Seit 1925 haben Alexander Michel und seine Vorgänger Pokale, Trophäen und Medaillen angefertigt - besonders in Erinnerung geblieben sind Aufträge von Steinmüller und dem VfL Gummersbach.
Fast 100 Jahre altAm Samstag schließt Oberbergs älteste Gravurwerkstatt in Gummersbach

Für Auszeichnungen in allen Disziplinen ist der Gummersbacher Gravur- und Stempel-Laden gerüstet. Von rechts: Alexander und Tatjana Michel und ihr langjähriger Kollege Egon Förster.
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Wo ein Siegertreppchen aufgebaut wird, sind die Arbeiten von Alexander Michel nie weit. Seit 2003 ist Michel Inhaber der Gravur- und Stempelwerkstatt in der Gummersbacher Feldstraße, schon 1990 begann er dort als angestellter Graveur. Wer seither in Oberberg sportlich erfolgreich war, seinem Verein besonders lange die Treue gehalten hat oder etwa einen Königsvogel der Schützen erlegte, hat gute Chancen, dass Michel seinen Namen nebst Leistung und Datum in Pokal, Medaille oder Urkunde verewigt hat.
Gummersbacher Gravurwerkstatt öffnete im Jahr 1925
Mit dem Jahreswechsel ist im Zentrum der Kreisstadt Schluss mit persönlichen Trophäen. Am heutigen Samstag öffnet Alexander Michel seinen Laden zum letzten Mal. Der 64-Jährige und seine Frau Tatjana gehen in den Ruhestand – und mit ihnen Erinnerungen an unzählige oberbergische Sportauszeichnungen. Die Geschichte der Werkstatt reicht nämlich deutlich weiter zurück als das Jahr 1990, in dem Michel an die Feldstraße kam.
Schon 1925 öffnete die Familie Oberndorf die Gravurwerkstatt, schon damals an der Feldstraße in Gummersbach. Vom Vater und Firmengründer übernahm Fritz Oberndorf das Geschäft und gab es an seine Tochter Gabriele Wolf weiter. Anfang der Neunzigerjahre, als die Sowjetunion zerfiel, stellte die Geschäftsfrau Alexander Michel ein, der im Kaukasus aufgewachsen war, und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nach Deutschland auswanderte.
Für Kegelvereine oder die Züchter von Brieftauben habe ich früher viel gemacht, inzwischen gilt beides aber ja als unmodern.
Das Ladenlokal Oberndorf/Michel war über Jahrzehnte die erste Adresse für alle Oberberger, die den oder die Siegerin eines Wettbewerbs mit einem glänzenden Preis ehren wollten. Denn die Gummersbacher waren tatsächlich für alle denkbaren Disziplinen gewappnet. Knapp 700 verschiedene Embleme, die in die Kränze der Pokale eingeklebt wurden und somit an seiner Spitze thronten, umfasst der Bestand bis heute – vom Golfer über Schwimmer, Boxer und Turner bis zum Skifahrer, Skatspieler oder Rallye-Piloten.
Egon Förster, der viele Jahre Buchhaltung und Vertrieb des Ladens organisierte und dort bis heute gelegentlich aushilft, erinnert sich noch gut an Zeiten, in denen in der Werkstatt ausgebildete Schriftsetzer mit Blei hantierten und wegen der Giftigkeit des Schwermetalls mindestens einen Liter Milch pro Schicht trinken mussten. Spätestens mit dem Erfolg der Handballer des VfL Gummersbach waren die Kunstwerke von der Feldstraße auch europaweit unterwegs. Natürlich wurden etwa die Freundschaftswimpel, die die VfL-Kapitäne ihren Gegenübern im Europapokal der Landesmeister vor Spielbeginn aushändigten, zuvor akribisch im Gummersbacher Zentrum bedruckt.
Steinmüller ließ in Gummersbacher Werkstatt elegante Hämmer anfertigen
Lange Zeit wurden auch die Königsketten der allermeisten oberbergischen Schützenvereine in die Kreisstadt gebracht, um den Namen des neuesten Regenten einzuprägen. Auch die hiesige Industrie stand Schlange. Alexander Michel besitzt noch Prototypen eleganter Hämmer mit Gravur, die Steinmüller nach der erfolgreichen Druckprobe eines Kessels an die beteiligten Ingenieure verschenkte. Sehenswert sind auch die personalisierten Gießer-Männchen, die die Bielsteiner Edelstahlschmiede Kind & Co. früher an ihre Jubilare überreichte.
Der technische Fortschritt und ein gesellschaftlicher Wandel schmälerten das Geschäft in den vergangenen Jahren allerdings stetig. „Für Kegelvereine oder die Züchter von Brieftauben habe ich früher viel gemacht, inzwischen gilt beides aber ja als unmodern“, nennt Alexander Michel zwei Beispiele. Auch mancher Sportverein habe mit Mitgliederschwund zu kämpfen und weniger Beiträge bedeuteten denn auch weniger oder kleinere Trophäen. Reitvereine, die früher die Pokale kartonweise bestellten, begnügten sich heute mit einigen Medaillen, berichtet der Gummersbacher.
Und nicht zuletzt habe die Pandemie die Abwendung von der Gemeinschaft hin zu mehr Individualität noch einmal verschärft. Die Michels betonen aber auch, dass die moderne Technik gegen sie spiele. Natürlich arbeiten auch sie längst mit Laser und CNC, das wichtige Geschäft mit Firmenstempeln sei indes komplett weggebrochen. Schließlich müsse inzwischen so gut wie niemand mehr stempeln, weil das Firmenzeichen schon direkt mit ausgedruckt werde, erklärt Tatjana Michel.
Einen Nachfolger für die Gravurwerkstatt gibt es nicht. Er halte es auch nicht für verantwortungsvoll, einem jungen Menschen das Unternehmen zu übergeben, betont Alexander Michel. Man werde das Geschäft immer mit vielen schönen Erinnerungen verbinden – doch eine Zukunft habe das Gravurgewerbe in Gummersbach nicht mehr.