Interview der WocheAnja Lepperhoff sorgt sich um die Psyche von Jugendlichen

Lesezeit 5 Minuten
Beratungen der Vereine zu den Corona-Regeln bestimmen die Arbeit des KSB Oberberg um Geschäftsführerin Anja Lepperhoff.

Beratungen der Vereine zu den Corona-Regeln bestimmen die Arbeit des KSB Oberberg um Geschäftsführerin Anja Lepperhoff.

Der Vereinssport ruht seit einem Jahr, ruht damit auch die Arbeit des Kreissportbundes?

Anja Lepperhoff: Nein, im Gegenteil. Wir sind vor allem damit beschäftigt, die Vereine zu beraten, was sie in Zeiten von Corona dürfen und führen sie durch den Dschungel von Verordnungen. Damit sind die Vereine oft überfordert, zumal die Fachverbände der Sportarten meist noch eigene Regeln herausgeben.

Wie wirkt es sich aus, dass Regelungen im Rahmen der Bundesnotbremse an die Inzidenzzahlen geknüpft sind? Das heißt, dass sie sich auch immer wieder ändern können.

Das macht es noch schwerer für die Vereine, nachzuvollziehen, was gerade erlaubt ist oder nicht. In Oberberg wird bei uns beispielsweise immer wieder hinterfragt, wieso noch keine zwei Paare aus zwei Haushalten ein Doppel im Tennis spielen dürfen, was woanders erlaubt ist. Wie gesagt, wir versuchen die Vereine auf dem Laufenden zu halten.

Spüren Sie nicht viel Frust von den Clubs?

Die Kritik, dass man nicht mehr weiß, was möglich ist und was nicht, gilt ja nicht nur für den Sport. Es herrscht allgemein eine große Verunsicherung und viel Unverständnis vor allem was die Regeln für den Outdoorsport betreffen. Am meisten vermissen die Clubs aber den Sport und befürchten, dass sie den Kontakt zu den Kindern verlieren. Dem kann man nur bedingt mit Whatsapp oder Trainingsvideos gegensteuern.

An welchen Stellen sehen Sie denn aktuell die größten Defizite?

Wir als Kreissportbund machen uns große Sorgen um die psychische Gesundheit der Jugendlichen, denen der Sport und das Gemeinschaftserlebnis fehlen. Sorgen haben wir zudem, was die Schwimmfähigkeit der Kinder angeht.

Wenn man rechnet, dass in Oberberg jedes Jahr 2500 Kinder eingeschult werden und fast die Hälfte von ihnen zu diesem Zeitpunkt nicht schwimmen kann, wird das ganze Ausmaß klar. Vor allem, da wir demnächst schon den zweiten Jahrgang einschulen. Das sind rund 2500 Kinder, die nicht schwimmen können. Und die Schwimmbäder sind weiterhin geschlossen.

Wie möchten Sie dem entgegenwirken?

In Absprache mit den Behörden können wir Schwimmkurse mit bis zu fünf Kindern durchführen, das erlaubt die Corona-Schutzverordnung. Wir versuchen, in Zusammenarbeit mit Vereinen, solche Kurse anzubieten. Wir telefonieren alle Kommunen ab, ob sie ihre Bäder dafür öffnen. Eigentlich ist es ja die originäre Aufgabe der Kommunen dafür zu sorgen, dass die Kinder Schwimmen lernen. Es ist aber eine Risikoabwägung, da demnächst die Schönwetter-Saison beginnt und alle an die Talsperren stürmen. Viele Kinder können aber nicht schwimmen.

Wie wollen Sie die Kurse um setzen?

An drei Tagen die Woche in Kleingruppen. Vorher werden die Kinder auf Corona getestet.

Während der Sport ruht, gibt es gefühlt immer mehr finanzielle Förderungen für die Vereine. Ist das so, oder trügt der Schein?

Da trügt der Schein, nicht alle Maßnahmen für die jetzt Geld fließt, wurden erst mit Aufkommen der Corona-Pandemie ausgeschrieben. Nur haben die Vereine jetzt mehr Zeit, sich mit dem hohen bürokratischen Aufwand auseinander zu setzen. Dabei helfen wir wie beispielsweise beim Programm „Moderne Sportstätte 2022“. Dass Förderungen jetzt genutzt werden, hat den großen Vorteil, dass viele Sportstätten in der Corona-Zeit modernisiert werden können. Dazu gehört beispielsweise das größere Augenmerk auf Barrierefreiheit.

Sport im Verein ist, wenn überhaupt, zurzeit nur online möglicht. Wirkt sich das auch auf die Mitgliederzahlen der Vereine aus?

Bei den kleinen Vereinen eher weniger, weil es bei ihnen meist eine starke Bindung der Mitglieder gibt. Betroffen sind eher Großvereine und die Vereine, die mit Kursen arbeiten. Eine Umfrage Anfang des Jahres hat erstaunlicherweise gezeigt, dass nach dem ersten Lockdown auch verstärkt Menschen dem Verein beigetreten sind und 79 Prozent der Austritte kompensiert haben. So gab es im Durchschnitt 29 Austritte, wovon zwölf coronabedingt waren.

Was glauben Sie, hat die Menschen bewogen, sich trotz Corona in einem Verein anzumelden?

Ich denke, sie wollen in erste Linie einen Verein unterstützen. Dazu kommt, dass viele jetzt auch Zeit haben, Dinge auszuprobieren. Das merke ich bei meinen eigenen Kursen, die ich in Yoga und allgemeiner Fitness im TV Bergneustadt online anbiete. Die Nachfrage ist größer geworden.

Gibt es im Kreissportbund damit also mehr Arbeit trotz weniger Sport?

Auf jeden Fall. Darunter fällt ja auch, dass wir ständig damit beschäftigt sind, unsere Aus- und Fortbildungen sowie Jugendreisen zu verschieben, in der Hoffnung, dass sie dann auch stattfinden können. Dazu müssen neue Termine und Orte gefunden werden. Parallel dazu arbeiten wir an Online-Formaten, um zumindest einen Teil unserer Fortbildungen anbieten zu können.

Das könnte Sie auch interessieren:

Ein großes Thema der Vereine sind zurzeit ihre Mitgliederversammlungen, die satzungsgemäß ausgeführt werden müssen. Da zeigen wir Wege auf. Es gibt Online-Angebote zum Vereinsmanagement und unsere Mitgliedsvereine haben einmal im Jahr den Anspruch auf bis zu sechs Stunden Beratung mit einem Fachreferenten. All das läuft über den Kreissportbund.

Wie wollen Sie die Erfahrungen, die Sie jetzt in der Zusammenarbeit mit den Vereinen gemacht haben, in Zukunft umsetzten?

Wir planen in enger Zusammenarbeit mit der Kreisverwaltung und dem Landessportbund an weitere Aufgaben heranzugehen. Wir wollen in Zukunft wie eine Art Außendienstmitarbeiter zu den Vereinen gehen und ihnen unsere möglichen Leistungen und Förderungen aufzeigen, auf der anderen Seite den Bedarf und die Wünsche der Vereine abfragen. Das heißt, der Verein kommt nicht zu uns, sondern wir kommen zu ihm.

Rundschau abonnieren