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Tiere in einem BeckenEdelkrebse in Mechernich ausgesiedelt

Lesezeit 4 Minuten

Ein etwa vier Jahre alter Krebs

Mechernich – Etwas unentschlossen sitzen die Edelkrebse in dem ungewohnten Teichwasser, gerade so, als hätten sie eine Idee davon, dass ihre Reise erstmal ein Ende hat. Und würden nun darüber nachdenken, wo bitte sie jetzt gelandet sind. Auf die Welt gekommen in einem Aufzuchtbecken, vor wenigen Stunden in eine Transportwanne überführt und schließlich in einen Eimer in ihr neues Zuhause im Stadtgebiet Mechernich getragen. Und jetzt?

„Die kommen hier super klar“, prophezeit Dr. Harald Groß mit strahlendem Lächeln. Wenn es jemand verdient hätte, als Edelkrebsflüsterer bezeichnet zu werden, dann ist es ohne Zweifel er. Seit mehr als 20 Jahren widmet er sich als Leiter des Edelkrebsprojektes beruflich dem Überleben der stark vom Aussterben bedrohten Tierart.

Im Wasser des Biotops fühlen sich die ausgesetzten Jungtiere offenbar wohl.

Deren eigentlicher Lebensraum, die kleinen Bäche und Flüsse in der Region, sind von Konkurrenten okkupiert worden. Die haben eine heimtückische Waffe im Gepäck: Krebspest wird die Erkrankung genannt, die von amerikanischen Krebsen oder Signalkrebsen eingeschleppt worden ist. Gegen sie kennt das Immunsystem der europäischen Edelkrebse keine Antwort.

Wasserkraftwerke

Das Edelkrebsprojekt ist nicht das einzige, bei dem Nabu und Fischereiverband zusammenarbeiten.  Laut Dr. Heide Naberer  sprechen beide sich gegen die Förderung der sogenannten „Kleinen Wasserkraft“ aus. „Das sind Wasserkraftwerke mit einer Leistung von unter 1000 Kilowatt“, erläuterte sie. Diese würden die Durchlässigkeit der Gewässer beeinträchtigen, aber nur mit rund 0,4 Prozent zur Energiegewinnung beitragen. „Deshalb ist unsere politische Forderung, dass Wasserkraftwerke unter 1000 Kilowatt Leistung nicht mehr gefördert werden sollen“, betonte Johannes Nüsse. (sev)

Schuld daran ist wieder einmal der Mensch. Denn die amerikanischen Krebsarten sind nicht etwa vom Himmel gefallen. Sie waren beliebt bei Aquarianern, die die Tiere irgendwann einfach in der Natur ausgesetzt haben. Mittlerweile sind sie in fast allen Fließgewässern in NRW zu finden, was für die europäische Art fast den Untergang bedeutete.

Projekt für Edelkrebse gibt es seit 2004

2004 haben der Fischereiverband NRW und der Nabu gemeinsam das Edelkrebsprojekt ins Leben gerufen. „Wir haben zuerst versucht, die letzten natürlichen Vorkommen der Art zu schützen“, berichtet Groß. Denn je durchlässiger die Bäche für Fische gemacht wurden, desto leichter war es auch den amerikanischen Krebsarten möglich, sich bis in die letzten Winkel auszubreiten und die Krebspest einzuschleppen.

Experte für Edelkrebse: der Biologe Dr. Harald Groß.

Daher setzen die Tierschützer auf eine andere Taktik: In mehreren großen Becken werden die Krebse nachgezüchtet. Ungefähr 15 000 Tiere habe er in seinen Zuchtbecken, so der Biologe. Regelmäßig würden dann Jungtiere in geeigneten Gewässern ausgesetzt. Dies müssten nicht unbedingt Fließgewässer sein, erläutert Groß. Die Tiere kämen auch in Baggerseen gut zurecht. „Da die Seen abgeschlossen sind, kommen auch keine amerikanischen Krebse hinein“, skizziert Groß den Vorteil. Immer noch seien die Tierschützer auf der Suche nach geeigneten Wasserflächen.

Projektpartner: Johannes Nüsse und Dr. Heide Naderer.

„Ich freue mich, so ein Termin ist ein langer Prozess“, so Groß. Vor drei Jahren sei die Idee entstanden, in dem versteckt liegenden Mechernicher Baggersee Edelkrebse auszusetzen. Sorgfältig müsse ermittelt werden, ob das Gewässer wirklich für die Tiere geeignet sei. Auch werde festgestellt, ob Edelkrebse in dem Biotop schon vorhanden sind oder sich dort ihre amerikanischen Vettern aufhalten. Rund 400 Edelkrebse wurden bei der jetzigen Aktion freigesetzt.

Erfolgsquote liegt bei 80 Prozent

Die Erfolgsquote liege bei bisher erfolgten Freisetzungen bei über 80 Prozent, sei bei den Nachkontrollen festgestellt worden. Fünf bis sechs derartige Aktionen gebe es pro Jahr in NRW. Für dieses Jahr seien noch sechs weitere Aktionen geplant.

„Das Ziel ist, den Stand zu halten“, so Groß. Erfreulich sei, dass der Bestand der amerikanischen Krebsarten zurückgegangen sei. „Fünf Krebsarten dürfen aufgrund einer EU-Verordnung nicht mehr gehandelt werden“, sagt er.

Unbekanntes Terrain für Krebse

Was die kleinen Krebse in dem Gewässer erwarte, sei unbekannt, sagt Ulrich Pohl vom Vorstand des Nabu-Kreisverbandes Euskirchen. Ob zum Beispiel hier einmal Welse eingesetzt worden seien, wisse er nicht. „Das ist eine ehemalige Tongrube, die im Besitz der Nabu-Stiftung Naturerbe NRW ist“, teilt er mit. Ein privater Anlieger sei ebenfalls noch am See.

In das Wasser gesetzt wurden die Krebse von Groß und Dr. Heide Naberer, der Landesvorsitzenden des Nabu. Gemeinsam mit dem Fischereiverband NRW hat der Nabu das Edelkrebsprojekt seinerzeit ins Leben gerufen. „Unser Verband ist mit dabei, weil der Edelkrebs im Fischereirecht steht, deshalb sind wir dafür zuständig“, sagte Johannes Nüsse, Präsident des Fischereiverbandes.