Zweiter Weltkrieg in MechernichZehn Zivilisten starben in den Trümmern

An der Stelle dieses Hauses in Urfey stand eines der beiden Gebäude, die beim Bombenangriff vor genau 70 Jahren zerstört wurden.
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Mechernich-Urfey/Vollem – Stein des Anstoßes für die Recherchen, die der Vussemer Heimatforscher Albert Velser in den zurückliegenden Monaten unternommen hat, war im wahrsten Sinne des Wortes das Mahnmal, das am Ortsausgang von Urfey in Richtung Weyer steht. „Die Inschrift des Steins ist schon stark verblichen. Aber die traurige Geschichte, die damit verbunden ist, hat mich doch sehr interessiert“, berichtet Velser im Gespräch mit dieser Zeitung.
Auf den Tag genau vor 70 Jahren erlebte der kleine Mechernicher Weiler Urfey den vermutlich schwärzesten Tag seiner Geschichte. Damals kamen bei einem Bombenangriff zehn Zivilisten ums Leben, darunter die Landwirtsfamilie Zingsheim. Der folgenschwere Fliegerangriff wenige Monate vor Kriegsende war auch Jahrzehnte später immer mal wieder Gesprächsthema selbst in Nachbardörfern wie Vussem.
Als Albert Velser bei einer Wanderung durch die Umgebung zufällig auf den Gedenkstein stieß, beschloss er, sich intensiver mit diesem tragischen Ereignis auseinanderzusetzen. Dabei brachte er in Erfahrung, dass der Angriff der Alliierten-Bomber um die Mittagszeit gegen 14 Uhr erfolgte. Als die Bewohner von Urfey und im benachbarten Vollem die Flugzeuge hörten, blieb ihnen keine Zeit mehr, in Kellerräumen oder im Bunker Schutz zu suchen. „In Vollem gab es damals einen alten Bergwerksstollen, in dem sich die Leute in Sicherheit bringen konnten“, so Velser
Zeitzeugen, die den Bombenangriff miterlebten, gibt es nicht mehr viele. Einer von ihnen ist der Schleidener Pfarrer Peter Müllenborn. „Ich war damals acht Jahre alt und war gerade bei den Soldaten, die eine Werkstatt auf dem Bauernhof Lutterbach hatten“, erinnert sich der Geistliche. Er habe auf dem Trittbrett eines der Militärfahrzeuge ein Stück mitfahren dürfen. „Als die Flugzeuge auftauchten, hat sich der Soldat, der den Wagen steuerte, in den Graben geworfen“, so Müllenborn. Er selbst sei ins benachbarte Haus Zalfen gerannt und habe sich mit den Hausbewohner auf den Boden geworfen. Sein Bruder Ludwig und Nachbarssohn Josef Korth seien beim Schlittschuhlaufen auf dem Feybach gewesen, als der Angriff erfolgte.
„Die Bomben sind im Wesentlichen auf der Strecke zwischen Eiserfey und Vollem gefallen. Und dann wieder am Ortsausgang Richtung Kallmuth“, weiß der Pfarrer im Ruhestand zu berichten. In Vollem kamen dabei wie durch ein Wunder keine Menschen zu Schaden. Allerdings wurden etliche Häuser teilweise erheblich beschädigt. Die zahlreichen Bombentrichter rund ums Dorf sind noch heute mit bloßem Auge zu erkennen.
In Urfey landete die Bomben der Alliierten nicht in Wiesen und Äckern, sondern trafen zwei Häuser, die den Familien Breuer und Zingsheim gehörten. Dabei wurden insgesamt zehn Menschen getötet. „Wenn Leute von diesem schlimmen Tage erzählt haben, war ja immer von den Zingsheims die Rede, deren Familie fast vollständig ausgelöscht wurde“, berichtet Albert Velser. Die Namen der übrigen Getöteten waren dagegen kaum jemandem vollständig bekannt, wie der Vussemer bei seinen Recherchen erfuhr. Deshalb verschaffte sich Velser Zugang zu den standesamtlichen Büchern der früheren Bürgermeisterei Weyer und blätterte außerdem in den Sterbeverzeichnissen der Pfarrei St. Cyriakus, zu der Urfey und Vollem gehören. „Nach diesen offiziellen Aufzeichnungen sind beim Bombenangriff Bernard Zingsheim, 81 Jahre, Landwirt, Hermann Zingsheim, 47 Jahre, ebenfalls Landwirt, und dessen Ehefrau Helene, 45 Jahre, zu Tode gekommen“, erläutert der Heimatforscher.
Unter den Opfern befand sich außerdem Auguste Schröder, die Frau des Gemünder Notars Dr. Karl Schröder. Dieser hatte seine Frau eigens nach Urfey geschickt, um sie dort in Sicherheit zu bringen. Zufällig auf dem Anwesen Zingsheim untergebracht war auch Anna Joisten, die aus Eichen bei Hellenthal nach Urfey evakuiert worden war. Mit ihr wurden ihre beiden Kinder Dietrich Franz (13 Jahre) und Ingeborg Maria (drei Jahre) unter den Trümmern begraben.
Die weiteren Opfer waren der 38-jährige Arnold Thelen aus Kall sowie die beiden russischen Zwangsarbeiterinnen Alexandra Schura und Alexandra Timoschine. So steht es jedenfalls im Pfarrarchiv. In den Akten der Bürgermeisterei sind die beiden letztgenannten Namen nicht im Sterbeverzeichnis aufgeführt; stattdessen wird der Name Ferde Drehwatana, geboren 1917 in Simeis im Kreis Galka als eines der Opfer des Bombenangriffs genannt.
Glück hatte der 17-jährige Sohn der Familie Zingsheim, der am Unglückstag nicht zu Hause war und so dem Tod entging. Er lebte bis vor Kurzem in einem Zülpicher Außenort, wohin es ihn nach dem Krieg verschlagen hatte.