Inflation und KrisenDer Klepperstall und die Tierheime im Kreis Euskirchen sind voll

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Nina Aschhoff und Bettina Kossmann stehen an einem Außenreitplatz. Nina Aschhoff hält ein Pferd am Halfter.

Die beiden Betreiberinnen des Klepperstalls, Nina Aschhoff (l.) und Bettina Kossmann, mit „Bacardi“, einem der vielen Pferde, die auf dem Schutzhof in Langendorf versorgt werden.

Hohe Kosten, weniger Personal. Und es wurden noch nie so viele Pferde aufgenommen: Die Betreiberinnen des Zülpicher Klepperhofs plagen einige Sorgen.

Pferdehöfe sind im Winter selten die kuscheligsten Aufenthaltsorte. Gerade, wenn es viel regnet, wie in diesem Jahr, versinken Weiden und Paddocks in tiefem Matsch. Durch Stallgassen und Reithallen zieht eine eisige Brise, denn Pferde mögen es luftig. Sie haben, was Wohlfühlatmosphäre angeht, ganz andere Vorstellungen als die verweichlichte Menschheit.

Der Klepperstall in Zülpich-Langendorf macht da keine Ausnahme, auch wenn es sich dabei so gar nicht um einen Hobbyreiterhof mit fröhlichen, geführten Ausritten handelt. Es ist ein Tierheim, wenn auch eines mit Boxen und Ställen statt Zwingern. Auf dem Schutzhof finden Pferde, die von ihren Besitzern aus den verschiedensten Gründen abgegeben werden müssen, eine Heimstatt. Damit ist der Klepperstall eine der wenigen Einrichtungen, die sich für Pferde engagieren, die ein neues Zuhause suchen. Und davon gibt es mehr als man meint.

Der Klepperstall in Langendorf stehen 31 Pferde auf der Warteliste

„Wir haben zur Zeit immer rund 70 Pferde“, sagt Nina Aschhoff. „Das sind so viel wie noch nie“, ergänzt Bettina Kossmann. Die beiden Frauen leiten den Klepperstall. Die Belegung auf dem Hof selbst ist auf den ersten Blick relativ übersichtlich. Die meisten Pferde seien auf verschiedene Pflegestellen verteilt, ergänzt Aschhoff. Dazu seien auch noch 31 auf der Warteliste.

Die Leute sind verzweifelt. Wo soll das noch hinführen?
Bettina Kossmann

Besonders schlimm sei es ab dem Sommer geworden. Seit die Verteuerung auf alle Lebensbereiche durchgeschlagen habe, seien die Anfragen in die Höhe geschnellt. „Es gibt Tage, da könnten wir 20 oder 30 Pferde nehmen“, sagt sie.

„Die Leute sind verzweifelt“, berichtet Kossmann. Sie könnten die Kosten nicht mehr zahlen. Eine wichtige Komponente seien dabei auch die erhöhten Tarife der Tierärzte. „Einschläfern mit Abholen kostet 600 Euro“, erklärt sie. Was oft als einzige Alternative bleibe, sei der Schlachter. „Wo soll das noch hinführen?“, fragt sie sich oft.

Die Betreiberinnen befürchten, dass sich die Lage noch verschärft

Denn die Spitze des Eisberges ist ihrer Einschätzung nach noch lange nicht erreicht. Eine viel größere Schwemme drohe, wenn große Reithöfe schließen müssten, befürchtet Aschhoff. Tierarzt, Futter, Personal und Energie, alles sei teuer geworden. „Was man heutzutage an Stallmiete aufrufen muss, kann keiner mehr bezahlen“, hat sie erfahren. Dadurch verschwinden auch immer häufiger Unterstellmöglichkeiten. Wenn die Pferde noch reitbar seien, seien sie gut zu vermitteln, so Aschhoff.

Doch die Nachfrage nach Pferden, die nicht mehr geritten werden können und stattdessen ihren Artgenossen als Beistellpferde Gesellschaft leisten, wie die Herdentiere es für ihr Wohlbefinden brauchen, sei komplett eingebrochen. An ihrer Stelle seien derzeit Shetlandponys gerne genommen, die mit Großpferden vergesellschaftet werden. Eine Idee, von der Aschhoff abrät: „Die passen nicht zueinander.“ Und die Kosten, so fügt Kossmann hinzu, seien ähnlich wie bei einem Großpferd.

Doch nicht nur für die Pferdehalter haben sich die Bedingungen verschärft, auch der Klepperstall leidet unter der aktuellen Situation. Denn die Spendenbereitschaft sei ebenfalls gesunken. „Wir versuchen, andere Standbeine zu entwickeln“, sagt Aschhoff. So wurden Adventskalender versteigert. „Wir sind auch immer auf den Märkten in der Umgebung präsent“, fügt Kossmann hinzu.

Hinzu komme die angespannte Personalsituation. „Wir können keine Angestellten mehr bezahlen“, so Aschhoff. Wegen der Haushaltssperre fallen auch die zwei jungen Frauen, die hier ihren Bundesfreiwilligendienst ableisten, voraussichtlich weg. Geld und Arbeitskraft werden am stärksten vermisst. „Wir sind ein Haufen Frauen und bräuchten ein paar handwerklich begabte Männer“, sagt Kossmann. „Ich habe keine Ahnung, wie es weitergeht“, sagt Aschhoff. Hinzu komme noch die Erhöhung der Futterkosten, es nehme kein Ende.

Das Projekt für heimatstalllose Pferde bei Zülpich gibt es seit 2015

Seit 2015 widmen sich die beiden Frauen heimatstalllos gewordenen Pferden. „Wir stehen hinter dem Projekt“, betont Aschhoff. Denn da sind auch die Erfolgserlebnisse. Etwa „Felix“, der sich auf die Reise ins Ruhrgebiet macht. Ungern allerdings, denn der Rappe hat in seinem Leben als Sportpferd keine guten Erfahrungen mit Transporten gemacht. Nur mit gutem Zureden ist er in den Hänger zu bekommen, wo die neue Besitzerin Stefanie Gunkel ihm ein Netz mit Heu zum Knabbern hinhängt. „Wir fangen ganz langsam an“, verspricht sie ihm. Das fast 20 Jahre alte Pferd solle demnächst nur noch als Freizeitpferd geritten werden.

Schwieriger zu vermitteln ist „Bacardi“, der aus Prüm nach Langendorf kam. Dort habe sie ihn nicht mehr halten können, da er in dem Stall Lungenprobleme bekommen habe, berichtet Ann-Kristin Keller, die frühere Besitzerin. Sie besucht ihren Liebling regelmäßig und hat auch eine bezahlte Patenschaft übernommen, um die klamme Kasse des Klepperstalls zu entlasten. „Ich wollte, dass es ihm gut geht“, betont sie. „Er hat immer gehustet, und der Tierarzt sagte, er brauche mehr Bewegung an frischer Luft“, berichtet sie weiter.

Doch das habe sie als voll berufstätige Frau „Bacardi“ nicht bieten können. Erst habe sie versucht, ihn zu verkaufen. Schließlich habe sie den Platz im Klepperstall bekommen. Gehustet habe er zwar, seit er in der Börde angekommen sei, kein einziges Mal, doch sein Charakter sei schwierig, berichtet Aschhoff über „Bacardi“. Auf jeden Fall müsse der neue Besitzer mit ihm erst einmal Freundschaft schließen. Und dann sei alles möglich: „Alles kann, nichts muss“, sagt sie.


Die Situation in den Tierheimen

Im Tierheim Mechernich sind die Zwinger voll, berichtet Reiner Bauer: „Wir konnten keine Hunde mehr aufnehmen.“ Er wolle nicht jammern, aber es sei abzusehen, dass es so weiter gehe. „Es sieht nicht rosig aus, denn mittlerweile kommen die ganzen Corona-Rückläufer. Wir können diese Tiere nicht alle aufnehmen“, erklärt auch er.

Acht beschlagnahmte Hunde seien allein im Mechernicher Tierheim eingetroffen, deren Besitzer die Tiere nicht mehr hätten halten können. Teils sogar unterernährt seien sie bei ihm eingetroffen, so Bauer. „Man muss auch den älteren Menschen helfen, die das nicht mehr leisten können“, fordert er. Da sei vieles im Argen. Auch sein eigenes Zuhause wurde bereits belegt. „Wir mussten jetzt sechs kleine Katzen mit der Flasche großziehen“, berichtet Bauer.

Vermittelt wurde kurz vor Weihnachten nicht mehr, um dem leichtfertigen Verschenken von Tieren entgegenzuwirken. Dass die Geld- und Futterspenden zurückgegangen seien, könne er dagegen nicht berichten. „Ohne die Hilfe der Bevölkerung ginge das gar nicht“, betont Bauer.

Über ausbleibende Spenden kann sich auch Markus Schmitz-Bongard vom Tierheim Kall nicht beklagen. „In diesem Jahr hat es gut funktioniert“, sagt er. So stehe das Tierheim finanziell solide da, auch deshalb, weil es schlank aufgestellt sei und vor allem ehrenamtliche Kräfte beschäftigt werden.

Das Tierheim sei aktuell nicht überbelegt. „Wir konnten das steuern, weil wir zweimal bei der TV-Sendung ,Tiere suchen ein Zuhause' waren und dabei gut vermittelt haben.“ Um die Mitarbeiter zu schonen, versuche man etwa, über Weihnachten die Belegung niedrig zu halten. Was dann komme, müsse man sehen. „Wir haben auch Wartelisten mit Tieren, die abgegeben werden sollen“, sagt er. 

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