Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

„Glaube, Gott und Currywurst“Pfarrer Meurer macht Hoffnung für die Kirche von morgen

Lesezeit 4 Minuten

Hat immer Klimpergeld in seiner Tasche, wenn er morgens zum Schwimmen geht: Pfarrer Franz Meurer aus Köln.

  1. Franz Meurer ist Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde Höhenberg und Vingst in Köln
  2. Mit seinem aktuell erschienenen Buch „Glaube, Gott und Currywurst“ zeigt er auf, wie Kirche sich modernisieren könnte.
  3. Ingo Schmitz stellt das neue Buch vor und hat mit dem beliebten Pfarrer gesprochen.

Köln – Eigentlich ist es nur eine Beschreibung seines täglichen Lebens und Erlebens. Ob privat oder beruflich, das lässt sich bei einem Priester vom Schlage Franz Meurer nicht auseinanderhalten. Der wohl kölscheste aller Kölner Geistlichen leitet die Kirchengemeinde Höhenberg und Vingst. Ein multikulturelles Veedel, in dem es längst nicht mehr selbstverständlich ist, dass der katholische Glaube in bürgerlichem Haushalt von Kindesbeinen an mitgegeben wird, aber in dem ein homosexuelles Mitglied des Pfarrgemeinderates offen in einer Beziehung mit dem evangelischen Pfarrer lebt, in dem sich die Frauen der Gemeinde rege an Protestaktionen der Gleichberechtigungsbewegung Maria 2.0 beteiligen. Und damit ist das neue Buch Meurers mit dem Titel „Glaube, Gott und Currywurst“ eigentlich nur eine Alltagsbeschreibung. Hintergründig ist es vielmehr ein listiger Zukunftsentwurf für die Kirche von morgen.

Ein Bekenntnis unterm Föhn

„Joggen geht nicht, davon kriege ich dicke Knie.“ Wer Pfarrer Meurer kennt, hört diesen Satz unweigerlich in rheinischem Singsang. Einen anderen Zungenschlag kann er einfach nicht. Um also dicke Knie zu vermeiden, geht Meurer morgens schwimmen. „Wenn keine frühe Beerdigung ansteht.“ Meurer kennt die Menschen seines Veedels. Er hat immer etwas Klimpergeld in der Hosentasche, für die Kinder, die sich ansonsten nach dem Schulschwimmen nicht föhnen könnten. Einmal rief ein Mädchen stolz unter dem Föhn hervor: „Das ist mein Pfarrer“. „Ach, wohin fährt er dich denn?“, habe prompt ein Schuljunge gefragt. „Woher sollte der Junge wissen, was ein Pfarrer ist? Bei uns in einem eher armen Viertel sind die meisten nicht katholisch oder evangelisch, sondern Muslime, Sikhs oder Jesiden, oder ohne Religion.“ Das ist die Motivation für das Buch: Erzählen, wie Christsein funktioniert, wenn Christentum längst kein Volksglaube mehr ist.

Ökumene? Was sonst?

Ihr ist kein eigenes Kapitel gewidmet, der Ökumene. Weil sie für Meurer keine Rolle spielt? Im Gegenteil. Ökumene zieht sich wie eine Selbstverständlichkeit durch das ganze Buch. Immer wieder ist vor allem die Zusammenarbeit, das Zusammenstehen von katholischen und evangelischen Christen Bestandteil der vielen Berichte aus dem Gemeindeleben. Da kann als Beispiel der Gottesdienst für die Sternsinger genannt werden, an dem selbstverständlich der evangelische Pfarrer teilnimmt. Da schaut er auf die Trauergottesdienste der Evangelen, von denen er sich gerne mal etwas abschaut.

Frauen als Geistliche? Geht doch

Wie weit Pfarrer Meurer die Ökumene lebt, zeigt sich gerade an einer brisanten Frage, die zurzeit lautstark in den katholischen Gemeinden gestellt wird. Warum können Frauen nicht in Weiheämter kommen? Er sucht dabei nicht die direkte Konfrontation mit konservativen Kreisen seiner Kirche, zu denen ja auch sein Bischof, Rainer Maria Kardinal Woelki, gehört. Er führt sanft zu seiner These hin, zeigt die Defizite auf, die sich durch Priestermangel auftun. Und dann kommt er wieder zu einem Beispiel: „Was ist nun, wenn eine junge gläubige Katholikin trotz aller Probleme noch zu ihren Lebzeiten Pfarrerin werden will? Es geht, ich habe es erlebt mit einer sehr engagierten Gruppenleiterin in meiner ersten Kaplanstelle vor vierzig Jahren. Sie ist zur evangelischen Kirche konvertiert und ist nun eine glückliche Pfarrerin. Bei ihrer Pfarreinführung war ich dabei und durfte ihr, wie auch die evangelischen Pfarrer, die Hand auflegen und einen Segensspruch sagen.“

Demokratie in der Kirche?

Ja, aber ...

Der Liberalismus hat Grenzen, auch bei Sozialpfarrer Franz Meurer. Die Beteiligung aller Gläubigen an den kirchlichen Prozessen hält er für unverzichtbar. Jeder müsse sich einbringen können. Aber die Kirche im Ganzen ist für ihn nach katholischer Lehre Gott gegeben. Der Chef ist Christus, und von da ab geht es hierarchisch zu. Verantwortung verteilen? Ja. Macht teilen? Nein.

Gemeinsame Eucharistie? Ist kein Thema

Es ist die offene Wunde der Ökumene, die in absehbarer Zeit nicht verheilen wird. Auch Pfarrer Meurer hat kein Pflaster anzubieten. Das Thema gemeinsames Abendmahl oder auch gemeinsame Eucharistiefeier findet in „Glaube, Gott und Currywurst“ nicht statt. Obwohl, vielleicht indirekt. Werde der Glaube so in ökumenischer Gemeinschaft gelebt, stärke das die Konfessionen, sagt er unter 21 Tipps, die sein Buch abschließen.

Schmeckt die Currywurst?

Es sind vor allem die Passagen und Kapitel, in denen Meurer direkt aus dem Gemeindeleben berichtet, die runter gehen wie Öl. Kölsches Lebensgefühl im Brennglas. Ein Revoluzzer ist Meurer nicht. Er stellt nicht alles auf den Kopf. Aber gerade deshalb ist sein „Entwurf“ einer, der Hoffnung macht.

Das neue Buch von Franz Meurer

Denn er zeigt beeindruckend, wie christlicher Glaube nach dem Absterben der Volkskirche in Gemeinschaft und glaubhaft gelebt werden kann, ohne das dafür Unterschiede aufgehoben werden müssen.

Franz Meurer: Glaube, Gott und Currywurst, 20 Euro, ISBN 978-3-451-39239-9 HERDER 2020