Mittelalterlicher MarktGeteert und gefedert auf dem Reichshof

Ein Unhold, der, so munkelte man hinter vorgehaltener Hand, der Kaiserin nachgestellt hatte, wurde unter den neugierigen Blicken der Schaulustigen geteert und gefedert und über den Platz getrieben.
Copyright: Schmittgen Lizenz
Denklingen – Im Reichshof brodelt es. Hinter dem Rathaus stehen zwei überdimensionale Waschzuber, die das gemeine wie auch das herrschaftliche Volk zum Baden einladen. Versteckt in einem großen Zelt und abgetrennt durch bunte Vorhänge, laden zwei Kabinen im „Schottischen Badehaus“ zum entspannenden Verweilen ein. Angenehme Wassertemperaturen versprechen eine vergnügliche Stunde, während vor den Zeltplanen das lustige Treiben seinen Lauf nimmt.
Im Hof der alten Burg haben sich am Wochenende allerlei Gaukler und Händler versammelt. Aus allen Ecken duftet es verführerisch nach Gebratenem. Feuer spuckende Tausendsassas sind die Hauptattraktion für Kinder neben dem wirklich originellen mittelalterlichen Kettenkarussell. Stattliche Ritter flanieren würdig neben zierlichen Burgfräuleins über den Marktplatz.
Bei der großen Eröffnung am Freitagabend ist Kaiser Barbarossa höchstpersönlich mit seiner Garde in den Reichshof eingezogen und begrüßt unter Mithilfe des Statthalters Rüdiger Gennies das Volk. Das Reichsgericht sieht sich gezwungen, einen Bösewicht, der die Frechheit besessen hat, der Kaiserin nachzustellen, zu teeren und zu federn.
Drei Tage lang scheint sich der ganze Hof in einen Tummelplatz aus dem 14. Jahrhundert verwandelt zu haben. Für die Gemeinde Reichshof ist es eine Premiere. Kennt man hierzulande den mittelalterlichen Markt nur aus der Nachbarkommune Nümbrecht einmal im Jahr, gibt es in anderen Regionen Deutschlands ebensolche Veranstaltungen jedes Wochenende und viel dichter vernetzt, weiß Veranstalter Andreas Tabor: „Das ist hier im Umkreis von 80 Kilometern neben Nümbrecht der einzige mittelalterliche Markt.“
Und wer hier eine Kopie des Altbekannten erwartet hatte, wurde enttäuscht – im Positiven. Viele neue Attraktionen warteten auf die Besucher. Man hat in Denklingen aus einer kleinen Idee ein großes Konzept entstehen lassen. Sollte eben jenes aufgehen, wäre damit eine neue Tradition geboren, die sich von Jahr zu Jahr weiterentwickeln könnte.
In diesem Sommer bekommen die rund 2000 Gäste bereits einen Vorgeschmack, wie es künftig einmal im Jahr im Burghof aussehen könnte. Händler bieten lautstark ihre Waren an, von wohl duftender, handgemachter Seife über Filzarbeiten bis zu Räucherzubehör, vom deftigen Fleischspieß bis zum süßen Apfelkrapfen, vom Bogenschießen bis zum Axtwerfen.
Kasper, der Gaukler, erfreut mit lockerem Geplauder, kleinen Scherzen und waghalsigen Kunststückchen nicht nur die kleinen Besucher. Je nach Schwertmaß erhalten diese unter einer Größe von 1,30 Meter „freies Geleit“. Damit keiner der kleinen Recken schummelt, wird er am Eingang von Jelena Schmidt mittels aufrecht stehenden Schwertes gemessen. Die 17-jährige Schülerin aus Bielstein ist Mitarbeiterin der Eventagentur und schwärmt seit Kindertagen für mittelalterliches Ambiente: „Es ist ein Eintauchen in andere Welten. Wenn ich hier bin, vergesse ich alles andere.“
Auch Heiko Dunkel möchte mit seinem Badehaus das Flair des Mittelalters lebendig werden lassen. In einem mit Badesalz angereicherten, dampfenden Waschzuber und einem kühlen irischen Bier in der Hand lässt sich ein verregnetes Wochenende doch viel angenehmer gestalten.