskirchen vorkommen. Der Orpheusspötter, ein gelber Vogel, breite sich in Deutschland von Südwesten nach Nordosten aus, berichtet Meisberger. Auch die Mauerspinne, die man gut am Euskirchener Bahnhof beobachten könne, sei in den Kreis eingewandert. Ein markantes Beispiel sei auch das Taubenschwänzchen, das als Wanderfalter im Sommer inzwischen viel öfter im Kreis Euskirchen zu sehen sei und das so mancher auch schon einmal für einen kleinen Kolibri gehalten habe.

Intensive Landwirtschaft und Klimawandel bedrohen Arten

Rückgänge verzeichnet die Biologische Station hingegen bei der Zauneidechse. Hier sei die Vermutung, dass der Boden in den trockenen Sommern hart wie Beton wurde und sich die Eidechsen nicht mehr eingraben konnten, berichtet Michael Schulze, stellvertretender Geschäftsführer der Biologischen Station. Als verschollen gelte im Kreis Euskirchen inzwischen der Wundklee-Bläuling, so Meisberger. Der Schmetterling sei schon länger nicht mehr gesichtet worden.

„So gibt es Gewinner und Verlierer“, fasst er die Situation in Flora und Fauna bezüglich der Klimaerwärmung zusammen. „Trotzdem darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Artenrückgang verheerend ist“, betont Schulze. Und das hänge nicht nur mit den klimatischen Veränderungen zusammen.

Der menschengemachte Klimawandel komme auf die sowieso schon stattfindende Biotopverdrängung durch Bebauung und intensivierte Landnutzung nur noch oben drauf. Deshalb setzt sich die Biologische Station für eine Vernetzung der einzelnen Biotope ein, damit Arten, auf die der Druck in ihrem Gebiet zu hoch werde, ausweichen können.

Grüne Halsbandsittiche aus Köln sind ein Beispiel für Neophyten

Michael Schulze ist bei der Biologischen Station der Experte für Neozoen und Neophyten. Das sind die anderen Neu-Bewohner im Kreis Euskirchen. Die, die nicht von alleine ihren heimischen Lebensraum verlassen und sich irgendwo neu angesiedelt haben, sondern Hilfe vom Menschen hatten. Zum Beispiel, indem Samen über menschliche Transportmittel in völlig neue Gegenden getragen werden, oder auch wenn Tiere aus menschlicher Haltung ausbüxen.

Für letzteren Fall gibt es in Köln und anderen Großstädten ein bekanntes Beispiel: Die grünen Halsbandsittiche. Die sind laut Schulze sogar während der Zeit, in der sie Nachwuchs haben, geschützt.

Nutrias breiten sich aus, sind aber nicht willkommen

Doch die Biologische Station freut sich nicht über jede Art, die so neu in den Kreis einwandert oder eingeschleppt wird. Nutrias zum Beispiel. In den wärmeren Gefilden im Kreis wie in der Börde, finde man sie inzwischen überall, sagt Meisberger. Manchmal werden sie sogar per Hand gefüttert. Nutrias stammen laut Meisberger aus Südamerika und kamen über die Pelzzucht nach Europa.

Das Problem: Nutrias unterhöhlen Dämme und Uferböschungen und sie verdrängen möglicherweise den Europäischen Biber, beziehungsweise verhindern eine neue Ansiedlung. Nutrias gehören deshalb zu den invasiven Arten.

Darunter verstehe man diejenigen Neozoen und Neophyten, die man eigentlich nicht hier haben wolle, weil sie heimische Arten verdrängen, gefährlich sind und oder wirtschaftlichen Schaden anrichten, erklärt Schulze. Der Waschbär zähle auch dazu, und die in der Eifel stellenweise vorkommenden Mufflons.

Riesenbärenklau ist giftig

Doch nicht nur eingewanderte Tiere machen Probleme, auch Pflanzen halten die Biologische Station auf Trab. Riesenbärenklau, Orientalisches Zackenschötchen, Japanischer Staudenknöterich oder Indisches Springkraut nennen Meisberger und Schulze da als Beispiele. Diese Nektarpflanzen seien zwar vielleicht für die Honigbiene gut, jedoch verdrängten sie andere Pflanzen, auf die beispielsweise Wildbienen angewiesen seien.

Und beim Riesenbärenklau gebe es noch ein ganz anderes Problem: „Der ist toxisch.“ Das Berühren der Pflanze könne vor allem in Kombination mit Sonnenlicht zu schweren Brandblasen führen. Im Kreis Euskirchen habe man das Problem aber gut im Griff, eine weitere Ausbreitung habe man rechtzeitig verhindern können. Von Vorteil sei, dass es beim Riesenbärenklau ausreiche, den oberen Wurzelteil auszubuddeln, berichtet Meisberger.

Eine schwer bekämpfbare, invasive Pflanze bereitet Sorgen

Kopfzerbrechen bereitet der Biologischen Station hingegen das Orientalische Zackenschötchen. „Da darf ich kein Wurzelstück übersehen“, sagt der Diplom-Biogeograf. Zwar verdränge die Pflanze im Moment noch keine heimischen Arten, aber die Ausbreitungsgeschwindigkeit sei enorm. „Wir kriegen diese Art nicht bekämpft“, führt er aus und weiter: „Da ist im Moment das Prinzip Hoffnung angesagt.“

Die Verbreitung dieser invasiven Pflanzen verlaufe nämlich nicht linear. „Das müssen Sie sich wie eine genetische Zeitbombe vorstellen.“ Nach einer Pflanze seien es im nächsten Jahr vier, dann acht und immer so weiter. Irgendwann seien es zu viele, um sie ganz wieder los zu werden. „Da fehlen uns auch einfach Ressourcen“, betont der Leiter der Biologischen Station.

Nicht alle eingeschleppten Arten seien invasiv und müssten eingedämmt werden, betont Meisberger. „Ein Großteil der Neozoen und Neophyten ist unproblematisch.“ Doch im Grunde sei das wie in einer geselligen Runde. Meist reiche einer, der sich daneben benimmt, um die Stimmung zu ruinieren.


An den Erftauen lassen sich neue Arten gut beobachten

Einige Neophyten und Neozoene lassen sich laut Stefan Meisberger ganz wunderbar an der Erft in Euskirchen beobachten. Nutrias, Riesenbärenklau und Orientalisches Zackenschötchen könne man dort auf kleinem Raum beobachten, berichtet der Diplom-Biogeograf.

Die Europäische Union hat eine Liste invasiver Arten in Europa zusammengestellt. Grundsätzlich sind diese Arten laut Meisberger zu bekämpfen. Die Liste unterscheide aber in Arten, die inzwischen als etabliert gelten und nur noch gemanagt werden können und Arten, bei denen dringender Handlungsbedarf bestehe, sagt Michael Schulze.

„Wir kritisieren, dass es wenig Geld gibt, das umzusetzen“, führt Meisberger dazu aus. Trotzdem versucht die Biologische Station ihr Möglichstes. „Wir haben den Vorteil, dass wir oben sitzen“, so Meisberger weiter. So habe beispielsweise das Entfernen invasiver Pflanzen an Ufern tatsächlich einen Effekt.


Eine Serie über die Natur im Kreis Euskirchen

In „Faszination Heimat: Das Leben vor der Haustür“ schauen wir uns jeden Monat in der Natur bei uns vor der Haustür um. Was kriecht und krabbelt da, was wächst und blüht?

In jedem Monat setzen wir dabei unterschiedliche Themenschwerpunkte und sprechen mit Expertinnen und Experten. Dazu gibt es Tipps, wie und wo man die Natur im Kreis Euskirchen selbst entdecken kann.

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