Amphetamin-Öl-BandePolizei kam Tätern wegen Attentatsverdacht auf die Spur

Versteckt unter Lebensmitteln hatten die Beamten die Wasserflaschen entdeckt, in denen das Amphetamin-Öl aus den Niederlanden nach Deutschland gebracht wurde.
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- Eine Bande handelte im großen Stil mit selbst hergestellten Amphetaminen, die sie in Wasserflaschen aus den Niederlanden nach Deutschland brachten
- Angeklagt sind fünf junge Männer im Alter von 24 bis 29 Jahren
- Beamte kamen der Bande durch einen Tipp auf ein geplantes Attentat auf den Bundespräsidenten auf die Schliche
Siegen/Oberberg – Eigentlich geht es um den Handel mit selbst hergestellten Amphetaminen im großen Stil – sowohl im Oberbergischen als auch im Siegerland. Aber es geht auch darum, wie die Polizei der Bande auf die Schliche kam. Und das klingt zum Teil wie ein Polit-Thriller, bei dem auch der Plan eines Attentates auf den Bundespräsidenten eine Rolle spielt. Vor dem Landgericht Siegen hat der Prozess gegen eine Bande begonnen, die eine Woche vor Karneval nach dem Fund von literweise Amphetamin-Öl, getarnt in Wasserflaschen, im Raum Wiehl/Bielstein von der Siegener Polizei ausgehoben worden war.
Angeklagt sind fünf junge Männer im Alter von 24 bis 29 Jahren. Sie haben zugegeben, zwischen Mai 2016 und Februar 2018 ziemlich aktiv gewesen zu sein. Das gilt vor allem für drei von ihnen, darunter ein 29-jähriger Gummersbacher und ein 25-jähriger Siegener mit guten Verbindungen nach Engelskirchen. Schwerpunkt der Vorwürfe sind zwei „Einkaufsfahrten“ Richtung Niederlande im Januar und Februar 2018, bei denen insgesamt fast 30 Liter Amphetamin-Öl „importiert“ wurden, getarnt als Wasser in unauffälligen PET-Flaschen.
Für Polizei und Gericht ist die brisante Flüssigkeit ziemliches Neuland. Nach den Erkenntnissen der Polizei haben die Angeklagten zwischen 2000 und 3000 Euro pro Liter bezahlt, je nach Qualität. Daraus wurden in ihren eigenen „Drogenküchen“ durch Zusatz von Methanol und Salzsäure – „die Anleitung wurde mitgeliefert“ – durchschnittlich 3,3 Kilo Amphetamin.
Ein Deal vor dem Prozess
Das wiederum werde auf den heimischen Straßen aktuell „für 8 bis 10 Euro pro Gramm“ verkauft, sagte ein Ermittler im Zeugenstand. Anfang 2017 waren die Drogenfahnder auf die Spur des 25-Jährigen gestoßen, als ein in anderer Sache festgenommener Verdächtiger eine umfangreiche Aussage machte. Ein weiterer Hinweis ergab sich nach der Durchsuchung einer Wohnung in Freudenberg. Dort hatte es einen Tipp auf ein geplantes Attentat auf den Bundespräsidenten durch einen bekannten Rechtsextremen gegeben, der dafür angeblich ein Schnellfeuergewehr bestellt haben sollte. In dessen Kühlschrank fanden sich zwei Kilo Amphetamin, die der Mann „aus Freundschaft“ für den 25-Jährigen ein paar Wochen aufbewahren sollte.
Als Zeuge beschwerte er sich im Gericht über die Durchsuchung aufgrund aus seiner Sicht dummer Verdächtigungen und hält die Droge für „gar nicht so gefährlich“. Immerhin sei sie „in den 1920er und 1930er Jahren als Pervitin in Apotheken verkauft“ und selbst in den 1950ern noch bei der Bundeswehr gebraucht worden. Die Kammer ging nicht darauf ein.
In der Folge hatte die Polizei ihre Arbeit auf den 25-Jährigen und dessen Umgebung fokussiert. Telefonüberwachungen wurden angeordnet, die letzte „Import“-Tour in die Niederlande auch vor Ort von Kollegen observiert. Im Januar 2018 seien elf Liter Amphetamin-Öl von einem niederländischen Kontaktmann übernommen worden, im Februar „15 bis 16 Liter“. Die wurden in drei Fahrzeugen Richtung Siegen und Engelskirchen gebracht. Bei dieser letzten Fahrt griffen die Polizeikräfte zu. Bei einigen der Beteiligten wurden zudem Ecstasy-Pillen oder Marihuana gefunden.
Taschenpistole samt 100 Schuss Munition sichergestellt
Erschwerend kommt für einen aus dem Sauerland stammenden Mann hinzu, dass die Polizei bei einer der Durchsuchungen eine Taschenpistole samt 100 Schuss Munition sicherstellte. Ein Erbstück seines Vaters, ließ der 28-Jährige durch seinen Anwalt erklären. Er habe im Februar eine Drogen-Therapie antreten und seine Wohnung daher aufgeben wollen. Deshalb habe er eine Garage angemietet, in der er seine Sachen einlagerte. Darunter sei auch die Waffe gewesen, die seit Jahren in einem Werkzeugkoffer gelegen hätte.
Der Sauerländer zählt für die Ankläger zusammen mit dem Gummersbacher und dem Mann mit Beziehungen nach Engelskirchen als Haupttäter. Sie müssen nach einer Verständigung zwischen Verteidigung, Gericht und Staatsanwaltschaft im Vorfeld des Prozesses mit einer Höchststrafe von sechs Jahren und zwei Monaten rechnen. Als Gegenleistung für den Deal hatten sie und die anderen Angeklagten früh im Prozess Geständnisse abgelegt, die Beweisaufnahme kann deshalb abgekürzt werden.
Die anderen Männer sind vornehmlich als Fahrer eingesetzt gewesen und kommen nach ihrem Geständnis wahrscheinlich mit etwa drei Jahren davon. Während einer von ihnen angibt, 100 Euro für eine Fahrt bekommen zu haben, stehen bei den drei Haupttätern erzielte Gewinne von 65 500, 40 500 und 9780 Euro zur Einziehung in der Anklage. Der Prozess wird in dieser Woche fortgesetzt.