Nachkriegszeit in Euskirchen„Für Kinder ein Spielparadies“

Die Hochstraße wurde im Krieg stark beschädigt. Das Foto stammt aus dem Jahr 1945.
Copyright: Stadtarchiv Euskirchen Lizenz
Euskirchen – Euskirchen hat unter dem Zweiten Weltkrieg gelitten. Zwischen 70 und 80 Prozent der Kreisstadt waren nach zahlreichen Bombenangriffen beschädigt, zerstört oder nicht mehr bewohnbar. In den Jahren von 1945 bis 1948 lebten die Menschen in Euskirchen in Armut und litten unter Hunger. Dennoch haben die Zeitzeugen nicht nur schlechte Erinnerungen an diese Jahre.
Beim zweiten Erzählcafé des Fördervereins des Stadtmuseums Euskirchen im Café Kulturhof tauschten sich die Besucher mit Moderator Hans-Helmut Wisskirchen über diese Zeit aus.
Wisskirchen, der damals als kleiner Junge in Euskirchen unterwegs war, erinnerte sich: „Für Kinder waren die Trümmer ein Spielparadies.“ Man konnte so klettern und bauen, wie es das Herz begehrte.
Geprägt war die erste Zeit nach dem Krieg von Armut und Hunger. Und um an etwas Essbares zu kommen, wählte man mitunter auch nicht ganz legale Wege. So war es üblich, dass die Flutsch – die Eisenbahn, die durch Euskirchen fuhr – regelmäßig belagert wurde. Das Bähnchen hatte nicht viel Leistung und musste auf den Transportfahrten zur Zuckerfabrik auf der Kuchenheimer Straße eine größere Steigung bewältigen.
Damit das klappte, wurde einer von zwei Waggons abgekoppelt und stehengelassen, während die Lok den anderen den Anstieg hochzog. Diese Zeit nutzten die Euskirchener, um dem stehengelassenen zweiten Waggon einen Besuch abzustatten und sich an den Zuckerrüben zu bedienen.
In dieser Not war es die größte Aufgabe der damals jungen Verwaltung, die Versorgung zu sichern. Allerdings gab es nach dem Kriegsende erst einmal gar keine Verwaltung mehr. So erzählte der ehemalige Oberkreisdirektor Karl-Heinz Decker, dass die amerikanischen Soldaten, die in Euskirchen ankamen, als Erstes den Pfarrer aufsuchten. Mit vorgehaltener Waffe musste er die Frage beantworten, ob er PG, also Parteigenosse sei.
Alois Schelauske erklärte daraufhin, er sei PG, aber in Euskirchen gebe es zwei Arten PG: Parteigenossen und Parteigegner. Er zählte sich zu Letzteren und wurde für eine Nacht zum Bürgermeister benannt. Der Einmarsch der Amerikaner indes hatte auch seine Schattenseiten. So wurde wohl mancher Euskirchener auch um seine persönlichen Habseligkeiten gebracht, die den Soldaten ins Auge gefallen waren.
US-Soldaten beliebter als Nachfolger
Dennoch wurden die US-Soldaten als umgänglicher als ihre Nachfolger von der britischen Armee empfunden. Sie zogen unter dem Kommando von Offizier Merrick in die Villa Lückerath in Kessenich. Und wer bei den Behörden Gehör finden wollte, musste den Weg bis dahin auf sich nehmen und versuchen einen Bezugsschein für das, was er brauchte, zu bekommen.
So scharf die Engländer in ihren Kontrollen auch waren, so hatte ihre Präsenz doch auch etwas Gutes. Sie verbesserte die Sicherheitslage in der Stadt. Die war in manchen Teilen Euskirchens zuvor katastrophal, denn im Gebiet zwischen Kirschenallee und Billiger Wald hatten sich geflohene russische Kriegsgefangene angesiedelt, die jeden überfielen, der sich in ihr Areal wagte. „Das war lebensgefährlich damals“, so Decker.
Kondome für die Jugend
Die Präsenz der englischsprachigen Truppen führte auch zu einigen humorigen Blüten.So bekam der Friseursalon Wilhelm König nach dem Einzug der Amerikaner plötzlich einen neuen Namen: Barbershop of William King. Dieser Salon war gerade bei der Jugend besonders gut gelitten: Er war eine der wenigen Anlaufstellen, in der man in der Nachkriegszeit Kondome erwerben konnte.
Trotz der Entbehrungen dieser Jahre waren sich die Zeitzeugen einig, dass der Zusammenhalt in der Gesellschaft damals stärker gewesen sei. Weil alle gleich arm waren, half man sich gegenseitig, wo man konnte. Ein Zusammenhalt, den viele heute vermissen.