Vortrag„Made in Euskirchen“

An der Zuckerfabrik standen schon früh Traktoren Schlange.
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Euskirchen – Die großen Industriebetriebe in Euskirchen prägen das Bild der Stadt. Die Einwohner verbinden mit ihnen nicht nur unübersehbare Fabriken, sondern auch spezielle Gerüche. „Euskirchen ohne Latz und Euskirchen ohne Hundekuchen-Geruch wäre nicht Euskirchen“, befand Dr. Gabriele Rünger, Leiterin des Euskirchener Stadtarchivs, vor rund 120 Zuhörern im Alten Casino. Die Historikerin plauderte für den Kreisgeschichtsverein aus ihrem Buch „Euskirchen im Spiegel der Zeit“, das im Sommer erscheinen soll.
An Albert Latz erinnert nur ein Straßenname
„Made in Euskirchen“ lautete der Titel des Vortrags, der sich mit Marken beschäftigte, die aus der Kreisstadt stammen oder stammten. So erzählte sie von Albert Latz, der Jagdhunde züchtete und das Futter für sie selbst herstellte. 1905 nahm die Fabrik ihren Betrieb auf, damals noch an der Gerberstraße. In den 60er Jahren zog Latz auf das heutige Gelände. Das ursprüngliche Markenzeichen zeigte eine Deutsche Dogge und einen Hahn, da Latz auch Geflügelfutter herstellte. „1971 ist der Familien-Betrieb zu Ende“, berichtete Rünger. Heute gehört der Betrieb zum Nestlé-Purina-Konzern. „Vom Namen Latz blieb letztlich nichts übrig“, so Rünger. Lediglich die Zufahrtsstraße wurde nach dem Firmengründer benannt.
Einen zweiten Geruch kennt jeder Euskirchener seit der Kindheit: den der Zuckerfabrik Pfeifer und Langen. Es war der 19. Oktober 1879, als die Stadt die erste Rüben-Kampagne vor ihren Toren erlebte. Dass die Fabrik am Ortsrand überhaupt gebaut wurde, liegt an Laurenz Fischer. Er liebte Jagdgesellschaften im Flamersheimer Erbenwald und lud dazu die vornehme Gesellschaft ein. So lernte er Eugen Langen und Emil Pfeifer sowie dessen Sohn Valentin kennen. „Das waren Pioniere“, erzählte Rünger: „Sie experimentierten mit Rübenanbau und Zuckergewinnung.“ Wegen der Bekanntschaft mit Fischer auch auf den Feldern bei Euskirchen. Während der ersten Kampagne verarbeiteten 153 Mitarbeiter 230 Tonnen Rüben pro Tag. Heute sind es täglich 10 000 Tonnen. Ein Bild von langen Traktor-Schlangen, das Rünger an die Wand projizierte, rief Erinnerungen wach. Begonnen aber hat die Industrie in der Stadt mit den Tuchmachern. „Zu den allerersten Fabriken im Stadtgebiet gehörte die Tuchfabrik Jacob Koenen in Kuchenheim“, erklärte Rünger.
Heute ist dort das LVR-Industriemuseum untergebracht. 1808 wurde der Beitrieb gegründet. Anders als andere Tuchhersteller stellte sie ein eigenes Produkt her: die „Koenen-Hose“. „1908 ging man dazu über, Hosen von der Stange zu kaufen“, so Rünger. Bis 1982 hielt sich die Hose im Geschäft. „Diese Hosen hat in Euskirchen jeder getragen. Ich erinnere mich, dass ich sie als Kind trug. In rosa und türkis, mit und ohne Schlag.“ Zudem habe Koenen an C&A, Hettlage und Boecker geliefert. Erst ab 1871, so die Historikerin, könne man von „Tuchfabriken“ reden.
Zuvor seien die Unternehmen lediglich größere Handwerksbetriebe gewesen. Hauptauftraggeber war das deutsche Militär. Militärtuch aus Euskirchen war beliebt. Den ersten Auftrag erhielt die Fabrik Josef Schiffmann. Über die Innung bekam sie einen Auftrag für Uniformen für den amerikanischen Bürgerkrieg. Der Krieg 1870/71 habe Euskirchener Tuchfabriken goldene Zeiten beschert, weiß Rünger. „Es gab damals 34 Fabriken mit 362 Arbeitern und 317 Webstühlen.“ Die „Prato-Krise“ in den 1950er und 60er Jahren, als Firmen der italienischen Provinz Prato billiger produzierten, bedeutete für die Fabriken in Euskirchen den Niedergang. Interessant: In den 1960er Jahren fanden sich Stoffe der Tuchfabrik Ruhr-Lückerath in Autos von Mercedes-Benz.
Eine wechselvolle Geschichte hat das Gelände des heutigen Nahversorgungszentrums an der Georgstraße. Ursprünglich stand dort die „Metall- und Sortierwaren-Fabrik Deutschbein“, die Sicherheitsnadeln der Marke „Primadonna“ herstellte. Dass dort im Zweiten Weltkrieg Munition hergestellt wurde, wusste ich“, so Rünger. Doch auch NS-Ehrenabzeichen seien dort produziert worden, wie sie herausfand. Anschließend wurde an gleicher Stelle „Jola-Glas“ hergestellt. „Mitte der 50er kam eine der schillerndsten Gestalten des Euskirchener Wirtschaftslebens hierher“, berichtete Rünger. Kurt Wokan aus Prag übernahm die Fabrik 1956 und benannte sie nach seiner Frau „Ingrid-Hütte“. Viele portugiesische Gastarbeiter fanden dort Lohn und Brot. 1968 schaffte es der selbst ernannte „Provinzindustrielle“, den ehemaligen Bundeskanzler Ludwig Erhard gegen eine Spende von 10 000 Mark nach Euskirchen zu holen.
Zwei weitere große Wirtschaftsunternehmen, die allerdings keine speziellen Euskirchener Produkte herstellen, führte Rünger ebenfalls an: Miele sowie Procter & Gamble. Rünger erinnerte auch an die Firma „Rheinobst“, die ursprünglich an der Bahnhofstraße, später in den Herrenbenden produzierte: „Sie hat mit ihren Produkten einen neuen Markt erobert.“ 1957 ging die Firma Konkurs. Rünger: „Sie hat sich nie von einem Bombentreffer 1944 erholt.“