100 Jahre Theaterverein EdelweißAls die Piraten Rache in Nettersheim nahmen

Die aktuelle Crew des Theatervereins „Edelweiß“ Nettersheim präsentiert die fast 100 Jahre alte Vereinsfahne. Foto: Stephan Everling
Copyright: Stephan Everling
Nettersheim – Vorsichtig holen Rico Crea und Björn Wassong die Vereinsfahne aus dem Schaukasten im Saal der Nettersheimer Gaststätte Schruff, in dem sie ansonsten aufbewahrt wird. Fast 100 Jahre, also beinahe so alt wie der Theaterverein „Edelweiß“ Nettersheim, ist das gute Stück. Nun formieren sich die aktuellen Schauspieler des Vereins um die Fahne im Hof der Gaststätte.
Am Pfingstwochenende, Samstag und Sonntag, 8. und 9. Juni, feiert der Theaterverein seinen runden Geburtstag. Zu diesem Anlass wurde auch eine Vereinschronik erstellt, die während des Festwochenendes erhältlich ist. 3000 Reichsmark kostete die Vereinsfahne einst, als sie im Gründungsjahr der „Edelweißen“ bei einer Fahnenfabrik in Bonn bestellt wurde. Finanziert wurde sie damals durch Anleihen bei den Mitgliedern, endgültig abgeholt wurde sie am 7. März 1921 von Johann Eduard Meyer. Seitdem wird sie mit der zerlegten Fahnenstange und den Bändern im Schaukasten sicher verwahrt – geschützt vor Staub, Zigarettenrauch und Beschädigung.
„Rache der Piraten“ das erste Stück im Jahr 1919
Es war am 12. Januar 1919, als sich sechs Herren in Nettersheim zusammentaten, um den Verein zu gründen. Es waren die Monate nach dem verlorenen Weltkrieg, von dem damals noch niemand annahm, dass er wenig später als „Der Erste“ in die Geschichte eingehen würde. Der Überlieferung nach fand die Versammlung in der Schusterstube der Familie Joepen statt. Fast folgerichtig wurde Karl Joepen zum ersten Vorsitzenden gewählt. Zu seinem Stellvertreter bestimmte die Versammlung Josef Müller, Schriftführer wurde Ewald Giesen und Kassenführer Peter Kreutz. Als Beisitzer wurden Albert Giesen und Josef Stoffels gewählt.
Schon wenig später zog es die Hobbymimen auf die Bühne. Bereits am 2. März 1919 fand die erste Vorstellung mit dem Stück „Die Rache der Piraten“ statt, zwei weitere folgten. Mehr als 500 Mark flossen dabei in die Vereinskasse, über mangelnden Zuspruch dürften sich die Gründerväter nicht beklagt haben.
Oft nahmen die „Edelweißen“ an Theaterwettstreiten teil, die in den Nachbarorten abgehalten wurden. Fester Bestandteil waren Paradepreise, wofür auch fleißig trainiert wurde. Nicht immer herrschte Einigkeit über die Preisvergabe für die beste Darstellung, wobei die Diskussion auch in Handgreiflichkeiten ausarten konnten.
Alte Bühne im Zweiten Weltkrieg zerstört
Eine legendäre Gestalt im Theaterverein war der langjährige Vorsitzende Peter Vinzenz Schruff. 1930 übernahm er den Posten und füllte ihn 34 Jahre aus. 28 abendfüllende Theaterveranstaltungen wurden in der Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg auf die Bühne gebracht.
Das könnte Sie auch interessieren:
Als die Wehrmacht 1939 in Polen einrückte, wurde der Spielbetrieb eingestellt. Erst am 17. März 1946 ging es mit dem Stück „Der Schuss im Erlengrund“ weiter. Allerdings war die alte Bühne durch die Kriegswirren zerstört worden, eine neue musste beschafft werden. Also ging Schruff durch Nettersheim und erbettelte Lebensmittel, mit denen eine neue Bühne „ermaggelt“ werden konnte.
Erster Theaterwettstreit mit 20 Vereinen in Nettersheim
Zum ersten Theaterwettstreit in Nettersheim nach dem Krieg im Jahr 1947 kamen 20 Vereine, von denen neun am Wettstreit teilnahmen. „Trotz schlechten Wetters strömten rund 4000 neugierige und beherzte Menschen aus sämtlichen Staaten Europas zusammen, um an dem Friedensfest in Nettersheim teilzunehmen“, beschreibt der damalige Schriftführer Jentges den Erfolg.
Ein Problem stellte die Versorgung der Schauspieler und Musiker dar. Da die Gaststätten nur „schlechtes“ Bier, aber keine Mahlzeiten herausgeben konnten, wurden unter den Mitgliedern Lebensmittel gesammelt.Viele Anekdoten, aber auch ein Überblick über schwierige Zeiten sind in der Chronik überliefert, für die sich Schriftführer Rico Crea durch die Vereinsarchive arbeitete.
Seit 2018 ist Björn Wassong Vorsitzender. Mit wenigen Ausnahmen spielt der Theaterverein „Edelweiß“ in jedem Jahr ein Stück. Aktuell verfügt er über 100 Mitglieder. Neben der Kindergruppe, die mit 25 Mitgliedern aktiv ist, hat sich zum Jubiläum neu eine Jugendgruppe gebildet, in der rund zehn Spieler auf die Bühne drängen.