Zweiter Weltkrieg in OberbergBomben auf die V1-Raketen

Nur Trümmer blieben übrig von dem bombardierten Eisenbahnzug in Morsbach-Volperhausen im März 1945.
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- Morsbach blieb im Zweiten Weltkrieg nicht von schweren Bombenabwürfen verschont.
- Ein besonders schwerer Angriff ereignete sich 1945 kurz vor Kriegsende in Volperhausen im Süden der Gemeinde, nicht weit von der Landesgrenze zu Rheinland-Pfalz.
- Am Montag, 19. März 1945 explodierten in Volperhausen zwei Züge. Beladen waren sie mit so genannten „Vergeltungswaffen“ – auch V-Waffen genannt, die laut NS-Propaganda die Wende hin zum deutschen Sieg bringen sollten.
Volperhausen – Morsbach blieb im Zweiten Weltkrieg nicht von schweren Bombenabwürfen verschont. Schon im Dezember 1943 zog sich eine Spur der Zerstörung von Brüchermühle bis in die Gemeinde. Die Bombenabwürfe trafen Kömpel und Wallerhausen und setzten sich über Solseifen, Hellerseifen, Heide, Niederdorf, Rhein und Siedenberg bis Strick fort. Nach Aufzeichnungen im Gemeindearchiv fielen auf diesen sechs Kilometern 73 Spreng- und 110 Brandbomben.
Ein besonders schwerer Angriff ereignete sich 1945 kurz vor Kriegsende in Volperhausen im Süden der Gemeinde, nicht weit von der Landesgrenze zu Rheinland-Pfalz: Am Montag, 19. März 1945 – also am selben Tag, an dem alliierte Bomber auch den Ortskern von Engelskirchen dem Erdboden gleich gemacht hatten –, explodierten in Volperhausen zwei Züge. Beladen waren sie mit so genannten „Vergeltungswaffen“ – auch V-Waffen genannt, die laut NS-Propaganda die Wende hin zum deutschen Sieg bringen sollten.
Die V-Waffen
Die V1 („Vergeltungs-Waffe“) war eine der letzten Hoffnungen Adolf Hitlers, den Zweiten Weltkrieg Ende 1944, als sich die deutschen Truppen schon lange an allen Fronten auf dem Rückzug befanden, noch für sich zu entscheiden. Die Propaganda machte aus dem Marschflugkörper eine „Wunderwaffe“. Der Beschuss der britischen Hauptstadt London mit V1 kostete Tausende von Einwohnern das Leben. Die Sprengkraft der fliegenden Bombe war so gewaltig, dass an der Einschlagstelle ganze Häuserblocks in Schutt und Asche gelegt wurden.
Angetrieben wurde die V1 von einem turbinenähnlichen Triebwerk, das sich auf dem Heck des eigentlichen Sprengkörpers befand. Die erste V1 startete am 12. Juni 1944, sechs Tage nach der Invasion der Alliierten in der Normandie. Doch der von einer Art Düsenturbine angetriebene und über acht Meter lange Flugkörper erwies sich als „lahme Ente“. Trotz einer Spitzengeschwindigkeit von 740 Stundenkilometern war die V1 oft leichte Beute für Jäger und Flugabwehr. 80 Prozent der 8000 meist gegen London oder Antwerpen eingesetzten Marschflugkörper wurden abgeschossen. (bu)
Zwei Wochen lang hatten die Züge mit ihrer Fracht, die in offenen, mit Planen abgedeckten Rungenwagen lagerte, auf dem Überholgleis des örtlichen Bahnhofs am Fuße des Berghangs gestanden, ohne weitergeleitet zu werden. Nach Aussagen von Zeitzeuge Wilhelm Schmidt aus Volperhausen sollen sich auf den Waggons 84 V1-Raketen befunden haben.
Volpershausen schwer getroffen
An diesem 19. März sind diese Züge morgens bei guter Sicht von alliierten Jagdbombern entdeckt und mit Bordwaffen beschossen worden. Wahrscheinlich hatten die Flugzeuge keine Bomben mehr geladen, denn mittags um 13.30 Uhr kehrten sie zurück und es erfolgte ein zweiter Angriff, diesmal mit Bomben.
Bei der Explosion der Zugladungen wurde mehrere Häuser in Volperhausen, so auch die Gaststätte Rolland und das Bahnhofsgebäude, zerstört und andere Häuser schwer beschädigt. Drei Stunden lang explodierten die Raketen. Donner und Feuerschein waren noch im vier Kilometer entfernten Morsbach gut zu hören und zu sehen. Ein Zugführer war sofort tot. Drei Bahnpolizisten, die Wache standen, wurden schwer verletzt ins Morsbacher Krankenhaus gebracht. Dort erlagen sie nach einigen Tagen ihren Verletzungen. Am nächsten Tag bot sich den Anwohnern, die sich vorsorglich in einem alten Bergwerksstollen versteckt hatten, ein Bild der Verwüstung. Die Explosionen hatten Krater von zwölf Metern Durchmesser und bis zu sieben Metern Tiefe gerissen.
Trümmer flogen zwei Kilometer weit
Teile der Züge und ihrer Ladung, so berichteten es Zeitzeugen, wurden bis zu zwei Kilometer weit bis ins Lauberbachtal geschleudert. Noch in mehr als 1000 Metern Entfernung gingen Scheiben in Häusern zu Bruch, etwa in Steimelhagen.
Die Züge waren vermutlich aus Waldbröl gekommen. Schon vorher waren V-Waffenzüge über Dieringhausen und Waldbröl dort gelandet, um tagsüber bei Niederstenhof, nur einen Kilometer südlich von Volperhausen, in einem Tunnel versteckt und in der nächsten Nacht in den Westerwald oder ins Siegtal verschoben oder in Hermesdorf und Waldbröl auf Lkw umgeladen zu werden. Diese transportierten sie zu den Abschussrampen.
Gemeindearchiv gibt tiefen Einblick
Aus Stellungen bei Kuchem, Hatterscheid und Rankenhohn, zwischen Hennef und Ruppichteroth tief in den Wäldern der Nutscheid gelegen, wurden vom 11. Februar bis 18. März 1945 rund 145 V1-Raketen abgeschossen. Die V1 wurden in unterirdischen Produktionsstätten im Harz hergestellt und zerlegt mit der Bahn in die Nähe der Abschussbasen gebracht.
Unterlagen aus dem Gemeindearchiv ist über diese Bahntransporte zu entnehmen: „Vom Bahnhof Volperhausen zum Bahnhof Hermesdorf hat Albert Katzenbach aus Appenhagen einmal nachts einen Zug als Rangierer begleitet. Fünf Güterwagen, mit V1-Waffen beladen, wurden an eine Lok, die abends von Dieringhausen kam, angehängt. Die V1 wurden im Bahnhof Hermesdorf auf Lastkraftwagen umgeladen und dann in Richtung Waldbröl und die Nutscheid abtransportiert. Als dann der Bahnhof Dieringhausen bombardiert und die Drehscheibe zerstört wurde, konnten die Fahrten von dort aus nicht mehr durchgeführt werden.“
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Die Meldung über die Zerstörung der Munitionszüge in Volperhausen ist damals auch im englischen Rundfunk gesendet worden. Chronisten berichten, dass durch die Bombardierung der Züge in Volperhausen der Nachschub für die Nutscheidstellungen unterbrochen wurde. Die Stellungen, die am 18. März 1945 die letzten V1 auf Antwerpen in Belgien abgeschossen hatten, wurden kurz darauf abgebaut und nach Münster verlegt. Die V1-Kanoniere aus den Nutscheid-Stellungen wurden bei Kriegsende in Schleswig-Holstein von den Engländern gefangen genommen.
Zwei Wochen nach den Ereignissen von Volperhausen, als die Amerikaner bereits vor Alzen standen, wurde auf Befehl deutscher Offiziere die Eisenbahnbrücke bei Morsbach-Heide gesprengt. Morsbach war danach praktisch von der Außenwelt abgeschnitten. Die Bahnverbindungen nach Waldbröl und Wissen waren unterbrochen. Es gab fast keine befahrbare Straße mehr. Die Gemeinde wurde zum Notstandsgebiet erklärt.
Durch die spätere Zoneneinteilung gehörte der Oberbergische Kreis mit der Gemeinde Morsbach zur britischen, der angrenzende Kreis Altenkirchen mit Wissen zur französischen Besatzungszone. Der Verkehr von Morsbach nach Wissen und umgekehrt wurde dadurch erschwert. Aufgrund dieser Ereignisse und seiner abgeschiedenen Tallage erhielt Morsbach damals den Beinamen „Republik“.