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„Fehlfahrten“ im FokusOberbergischer Kreis kritisiert den Sparkurs der Krankenkassen

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Entscheidend für die Abrechnung von Krankenfahrten ist, ob ein Patient transportiert wird oder nicht – so sehen es zumindest die gesetzlichen Krankenkassen. Der Oberbergische Kreis ist anderer Meinung.

Entscheidend für die Abrechnung von Krankenfahrten ist, ob ein Patient transportiert wird oder nicht – so sehen es zumindest die gesetzlichen Krankenkassen. Der Oberbergische Kreis ist anderer Meinung.

Die Kassen der gesetzlichen Krankenkassen sind leer, das bekommt auch Kämmerer Klaus Grootens zu spüren. Die Verhandlungen sind schwierig.

Die Kassen der gesetzlichen Krankenkassen sind leer, das bekommt gerade auch der Oberbergische Kreis zu spüren. In der jüngsten Sitzung des Gesundheitsausschusses berichtete Kreisdirektor und Kämmerer Klaus Grootens von schwierigen Verhandlungen über die Gebühren für den Rettungsdienst, dieses führe die Verwaltung aktuell mit den Kassen. Dabei bedienten sich deren Vertreter immer abenteuerlicherer Argumente, um Geld zu sparen, so Grootens.

Konkret geht es um die Ankündigung der Krankenkassen, künftig nicht mehr für sogenannte Fehlfahrten der Retterinnen und Retter aufkommen zu wollen. Was genau eine Fehlfahrt ist, ergibt sich aus Richtlinien auf Bundesebene, die auf den Transport eines Patienten abstellen. Heißt im Klartext: Fährt der Rettungswagen ohne Patientin oder Patient vom Einsatzort zurück, gibt es keinen Transport und damit künftig auch kein Geld mehr.

Man muss dazu wissen, dass diese Regelung in die Jahre gekommen ist und aus einer Zeit stammt, in der das Klinomobil vorfuhr, die Erkrankten zügig einlud und ins Krankenhaus brachte, dort liefen dann alle Untersuchungen an. Die umfassende Arbeit des modernen Rettungsdienstes am Patienten, bei der ein Transport nur noch die Nebensache sei, berücksichtige diese Richtlinie überhaupt nicht, sagte Grootens. Und sie führe in der Praxis zu fragwürdigen Konstellationen.

Wer stirbt, fährt nicht mehr mit – das ist eine perverse Sichtweise der Krankenkassen.
Kreiskämmerer Klaus Grootens vor dem Gesundheitsausschuss des oberbergischen Kreistags

Ein gutes Beispiel sei die erfolglose Reanimation: Wenn Sanitäter und Notarzt eine Stunde vergeblich um das Leben eines Menschen kämpfen und dabei alles auffahren, was dem Rettungsdienst zur Verfügung steht, kehrt der Rettungswagen letztlich doch leer zurück zur Wache. „Wer stirbt, fährt nicht mehr mit – das ist eine perverse Sichtweise der Krankenkassen“, ärgerte sich Grootens. Nötig sei eine Klarstellung durch den Gesetzgeber im Bund. „So lange stehen wir auf der Seife.“

Der nächste Knackpunkt in den Verhandlungen dreht sich um die tatsächliche Zahl der Fehlfahrten. Während der Kreisdirektor deren Zahl in Oberberg auf rund acht Prozent aller Einsätze bezifferte, berichtete er von Signalen von Seiten der Krankenkassen, man könne bis zu 30 Prozent zu (kostenlosen) Fehlfahrten erklären. In der Summe drohe dem Kreis so der Verlust von Einnahmen in Höhe von drei bis vier Millionen Euro.

Auf jeden Fall verhindern will die Kreisverwaltung die Situation, dass künftig die oberbergischen Patienten die Differenz zahlen müssen, wenn ihre Kassen nur noch einen Teil der vom Kreis festgesetzten Gebühren übernehmen. Streng genommen schulden nämlich die Erkrankten dem Kreis die Kosten für ihren Transport und können ihre Krankenkasse in Regress nehmen – nur der Einfachheit halber rechnet der Kreis in der Praxis direkt mit der Kasse ab. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir Patienten direkt in Anspruch nehmen werden“, betonte Grootens im Ausschuss. Die rechtliche Dreieckskonstruktion erschwere es dem Kreis aber, Gebühren notfalls bei den Kassen einzuklagen.

Das Kreishaus möchte nun bei den seit Ende vergangenen Jahres laufenden Verhandlungen Tempo machen. Bis zur Zusammenkunft der Finanzpolitiker des Kreistags am Mittwoch, 4. Juni, soll eine Einigung stehen.