Interview mit Bettina Böttinger„Ich kann mir ein Leben ohne Arbeit nicht vorstellen“

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Bettina Böttinger sitzt nach der Aufzeichnung der Sendung "Queer in 2021" im Studio.

Bettina Böttinger an verschiedenen Stationen ihrer Karriere: als Moderatorin bei WDR mit Hund Finchen (o.l.); mit ihrem früheren Co-Moderator Achim Winter (o.r.), mit Sänger Heino und Moderatorin Bärbel Schäfer (u.l.) und mit WDR-Intendant Tom Buhrow (u.r.). dpa

Bettina Böttinger sagt nach 30 Jahren Talk im WDR am Freitag Tschüss – doch die 67-Jährige denkt noch lange nicht an Rente.

Bettina Böttinger hat den Talk im WDR 30 Jahre lang mit verschiedenen Shows geprägt, nach 17 Jahren „Kölner Treff“ sagt die Wahl-Kölnerin am Freitag Tschüss. Welche Pläne die 67-Jährige hat und wie sie die 30 Jahre erlebt hat, hat sie im Gespräch mit Klaus Müller erzählt.

Als im Juli der WDR Ihren Abschied vom Kölner Treff verkündete, dachten wohl viele: Frau Böttinger geht mit 67 Jahren in die wohl verdiente Rente. Dem ist aber nicht so, oder?

Ehrlich gesagt, kann ich mir ein Leben ohne Arbeit gar nicht vorstellen, andererseits ist mein Leben seit 30 Jahren ziemlich durchgetaktet. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, nach dem 30-jährigen Jubiläum die Kölner Treff-Moderation abzugeben. Ich wollte nicht abwarten, bis man mich mit 74 Jahren aus dem Studio trägt. Und ich möchte gerne noch einmal was anderes machen. Ich habe so viele Interessen, sowohl beruflich als auch privat, denen ich mich künftig widmen möchte.

Die da wären?

Ich habe in den vergangenen 30 Jahren ja nicht nur Talkshows moderiert, sondern auch immer wieder Reportagen gemacht. Hinzu kommt meine Produktionsfirma, die gerade zu Beginn sehr viele Sendungen produziert hat. Aktuell produzieren wir das erfolgreiche Talkformat „Krause kommt“ mit Pierre M. Krause und „Böttinger. Wohnung 17“, in dem ich mich mit queeren Menschen unterhalten habe. Immerhin haben wir 50 Folgen als Podcast, davon im letzten Jahr bereits vier auch fürs Fernsehen produziert. Daraus haben wir nun ein neues TV-Format entwickelt, das unmittelbar nach meinem letzten „Kölner Treff“ online first sowohl in der ARD-Mediathek als auch im linearen Fernsehen gezeigt wird und ab dem 3. November wöchentlich im linearen Fernsehen. Inhaltlich soll es sich aber nunmehr nicht mehr nur auf queere Menschen beschränken. In dieser Woche habe ich die letzte von zunächst sechs Folgen der ersten Staffel produziert. Das Format hat ein bisschen was von „alfredissimo“, weil ich gleich zu Beginn der 45-minütigen Sendung mit meinem Gast gemeinsam koche.

Der Intendant des Westdeutschen Rundfunks (WDR), Tom Buhrow, und Moderatorin Bettina Böttinger vor Beginn der Live-Sendung ‚WDR-Check‘ im Kunstwerk in Mönchengladbach

Der Intendant des Westdeutschen Rundfunks (WDR), Tom Buhrow, und Moderatorin Bettina Böttinger vor Beginn der Live-Sendung 'WDR-Check' im Kunstwerk in Mönchengladbach

Wer ist in der ersten Staffel dabei?

Guido Maria Kretschmer, Kerstin Ott und Maren Kroymann beispielsweise. Das neue Format ist erst einmal eine Teststrecke, derzeit kann ich nicht sagen, ob es nach der   Staffel weitergehen wird.

Worauf freuen Sie sich?

Vor allem auf mehr freie Zeit, und die Entscheidung, wie ich sie verbringe. Ich hatte in einem der letzten Jahre 44 Kölner Treff-Sendungen, die ich alleine moderiert habe. Das war einfach zu viel. Da habe ich damals Micky Beisenherz und Susan Link mit ins Boot geholt. Zunächst als Vertretung und dann als Kollegenteam.

Bettina Böttinger als Moderatorin beim WDR mit Hund Finchen

Bettina Böttinger als Moderatorin beim WDR mit Hund Finchen

Ihr letzter Kölner Treff könnte ein sehr emotionaler Abend werden. Starkoch Johann Lafer hat Ihnen in Ihrer vorletzten Show am vergangenen Freitag ja schon im Namen aller Zuschauer für Ihre Arbeit gedankt. Das Publikum hat stehend applaudiert. Man hat Ihnen angesehen, dass Sie das stolz, aber auch verlegen gemacht hat.

Viele haben mir gesagt, das kannst du doch nicht machen. Das ist aber schade, dass du aufhörst. Diese Reaktionen haben mich sehr bewegt und mir zu gleich gezeigt, dass ich in den vergangenen Jahren vieles richtig und gut gemacht habe. Das macht mich auch stolz. Es war ein großes Geschenk mit so vielen interessanten Menschen in einer Runde zu sitzen und zu versuchen, diese miteinander ins Gespräch zu bringen. Das ist keine leichte Aufgabe, wenn man den Anspruch hat, tatsächlich Gespräche zu führen und nicht nur auf schnelle Pointen scharf ist. Was meinen letzten Kölner Treff angeht, bin ich selbst sehr gespannt, was mich erwartet. Hinterher gibt es übrigens noch eine lange Böttinger Nacht im WDR-Fernsehen, da wird unter anderem die allererste „B. trifft...“-Sendung gezeigt.

Wissen Sie denn, was Sie zu Ihrem Abschied erwartet?

Ich weiß tatsächlich nur wer kommt, aber nicht was passieren wird. Ich habe aber so viel Vertrauen zu meinem Team, als auch zum WDR, dass ich mich auf dieses kleine Abschiedsabenteuer einlassen kann. Einen Gast von der Liste habe ich allerdings wieder ausgeladen: Nura. Die Musikerin hat unmittelbar nach dem Massaker der Hamas in Israel einen Pro-Palästina-Post im Internet abgesetzt. Auch wenn sie sich unmittelbar danach entschuldigt hat, das geht gar nicht. Da habe ich keinen Moment gezögert und Nura nach Rücksprache mit meiner Redaktionsleitung wieder ausgeladen.

Sie tragen am Revers einen Israelfahnenanstecker.

Ja. Und zwar seit dem brutalen Anschlag der Hamas. Ich bin immer eine überzeugte Demokratin gewesen und habe mich auch immer gegen jede Form von Antisemitismus eingesetzt. Deshalb blieb mir keine andere Wahl, Nura auszuladen. Stattdessen kommt nun die Künstlerin Kübra Sekin. Die anderen Gäste, auf die ich mich freue, sind Herbert Grönemeyer, der auch singen wird, Guido Maria Kretschmer. Torsten Sträter, Annette Frier und Margarita Broich.

Haben Sie eine besondere Garderobe für den Abend?

Ja, tatsächlich. Ein bekannter Berliner Modeschöpfer hat mich eigens eingekleidet, das war sein persönlicher Wunsch. Ich hatte ihn vor zweieinhalb Jahren zum Podcast in meine Wohnung eingeladen. Eigentlich hatte ich schon meine Garderobe für den Abend gewählt, aber wir haben dann nochmal umentschieden. Jetzt werde ich einen Anzug   von ihm tragen.

5000 Begegnungen in 30 Jahren Talkshowmoderation. Da kommt einiges zusammen. Was bleibt Ihnen besonders in Erinnerung?

Es muss 1993 oder 1994 gewesen sein, da ist gerade Steven Spielbergs Film „Schindlers Liste“ in den Kinos gelaufen. Da haben wir Michel Friedman eingeladen, der damals noch der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland war und eine 84-jährige Holocaustüberlebende aus Tel Aviv, Helene Hirsch-Horowitz, die zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wieder nach Deutschland gekommen ist. Und sie hatte zu tun mit Schindlers Liste, sie war Sekretärin gewesen in einem Konzentrationslager. Die Begegnung der beiden, war einer der bewegendsten Momente, die ich je erlebt habe. Michel Friedman, dessen Eltern damals den Holocaust überlebt hatten, weil sie auf der Liste von Oskar Schindler standen, mutierte zu einem kleinen Jungen, als sie zu ihm sagte: „Dann bist du ja der Michel, dessen Eltern in Krakau in der und der Straße gewohnt haben.“ Diese Begegnung werde ich mein Lebtag nicht vergessen. Ebenso, dass Alfred Biolek sich gewünscht hatte, sich in meiner Sendung vom Fernsehpublikum verabschieden zu dürfen. Er hat seinen Auftritt trotz seines schon sehr gebrechlichen Zustandes so genossen, dass es mich auch glücklich gemacht hat, das miterleben zu dürfen.

Oder meine Begegnung mit Hülya Marquardt. Die junge Frau hat ein schweres Schicksal. In Folge einer Erbkrankheit mussten ihr im Alter von 18 Jahren beide Beine abgenommen werden. Sie ist daran nicht zerbrochen. Sie hat mich nicht nur mit ihrer Schönheit, sondern auch durch ihre große Lebenslust begeistert. Auch von allen anderen Gästen und dem Publikum sind ihr an dem Abend alle Herzen zugeflogen. Das sind allesamt Begegnungen, wo es einem warm ums Herz wurde und die ich als Schatz aus den 30 Jahren mitnehme.

Gibt es auch skurrile Erinnerungen?

Ich erinnere mich an die Sendung mit Rockstar Marius Müller-Westernhagen, der direkt neben Kerstin Ott saß. Sie singt einen Schlager, und er ist begeistert. Oder an einen anderen Abend mit Kardinal Rainer Maria Woelki, den ich heute nicht mehr einladen würde, neben Daniela Katzenberger. Das sind Kombis, die man so im Leben nicht oft findet.

Die WDR-Moderatoren Bettina Böttinger (l) und Achim Winter

Die WDR-Moderatoren Bettina Böttinger (l) und Achim Winter

Was kommt nach dem Kölner Treff?

Im November moderiere ich eine Veranstaltung „Pro Afghanistan“, selbstverständlich ehrenamtlich. Dann werde ich die Verleihung des Wolfgang-Hahn-Preises in Köln, moderieren. Und schon zwei Tage nach meinem Abschied bin ich in Bonn in der Oper zu einem Gespräch mit dem Bonner Generalmusikdirektor Dirk Kaftan eingeladen. Thema: Tschaikowsky und Schicksalsfragen des Lebens. Zudem bin ich jedes Jahr bei der lit.Cologne dabei, mit mehreren Veranstaltungen. Ich möchte künftig mehr Gespräche führen, die länger dauern als das übliche Talkshowformat. Ich könnte mit jedem meiner Gäste 45 Minuten reden, weil ich mich so intensiv auf jeden vorbereite, dass das klappen kann. Das hat viel Kraft und Zeit gekostet, aber auch immer sehr viel Vergnügen bereitet.

Ihre erste journalistische Station nach dem Studium in Bonn war die Bonner Rundschau. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit dieser Zeit?

Ich habe wahnsinnig viel bei der Bonner Rundschau gelernt. Ich hatte da ja relativ lange als Freie gearbeitet, weil ich keine Aussicht auf eine andere Stelle hatte. Ich bin als Reporterin in Kontakt gekommen mit unterschiedlichen Menschen und habe dabei gelernt, dass ich mich jedem Menschen vorurteilsfrei nähern und vor jedem einen Grundrespekt haben muss. In dieser Zeit ist mein Interesse geweckt worden, an dem, was Menschen aus welchem Antrieb tun. Und ich glaube, dass mich die Menschen deshalb schätzen, weil das immer meine Motivation gewesen ist.

Träumen Sie jetzt von langen Urlauben?

Ich habe immer Fernweh. Aber tatsächlich habe ich in diesem Jahr zum ersten Mal seit 20 Jahren einen dreiwöchigen Urlaub gemacht und zwar in Südafrika. Eine phantastische Reise, die ich sehr genossen habe. Aber ich möchte auch künftig nie mehr als eine Fernreise pro Jahr wegen des CO2-Ausstoßes machen.

Sie machen regelmäßig Urlaub in Zeeland in den Niederlanden. Sprechen Sie auch Niederländisch?

Meine Familie hat 1970 ein kleines altes Haus in einem völlig unscheinbaren Dorf an der Oosterschelde gekauft. Seitdem bin ich in diesem Haus. Ein Besuch in Domburg ist mir ehrlich gesagt zu anstrengend. Da werde ich ständig angesprochen, das ist nicht so toll. Was Ihre letzte Frage angeht, möchte ich folgendermaßen antworten. Ich hatte im vergangenen Jahr an Silvester am späten Vormittag eine komplette Verstopfung meines Klos in dem Häuschen. Ich habe es geschafft, einen mir nicht bekannten Klempner am Telefon so zu überrumpeln... auf Holländisch, dass der um halb Eins mit seiner Pumpe kam. Wenn man das so hinkriegt, kann man sagen, ich kann mich sehr gut verständigen.

Die Moderatorinnen Bärbel Schäfer (l) und Bettina Böttinger (r) und der Volksmusik-Sänger Heino (M) in Köln bei der Fernsehsendung „B. trifft...“,

Die Moderatorinnen Bärbel Schäfer (l) und Bettina Böttinger (r) und der Volksmusik-Sänger Heino (M) in Köln bei der Fernsehsendung „B. trifft...“,

Also alles bestens?

Leider nicht. Die leichte Zeit, in der ich groß geworden bin und alles besser wurde, ist definitiv vorbei. Wir hatten 2020 einen Einschnitt in unser aller Leben durch Corona und die Querdenkerbewegung, seit mehr als anderthalb Jahren tobt der Ukraine-Krieg und nun gibt es auch noch Krieg im Nahen Osten. Zwischendurch dann noch die Flutkatastrophe.   Die Barbarei der Hamas in Israel ist ein Schrecken, der so schnell nicht wieder weggehen wird. Juden haben erstmals wieder Angst in Deutschland. Das macht mir auch persönlich Angst um dieses Land. Mir persönlich geht es gut, ich blicke mit Dankbarkeit auf eine tolle Zeit zurück und mit Neugier in die Zukunft, aber was die Weltlage angeht bin ich in einer sehr traurigen Stimmung. Wenn ich mir anschaue, was Russland, China und viele arabische Staaten wollen, die nicht nur antidemokratisch, antisemitisch und homophob sondern gegen alles sind, was anders ist, kann einem angst und bange werden.

Darf man denn in dieser Zeit dann noch etwas Lustiges im Fernsehen anschauen?

Ja, man muss, wenn ich Marcel Reich-Ranicki zitieren darf. Er hat in einer meiner „B.trifft...“-Sendungen auf meine Frage: Konnten Sie denn im Warschauer Ghetto Witze machen? geantwortet: Man kann nicht im größten Elend nur ernst schauen, man muss Witze machen, man muss lachen. Und das ist auch so.


Infokasten

Bettina Böttinger, am 4. Juli 1956 in Düsseldorf geboren, studierte nach dem Abitur Deutsch und Geschichte in Bonn. Als freie Mitarbeiterin bei der Bonner Rundschau wurde ihr journalistisches Gespür geweckt. 1985 wechselte sie als Redakteurin ins Regionalbüro Bonn des WDR, dessen Leitung sie 1989 übernahm. Seit 1991 war sie für den WDR vor allem als Moderatorin tätig. Sie präsentierte unter anderem das Magazin „Parlazzo“, die Talkrunden „B. trifft …“, „Böttinger“, „Kölner Treff“, „West.art-Talk“, den Zuschauer-Talk „Ihre Meinung“ und verschiedene Sondersendungen.

1994 gründete sie ihre eigene Film- und Fernsehproduktionsfirma Encanto. Sie wurde zweimal für den Grimme-Preis nominiert. (EB)

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