Das wäre ein ParadigmenwechselSchülerspezialverkehr für die ganze Gemeinde Nümbrecht?

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Kinder beim Überqueren der L 320 in Lindscheider Mühle.

Kinder aus Lindscheid müssen zurzeit noch die L 320 überqueren, um zur Bushaltestelle zu gelangen. Dort ist aktuell Tempo 100 erlaubt. Dort soll eine Querungshilfe entstehen und Tempo 70 eingeführt werden.

Die Gemeinde Nümbrecht möchte wissen, was die Einführung eines Schülerspezialverkehrs kosten würde. Das soll jetzt ein Fachbüro errechnen.    

In Sachen Schulwegsicherheit der Lindscheider Kinder sind sich in Nümbrecht zumindest in einer Hinsicht alle einig: Die beste Lösung wäre, wenn der Bus der Linie 346 nicht mehr am Ort vorbeiführe, sondern mitten hinein, um die Kinder dort abzuholen. In diesem Sinne soll die Gemeindeverwaltung nochmals beim Oberbergischen Kreis und bei der Oberbergischen Verkehrsgesellschaft (Ovag) vorstellig werden. Diesen Auftrag hat der Schulausschuss einstimmig erteilt.

Außerdem soll die Verwaltung ein Fachbüro damit beauftragen auszurechnen, welche Kosten anfallen würden, wenn die Nümbrechter Schülerinnen und Schüler in Zukunft nicht mehr mit Linienbussen in die Schulen fahren, sondern dafür im gesamten Gemeindegebiet ein Schülerspezialverkehr eingerichtet wird.

Einer der Vorteile wäre etwa, dass die Gemeinde die Route des Schülerspezialverkehrs selbst bestimmen und den Bus auch durch Lindschein lotsen könnte. Nachteil wäre: Nümbrechter Fahrschüler könnten mit ihren Schülerkarten keinen Linienverkehr mehr nutzen, die Ovag würde dann unter Umständen ganze Linien, die überwiegend von Schülern genutzt werden, streichen.

Das Thema stand auf der Tagesordnung, weil ein Bürgerantrag aus Lindscheid vorliegt. Nadine Engelberth, Mutter einer achtjährigen Tochter, hatte die Idee mit der Einführung des Schülerspezialverkehrs, wie sie ihn aus ihrer Heimatgemeinde Reichshof kennt, vorgeschlagen. Zuvor hatte sie ihr Anliegen in drastischen Worten skizziert.

Sie appellierte an die Verantwortlichen, diese hätten „die moralische und rechtliche Pflicht, Menschenleben zu schützen“, doch davon sei nichts zu spüren: „Alle nehmen den Tod oder eine schwere Verletzung der Kinder billigend in Kauf.“ Die Behörden brauchten, so sagte sie, scheinbar erst eine positive Unfallbilanz, ehe etwas passiere.

Ihr konkreter Vorschlag: Die Linie 346 könne nach Lindscheid reinfahren, auf der anderen Seite wieder raus, und zwar Richtung Niederelben, um auch dort die Kinder aufzunehmen und dann auf der ursprünglichen Route weiterzufahren. Auf dieser Strecke habe bislang noch keine Testfahrt stattgefunden, so Nadine Engelberth.

Alle nehmen den Tod oder eine schwere Verletzung der Kinder billigend in Kauf
Nadine Engelberth, Mutter einer achtjährigen Tochter

Bürgermeister Redenius wies die   Äußerung, man nehme den Tod der Kinder billigend in Kauf, „mit Entschiedenheit“ zurück, wie er sagte. Der Aussage, dass der Schulweg der Lindscheider Kinder jetzt nicht sicher sei, stimmte er zu. „Aber wir versuchen seit zwei Jahren, eine Lösung zu finden“, sagte er und verwies auf den Beschluss, eine Querungshilfe zu bauen und das Tempo auf 70 zu beschränken. „Ich kämpfe auch gerne weiter für Tempo 50, ich halte das auch für sinnvoll.“

Eine ganz neuen Gedanken brachte Ingo Breuer, Schulleiter an der GGS Nümbrecht, in die Diskussion: Zwar habe auch für ihn ein Bus, der in den Ort fährt, Priorität. Aber er regte alternativ an, eine Behelfsbrücke zu errichten: „Die muss ja nicht schön sein.“

Bürgerantragsteller Reiner Rübhausen schilderte, dass auch er vom Oberbergischen Kreis die Antwort erhalten habe, dass der Linienbus nicht durch Lindscheid fahren könne. „Ich glaube, bei ein bisschen gutem Willen wäre das doch möglich“, sagte er. Vom Kreis sei er aber auch darauf aufmerksam gemacht worden, dass es gängige Praxis sei, dass Gemeinden mit eigenen Bussen den Transport von Schülern gewährleisteten; er habe diesen Hinweis eines Kreismitarbeiters als Anregung an die Gemeinde Nümbrecht verstanden.

Keine örtlich begrenzte Sonderfahrt

Also ein auf Lindscheid begrenzter Schülerspezialverkehr? Bürgermeister Redenius winkte ab: das wären freiwillige Ausgaben, eine solche Entscheidung würde er unter Umständen direkt beanstanden müssen. Außerdem würden sich dann auch andere Ortschaften melden und dasselbe Angebot einfordern, das sei nicht zu finanzieren.

Thorgai Wilmsmann, Leiter des Homburgischen Gymnasiums, sagte: „Wir als Schule machen zurzeit sehr unerfreuliche Erfahrungen mit der Ovag. Es fallen Busse aus, und die Eltern rufen erbost bei uns an, weil sie nicht informiert wurden. Was uns sehr ärgert: Es gibt keine Kommunikationskanäle zwischen Schule und Ovag.“


Aus Reihen der Grünen kam die Frage, ob nicht der Bürgerbusverein oder ein paar Fahrzeuge des Fahrdienstangebotes „Monti“ die Schüler aus Lindscheid abholen und zur Schule bringen könnten. Doch dagegen spreche zunächst, dass man den Monti erst mit 14 Jahren nutzen darf. Außerdem, so erklärte Kämmerer Reiner Mast, habe man mit Bedacht keine Monti-Haltestelle am Schulzentrum platziert, weil man ja mit Ausnahme der Busse alle Fahrzeuge von dort fernhalten wolle.

Und der Bürgerbus, ergänzte Bürgermeister Hilko Redenius, könne auch nicht einspringen, er sei offizieller Teil des Linienverkehrs. Jede Route, die er bedient, müsse zunächst von der Bezirksregierung genehmigt werden.

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