GrenzziehungenDie Fusion von Wiehl und Bielstein war eine Erweiterung mit Verlusten

Mitten durch Dieringhausen verlief einst die Grenze zwischen Wiehl und Gummersbach – entlang der Agger. Die Siedlung Neudieringhausen am Südhang gehörte bis 1969 zur Gemeinde Wiehl.
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- Hans-Otto Dick konnte 1956 nicht ahnen, dass er einmal im Gummersbacher Stadtgebiet wohnen würde – ohne dafür umgezogen zu sein.
- Die Kommunale Neugliederung von 1969 veränderte die Landkarte des Wiehl- und des Aggertals erheblich, und Dick war ein Pionier dabei.
Wiehl – Die Agger war die Nordgrenze der Gemeinden Wiehl und Bielstein. Als der Bünghauser Junge Hans-Otto Dick 1956 seine Ausbildung zum Verwaltungsbeamten antrat, stand das für ihn zuständige Rathaus noch nicht in Gummersbach, sondern in Bielstein. Und die im „Bürgermeisteramt“ an der Bielsteiner Hindenburgstraße verwaltete Gemeinde hieß (noch bis 1960) „Drabenderhöhe“.
Damals konnte Dick nicht ahnen, dass er einmal im Gummersbacher Stadtgebiet wohnen würde – ohne dafür umgezogen zu sein. Und als er 1962 von sich aus ins Wiehler Rathaus wechselte („Ich wollte mal etwas anderes sehen“), war noch nicht absehbar, dass er sieben Jahre später auch wieder für Bielstein zuständig sein würde. Alles klar?
Eine runde Sache
Die Kommunale Neugliederung von 1969 hat die Landkarte des Wiehl- und des Aggertals erheblich verändert. Hans-Otto Dick war dabei eine Art Pionier. 2005 wurde er als Beigeordneter der Stadt Wiehl in den Ruhestand verabschiedet. Wie es der Zufall will, war auch sein Nachfolger ein Grenzgänger: Walter Ruland, der aus Helmerhausen stammt und heute im Wiehler Zentrum wohnt, begann seine Verwaltungslehre 1967 ebenfalls in Bielstein. Als er 1969 aus dem Wehrdienst zurückkehrte, war das Wiehler Rathaus sein neuer Arbeitsplatz. In der Rückschau sind sich Dick und Ruland einig: die Stadt Wiehl ist eine runde Sache geworden.
Die Fusion mit der Nachbargemeinde Bielstein war vielleicht keine Liebesheirat, wie Dieter Lange in Band II der Wiehler Stadtchronik schreibt, verlief aber vergleichsweise geräuschlos. Eine wesentliche Rolle spielte die Investitionsabsprache, die man dem Einigungsvertrag beifügte. Walter Ruland sagt über den dabei maßgeblichen Bielsteiner SPD-Fraktionsvorsitzenden: „Friedhelm Thönes war darauf immer sehr stolz.“
Name strittig
Den Bielsteinern wurde darin eine Reihe von Wohltaten zugesichert: der Ausbau des Weiershagener Sportplatzes, ein neuer Kindergarten in Mühlen sowie vor allem der Neubau eines Freibads einschließlich der Umgestaltung des umgebenden Kleinbahngeländes zu einem Kurpark. Dazu kam noch der Ausbau des Hotels Herhaus zu einer Kulturhalle, der aber nicht zu Ende geführt wurde, weil das Gebäude bald dem Neubau des Weissenberger-Hauses weichen musste.
Strittig war nur noch der Name: Die Bielsteiner wollten sich nicht ohne weiteres von ihrem erst 1960 erlangten Gemeindenamen trennen. Bei einer Abstimmung im neuen Gemeinderat im Mai 1970 wurde die Umbenennung in „Wiehl-Bielstein“ aber mit 18 zu 13 Stimmen abgeschmettert. „Möglicherweise“, mutmaßt Dieter Lange, „gaben die Drabenderhöher Ratsvertreter den Ausschlag zugunsten Wiehls als späte Rache für die Umbenennung der Gemeinde Drabenderhöhe in Gemeinde Bielstein.“
Das neue Wiehl
Einerseits ist Wiehl eine durchaus historisch gewachsene Stadt, deren Abmessung sich an alten Kirchspielgrenzen orientiert. Von 1811 bis 1851 wurde nahezu das gesamte heutige Stadtgebiet schon einmal zentral verwaltet, übrigens vom Bielsteiner Burghaus aus. Andererseits ist es keineswegs selbstverständlich, dass sich die Stadtgrenzen heute so darstellen, wie man es seit 1969 gewohnt ist. Als die Gemeinden Wiehl und Bielstein im Zuge der Neugliederung zusammengeführt wurden, gab es deutliche Verluste.
Die Agger war für beide Gemeinden bis dahin nördliche Grenze gewesen. Bielstein verlor im Zuge der Neugliederung die Ortsteile Schönenberg, Schneppsiefen, Erbland, Hömel, Bünghausen, Hunstig und Ohmig an die Stadt Gummersbach, die Orte Osberghausen und Wiehlpuhl an die (damalige) Gemeinde Ründeroth. Aus der Gemeinde Wiehl wurden die Orte Neudieringhausen, Brück, Halstenbach, Höfen, Remmelsohl, Krummenohl und Ahe an die Stadt Gummersbach abgetreten. Dafür erhielt die neue Gemeinde Wiehl Zuwachs mit den Orten Merkausen, Seifen und Alpermühle aus der (damaligen) Gemeinde Denklingen. (tie)
Viel kontroverser als die Fusion von Wiehl und Bielstein verlief der Kampf um das Aggertal. Walter Ruland erinnert sich, wie er als Lehrling damit beauftragt wurde, in Hunstig von Tür zu Tür zu ziehen und die Leute zu befragen, ob sie lieber zu Wiehl oder zu Gummersbach gehören wollen. Seiner Erinnerung nach bevorzugte die Mehrheit den bestehenden Zustand und wollte nicht nach Gummersbach eingemeindet werden. Kein Wunder, die Hunstiger hatten einen mächtigen Fürsprecher in der Gemeinde: Der örtliche Unternehmer Albrecht Kind war Bielsteiner Bürgermeister. Kurioserweise wurde auch die Nachbargemeinde Wiehl von der Agger aus regiert: von dem Neudieringhauser Karl Klohsowski.
Wie Dieter Lange in der Wiehler Chronik schreibt, war der Aggerraum mit seiner Zugehörigkeit zu den beiden homburgischen Gemeinden gut gefahren. Zu den Errungenschaften der jüngeren Vergangenheit gehörten das Schulzentrum auf der Ente, das Aggerbad und der Sportplatz Hammerhaus. Die für die nördliche Aggerseite zuständige Stadt Gummersbach hatte über Zweckverbände ihren Teil beigetragen. Eine darüber hinausgehende Anbindung an Gummersbach schien keine Vorteile zu bringen. Viele Aggertaler fürchteten vielmehr, am Rand der Kreisstadt nur noch fünftes Rad am Wagen zu sein.
Heikler Interessenkonflikt
Dass das südliche Aggertal Gummersbach zugeschlagen wurde, lag am Votum des Kölner Regierungspräsidenten, des Oberkreisdirektors – und des Landtagsabgeordneten Dr. Horst Waffenschmidt (CDU). Eine heikle Angelegenheit, denn dieser war zugleich Wiehler Gemeindedirektor. Dass Waffenschmidt sich gegen das Wiehler Interesse einsetze, wurde von der SPD heftig kritisiert.
Die neue Gemeinde Wiehl verlor mit dem Aggerraum mehr als 5000 Einwohner. Hans-Otto Dick und Walter Ruland hätten als Kämmerer natürlich gern die Gewerbesteuern der dort ansässigen Firmen eingestrichen. Dennoch glauben beide, dass damals richtig entschieden wurde. Der Anwohner Dick sagt: „Die Agger war nie eine sinnvolle Grenze.“ Das enge Tal habe wenig Entwicklungspotenzial gehabt, während Wiehl vor allem in Bomig Möglichkeiten hatte, die bald ausgeschöpft wurden. Ruland fürchtet: „Die Stadt Wiehl hätte sich verzettelt, wenn sie noch einen weiteren Siedlungsschwerpunkt hätte bedienen müssen.“
Der bis 2013 als Beigeordneter tätige Ruland glaubt auch nicht, dass eine neue Neugliederung oder gar eine weitere Vergrößerung des Stadtgebiets sinnvoll wären. Damals habe man investieren können, heute müsste man vielleicht Einrichtungen schließen . Eine Prognose wagt er aber nicht: „Wer weiß, was die Digitalisierung bringt?