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Reitstall in StotzheimKevin hat eine gute Hand für Pferde

Lesezeit 4 Minuten

lässt sich von Kevin Richenhagen ins Maul schauen. Der ist jetzt „Helfer in der Nutztierhaltung“.

Stotzheim – Kevin Richenhagen mistet den Stall seines geliebten Tinker-Wallachs „Tobi“ aus. Und nicht nur den. Der ehemalige Förderschüler muss sich an seinem Arbeitstag, der meist morgens um 8 Uhr beginnt und abends um 17 Uhr mitunter nicht vorbei ist, um 80 Pferde kümmern. Zudem hat er ein paar Lamas und Kamele zu betreuen. „Aufstreuen, Misten, Reiten – das mach ich am liebsten“, sagt der 21-Jährige. Allerdings vergisst der junge Mann viel zu oft, die Pferde nach dem Füttern zu tränken. Und das gehört zu den Problemen, die Kevin auf dem normalen Arbeitsmarkt eigentlich keine Chance gegeben hätten. Seine Merkfähigkeit ist durch seine Behinderung stark eingeschränkt.

Zu wenig Betriebe bieten Behinderten eine Chance

„Er ist zu 80 Prozent behindert. Wie mein Sohn Julian. Die beiden kennen sich schon seit Jahren von der gemeinsamen Schulzeit an der Irena-Sendler-Schule in Euenheim“, sagt Dieter Pierkes. „Mein Sohn ist leider nicht zu vermitteln. Dazu gibt es noch zu wenig Betriebe, die solche Qualifizierungsstellen anbieten“, bedauert er. Dem eigenen Sohn die Stelle geben? „Das wäre Wischi-waschi geworden. Bei den eigenen Eltern kann man solch eine Stelle nicht antreten“, findet Pierkes.

Obwohl Pierkes Kevin schon seit Jahren kennt, war es die Deutsche Angestellten-Akademie (DAA), die den Berufseinstieg für den jungen Mann im Reit- und Fahrstall von Dieter Pierkes in Stotzheim ermöglichte. Kevin Richenhagen hatte einer Betreuerin von seiner Arbeit auf dem Hof erzählt, und die hatte mit Pierkes gesprochen. „Wenn ich ein Informationsblatt zugeschickt bekommen hätte, wäre es wahrscheinlich in den Papieren auf meinem Schreibtisch untergegangen. Aber so war die Zusammenarbeit geil.“

Alle Förderungen, die notwendig waren, um den Lebensunterhalt des jungen Mannes zu regeln, und seine Qualifizierung übernahmen die Institutionen, ohne dass Pierkes sich darum kümmern musste. Für ihn ist inzwischen eine Betreuung beantragt. Kürzlich ist er auf dem Gehöft von Pierkes in ein Pflegeappartement eingezogen. „Mein Vater war recht froh, als ich zu Hause ausgezogen bin, und vor allem mein Bruder, der sich vorher das Zimmer mit mir teilen musste“, sagt Richenhagen.

Nun hat er bei Pierkes einen unbefristeten Arbeitsvertrag als Helfer in der Nutztierhaltung in Aussicht. Die Stabilisierungsphase als Teil der Eingliederung in den regulären Arbeitsmarkt (siehe Kasten) hat begonnen. Pierkes weiß, dass es nicht einfach ist, einem behinderten Menschen durch einen Arbeitsplatz, eine Chance zu geben. „Man kann ja keinen Rollifahrer für diese Arbeit hier brauchen, oder jemanden, der nur vor dem Computer sitzen kann. Ich brauche jemanden, der was machen kann.“ Aber er habe schon mal einen Beschäftigten gehabt, „der nicht zwei und zwei zusammenzählen, aber stattdessen Traktor und Mähdrescher fahren konnte“.

Knapp zwei Jahre hat die Qualifizierungsphase gedauert, bei der die DAA Kevin Richenhagen mit vier Behinderten regelmäßig betreut hat. Über die Erfolge und Probleme im Betrieb wurde dabei gesprochen, aber auch intensiv an seiner Merkfähigkeit gearbeitet.

Schwer: Büffeln für den Traktorführerschein

Wann er den Traktorführerschein macht? Er muss für die Prüfung viel auswendig lernen, und das ist ja sein Problem.

Pierkes weiß, dass der junge Mann gut Traktor fahren kann und ist mit ihm hochzufrieden. „Er identifiziert sich mit dem Betrieb, und das ist mir sehr wichtig“, sagt der Chef. „Und er kann gut mit den Pferden umgehen. Er reitet noch nicht so lange, aber man sieht, dass er ein Gefühl dafür hat.“

Auch Johannes Klapper ist zufrieden. Als Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Brühl spricht er von einem guten Beispiel für andere Betriebe. „Alle jammern immer vom Fachkräftemangel, sie würden niemanden finden, den sie einstellen könnten. Aber hier sieht man, es gibt eine breite Palette von Möglichkeiten, den richtigen Jugendlichen zu finden, den man gebrauchen kann.“ Natürlich müsse ein Angestellter produktiv sein. „Arbeitgeber sind ja keine Gönner, sondern Unternehmer“, sagte Klapper. „Kevin hatte keine direkte Chance, auf dem Arbeitsmarkt eine Ausbildung zu finden. Und eine komplette Ausbildung schafft er vielleicht auch nicht. Aber man muss doch nicht immer fragen ,Was kann er nicht?‘, sondern: ,Wie geht das?‘“ Pierkes ist überzeugt von seinem neuen Arbeitnehmer. „Kevin ist zuverlässig, abgesehen davon, das er zwar niemals morgens das Füttern vergessen würde, aber wohl das Tränken im Anschluss daran.“ Pierkes: „Ich könnte Ihnen Geschichten zur Motivation von einigen Schülern erzählen, da ist Kevin ein absolutes Sahneteil gegen.“