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Nach Drogen- und Alkoholabhängigkeit„Ich möchte anderen Menschen etwas Gutes tun“

Lesezeit 3 Minuten

Unter dem Namen „Massageheimer“ bietet Sven Böß seit Dezember vergangenen Jahres Massagen aller Art im Gummersbacher Tattoostudio Scalptura an.

  1. Vor Jahren war Sven Böß, heute auch „Massageheimer“ genannt, noch alkohol- und drogenabhängig.
  2. Dann erkennt er seine Sucht und ändert sein Leben vollkommen.
  3. Heute arbeitet er als Masseur und Integrationshelfer. Seine Geschichte erzählt er jedem, der sie hören möchte.

Oberberg – „Der Name ist so schlecht, der ist schon wieder gut“, sagt Sven Böß über den „Massageheimer“. Unter dem Titel bietet er seit Dezember vergangenen Jahres Massagen aller Art im Gummersbacher Tattoostudio Scalptura an. Warum ausgerechnet da? „Warum nicht?“, fragt der Mann mit den Gesichtstattoos und dem langen Vollbart. Er wolle den Horizont der Menschen erweitern und die „allgemeine Kleingeistigkeit“ bekämpfen. „So kommen Menschen ins Tattoostudio, die da sonst keinen Fuß reinsetzen würden.“ Dann fügt er hinzu: „Mal ehrlich, wir denken alle in Klischees und es ist gut, die ab und zu auch mal aufzubrechen.“

Das scheint ihm gut zu gelingen, denn einen „typischen Kunden“ hat der 49-Jährige nicht. Da sei auch schon mal eine 78-Jährige bei ihm gewesen, die begeistert von dem Studio war.

Vor Jahren noch Alkohol- und drogenabhängig

Vor ein paar Jahren lebte Böß noch in Frankfurt, arbeitete nachts im Lager und tagsüber in der Gastronomie. Der Druck sei hoch gewesen, sagt er. Alkohol und Drogen hätten ihm geholfen, das durchzustehen. Bis er irgendwann merkte: „Okay, das ist also Sucht.“ Dass er ein Problem hat, wusste er lange bevor er in den Entzug ging. „Irgendjemand musste es aussprechen“, sagt Böß. Und seine damalige Partnerin tat es: „Kann es sein, dass Du ein Alkoholproblem hast?“Seine Antwort: „Nimm das Wort Drogen hinzu und die Sache ist rund.“

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Am nächsten Tag ging er in den Entzug, und damit begann seine Wandlung zum Massageheimer. Die Entgiftung dauerte drei Wochen, die anschließende Reha noch einmal sechs Monate. „Da hat sich mein Leben grundlegend geändert.“ Danach ging alles ganz schnell. Nachdem er seine heutige Frau kennenlernte, zog er ins Oberbergische. Hier arbeitete er als Integrationshelfer an einer Förderschule. Eine gezielte Ausbildung dafür hatte er nicht – und habe er auch nicht benötigt. Seine Lebenserfahrung habe überzeugt, sagt Böß. Der gelernte Schlosser erzählt lachend: „Arbeitstechnisch habe ich schon alles gemacht.“ Böß’ besondere Leidenschaft ist die Massage. „Da habe ich mir gedacht: Warum soll ich das nicht beruflich machen?“

Mit Fingerspitzengefühl anderen Gutes tun

Böß absolvierte eine private Masseur-Ausbildung an einer Schule in Köln. Seine Frau, die das Tattoostudio Scalptura betreibt, hatte noch einen Raum frei. Das Konzept vom Masseur im Tattoostudio war geboren, nur der Name fehlte. „Bei uns im Freundeskreis hängen wir zur Verniedlichung überall das Wort ,Heimer’ dran“, erklärt Sven Böß. „Irgendwann dachte ich: Das ist es.“

Was seine beiden Jobs verbinden? Böß sagt: „Ich arbeite gerne mit Menschen zusammen und tue ihnen etwas Gutes. Für beides braucht man Fingerspitzengefühl, Empathie und die Fähigkeit zu kommunizieren.“ Das sei besonders wichtig. Wenn er Menschen massiere, wisse er schnell, ob jemand reden oder schweigen möchte. Manchem erzählt der Massageheimer seine Geschichte. Er findet, es braucht mehr Aufklärung über Suchterkrankungen. „Ob ich nun an Krebs erkranke oder süchtig bin – Krankheiten sind beide. Wieso wird das eine verurteilt und das andere nicht?“

Weitere Informationen: www.massageheimer.com