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Professor Dr. Hans Schwering„Kernstadt durchoperiert“

Lesezeit 4 Minuten

Euskirchen – Nur noch wenige Tage, dann wird Professor Dr. Hans Schwering zum letzten Mal in seinem geliebten Operationssaal seine OP-Handschuhe ausziehen. Der Chef der Chirurgie tritt nach 28 Jahren am Euskirchener Marien-Hospital in den altersbedingten Ruhestand.

Anfreunden mag er sich mit der Pensionierung noch nicht, dafür liebt er seinen Beruf viel zu sehr: „Bald werde ich eine berufliche Karteileiche sein.“ Was er im Ruhestand machen wird, steht noch nicht fest: „Vielleicht gehe ich ja auch nach Afrika oder überlege mir etwas ganz anderes. Ansonsten stelle ich mir das ziemlich schrecklich vor, weil es wahrscheinlich einsam wird.“

Bei seiner Verabschiedung kann der 1948 in Dortmund als Sohn eines chirurgischen Chefarztes geborene Mediziner auf eine lange und erfolgreiche Laufbahn zurückblicken. Er ist nicht nur Facharzt der Chirurgie, sondern auch der Thoraxchirurgie (Lungenchirurgie) und Visceralchirurgie (Bauchchirurgie).

Seine Promotion hat Hans Schwering bereits im Alter von 25 Jahren in der Tasche gehabt. Die chirurgische Ausbildung begann er in Werne an der Lippe und später an der größten chirurgischen Universitätsklinik des Landes NRW in Münster.

Auf sich aufmerksam machte er durch einen außergewöhnlichen Versuch: Er operierte 1000 Ratten, um mehr über die Entstehung des Dickdarmkrebses zu erfahren. „Diese Ergebnisse meiner wissenschaftlichen Arbeit kurbelte meine Karriere an“, ist der Chefarzt am Marien-Hospital überzeugt.

So erhielt Schwering bereits im Alter von 32 Jahren die akademische Lehrbefugnis. (kir)

Darüber hinaus verfügt er über Zusatzqualifikationen der Phlebologie (Krampfaderleiden), Proktologie (Enddarmerkrankungen) und Handchirurgie. Zu seinem Spezialgebiet zählt die Behandlung aller Erkrankungen des Dünn-, Dick- und Enddarms.

„Ich habe mehr als 100 000 Patienten stationär und mehr als 400 000 ambulant in Euskirchen behandelt“, resümiert Schwering: „Zähle ich die Operationen zusammen, habe ich die Kernstadt durchoperiert.“ Er zeichnet auch für einige Innovationen verantwortlich. : 2011 wurde „sein“ Darmkrebszentrum als erstes im Kreis Euskirchen von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert. Als erste Operateure im Kreis haben Schwering und sein Team die endoskopische Chirurgie 1990 eingeführt. Von besonderer Bedeutung war auch die Neubegründung der Thorax- und Lungenchirurgie am Marien-Hospital.

Beinahe wäre es allerdings nie so weit gekommen, denn eigentlich hatte sich der damals angehende Chefarzt bereits für die Stadt Essen entschieden, als er einen Brief vom Euskirchener Marien-Hospital erhielt. Darin wurde er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. „Danach die Wochen waren die schrecklichsten meines Lebens. Ich überlegte hin und her – ob Essen oder Euskirchen. Morgens war ich für Essen, abends für Euskirchen.“

Die Entscheidung für die Kreisstadt getroffen zu haben, hat er indes nach eigenem Bekunden „an keinem Arbeitstag bereut“. Am 1. Juni 1985 zog er übergangsweise in die Bischofssuite des Hospitals ein. „Die war nicht nach den Kategorien von Limburg“, versichert er in Anspielung auf den Prunkbau des Bischofs Tebartz-van Eltz schmunzelnd.

All die Jahre habe er für das Krankenhaus gelebt. Seine Frau, die ebenfalls Ärztin ist, sowie seine fünf Kinder mussten im „Notfall“ zurückstehen. Für seine Klinik war er „immer erreichbar.“ Seine Maxime lautete, „in spätestens drei Minuten in der Klinik zu sein“. Dafür hat er sogar beim Baden sein Handy neben die Badewanne gelegt – „falls ein Anruf kommen sollte“. Das sei öfter vorgekommen. So erinnert er sich an einige Gewaltverbrechen im Kreis, bei denen er Opfer und auch Täter gerettet habe. Eins geht ihm immer noch sehr nahe: „Den Toten, den sie mir vor die Tür gelegt haben, konnte ich allerdings nicht mehr retten.“

Seine Station hat er 2011 als Notfall-Patient unfreiwillig selbst „getestet“. „Meine Vertreterin im chefärztlichen Amt und Leitende Oberärztin, Dr. Alessandra Steffen, hat mich operiert und mich so die Chirurgie passiv erleben lassen – eine neue, interessante Erfahrung am Ende eines langen Berufsweges.“

Über 150 Vorträge auf nationalen und internationalen Kongressen hat der erfahrene Chefarzt gehalten und mehr als 80 Publikationen veröffentlicht. Zwei seiner wissenschaftlichen Arbeiten wurden preisgekrönt. Es sei ihm immer wichtig gewesen, sein Wissen mit anderen zu teilen. Zehn seiner Mitarbeiter wurden auf auswärtige Chefarztposten berufen, 121 junge Kollegen begleitete er als Doktorvater zur Promotion.

Am 30. November ist offiziell sein letzter Arbeitstag. „Nach meinem Dienst werde ich um Mitternacht zum letzten Mal in den Operationssaal gehen.“ Nicht ausgeschlossen ist, dass Schwering noch einmal im Hörsaal auftaucht. Prüfungen will er aber nicht ablegen: „Ich habe fast alle Prüfungen mit ,sehr gut’ bestanden.“ Und weiter: „Da gehe ich im Alter nicht das Risiko ein, durchzufallen.“